Rheinische Post Krefeld Kempen
Mehr als sechs Millionen sahen Auftaktsieg der Handballer
Top-Einschaltquote, ein gelungener Start in die WM und keine Verletzten: Eigentlich müsste im deutschen Nationalteam beste Laune herrschen.
BERLIN Das Motto dieser Handball-WM war so sicher nicht gedacht: „Stand out“lautet es. Also auffallen, hervorstechen, herausragen – all das sollten alle Nationalspieler während des Turniers auf dem Handballfeld. Der deutschen Nationalmannschaft ist das beim 30:19-Sieg gegen Korea zum WM-Auftakt am Donnerstag ja auch in Teilen gelungen. Das erklärt, warum Bundestrainer Christian Prokop am Freitagnachmittag auffallend gelöst wirkte. Getrübt wird das Gesamtbild aber von einer Personalie: Der aussortierte Tobias Reichmann (MT Melsungen) hat sich ungefragt in denVordergrund gespielt und für ungewollte Unruhe gesorgt.
Prokop hatte den Rechtsaußen-Spieler nicht in den 16er-WMKader berufen. Reichmann reagierte unsportlich. Er setzte wenige Stunden vor dem Anwurf am Donnerstag auf „Instagram“die Nachricht von seinem Kurzurlaub in den USA in die Welt: „Ich bin dann mal weg. Wieso, weiß ich gar nicht genau...Ahhh, doch...Spontanurlaub“, schrieb er. Direkt nach dem Korea-Spiel sagte Prokop, er sei „verwundert“. Der Trainer suchte Erklärungen für das Verhalten des Spielers: „Da steckt si- cher auch ein bisschen Frust drin. Jeder muss selber sehen, was er für ein Zeichen setzt und wie er die Mannschaft unterstützt.“Am Ende sei es wichtig, „dass ich die 16 Spieler hier unterstütze und meine ganze Energie in sie stecke.“Der Bundestrainer kann im Turnier bis zu drei Spieler nachnominieren. Reichmann aller- dings dürfte sich wohl selbst ins Aus geschossen haben.
Und so waren auf der Pressekonferenz am Freitag, bei der Prokop sein Dauergrinsen gar nicht mehr loswurde, auch Bob Hanning, Vize-Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) und Nationaltorwart Silvio Heinevetter bemüht, mit schlagfertigen Sprüchen jeden Zweifel an der guten Stimmung zu beseitigen. „Bei dem Schneechaos im Süden war es doch ziemlich weitsichtig, in die USA zu fahren“, sagte Hanning. Und Torwart Heinevetter, der dem Kollegen Reichmann keinenVorwurf machen wollte, scherzte anschließend zum Thema Abendgestaltung des Teams: „Unter uns Spielern steht es 50 zu 50, ob wir Handball gucken oder das Dschungelcamp.“
Alle deutschen Nationalspieler hatten nach dem Sieg gegen Korea gewirkt, als sei ihnen eine Riesenlast von den Schultern gefallen. 13.500 Fans in der ausverkauften Arena am Ostbahnhof hatten das Nationalteam nach vorne gepeitscht. Nicht nur die Halle in Berlin ist bei den Spielen der Gruppe A um das deutsche Team gut aus-
Silvio Heinevetter gebucht. Insgesamt hat der WM-Ticketverkauf schon Rekorde gebrochen. Auf deutschem Boden wird in Köln, München, Hamburg und eben Berlin gespielt. Das dänische Kopenhagen sowie Herning sind die weiteren Spielorte. 500.000 Tickets wurden für die Spiele in Deutschland bereits verkauft. Hinzu kommen 350.000 für die Duelle in Dänemark. Das Eröffnungsspiel am Donnerstag sahen mehr als 6,1 Millionen TV-Zuschauer. Die Zahlen zeigen: Das Interesse ist immens. Die Erwartungen aber auch. Nicht wenige Fans hoffen auf ein zweites Wintermärchen nach 2007.
Dafür muss das Team von Prokop allerdings noch zulegen. Am Samstag ist Brasilien der zweite Gruppengegner (18.15 Uhr/ZDF). Der panamerikanische Vizemeister ist ein anderes Kaliber als Korea. Das hat die Mannschaft am Freitagabend mehr als deutlich gezeigt: Gegen Weltmeister Frankreich unterlag sie überraschend knapp (22:24). „Die Brasilianer werden versuchen, ihre physische Überlegenheit auszuspielen“, sagte Prokop. „Aber wir wissen um unsere Stärke.“Der Bundestrainer hatte bewusst alle Spieler eingesetzt, damit sie sich an die Atmosphäre gewöhnen. Die Handballer sind fit. Lediglich Franz Semper hat Schüttelfrost, er wird laut Prokop aber am Samstag mit dabei sein.
„Unter uns Spielern steht es noch 50 zu 50, ob wir Handball gucken oder Dschungelcamp“
Nationaltorwart