Rheinische Post Krefeld Kempen

Melodien auf Eis

Ausnahmekü­nstler Tim Linhart präsentier­t bis zum 31. März auf dem 2600 Meter hohen Presena-Gletscher im Val di Sole Presena-Gletscher seine Lieder – auf Musikinstr­umentetn aus Eis.

- VON MONIKA HIPPE

Beim Skifahren am Presena-Gletscher trifft man es: Das Iglu gleicht einem gefrorenen Amphitheat­er. Drinnen sitzen die Gäste in ihren Skioverall­s auf Stufen, gemeißelt aus Eis. Ein Styroporki­ssen unterm Hintern schützt vor Kälte. Es ist minus fünf Grad und nahezu alles ist aus Schnee und Eis: die Wände, die Bar, die Bühne – und die Musikinstr­umente.

„Leider müssen wir noch ein paar Minuten warten, bevor wir beginnen können“, begrüßt der Künstler die Besucher, „bei der Geige ist ein Stück vom Steg weggebroch­en. Das muss erst ‚geflickt’ werden und wieder anfrieren“. Dann nimmt der fast zwei Meter große Mann mit der Figur eines kanadische­n Holzfäller­s einen winzigen Schraubenz­ieher und drückt damit vorsichtig ein paar Eiskristal­le auf die filigrane Verbindung zwischen Saite und Korpus. Geduld ist eine wichtige Tugend. „Je langsamer man arbeitet, desto schneller wird man fertig“, meint Linhart, der schon vor König Karl Gustaf und Königin Silvia in Schweden auftrat.

Tim Linhart aus Colorado ist einer der wenigen Menschen auf der Welt, die akustische Saiteninst­rumente aus gefrorenem Wasser bauen und damit Konzerte auf Glet- schern geben. Mal spielte er im Schnalstal, heuer im Val di Sole. Insgesamt 16 verschiede­ne Instrument­e stehen bereit, dar- unter Geige, Bratsche, Gitarre und ein Xylophon. Von innen beleuchtet, schimmern sie abwechseln­d in rot, grün oder blau. Nur die Saiten, Hälse und Kinnhalter sind aus Stahl und Holz.

Wenig später lauschen die Zuhörer den Klängen der „Eismusik“. Tim und seine Band zaubern Töne, die klar und kalt sind wie Wasser und zerbrechli­ch wie eine Vase aus Glas. Ein Pärchen hält sich eng umschlunge­n und wiegt die Oberkörper im Takt zu Beethoven on ice. „Es ist magisch“, erzählt Tim in der Pause, „je länger man spielt, desto besser wird der Sound. Das Zupfen und Streichen der Saiten ist wie eine Massage für das Eis. Es entspannt sich und die Töne verändern sich während des Musizieren­s. Sie werden immer weicher“. Das erfordert eine ganz andere, flexiblere Spielweise und ist eine Herausford­erung für die Musiker.

Beim nächsten Lied greift Tim zur Querflöte. Damit die Fingerspit­zen nicht festkleben, hat er Gummihands­chuhe – wie man sie sonst beim Geschirrsp­ülen trägt - angezogen. Der Schlagzeug­er schlägt mit Gummibrett­ern auf dickwandig­e Trommeln und die Xylophonis­tin entlockt dem „Glaciophon­e“Klänge, als würden Tropfen in einen unterirdis­chen See fallen. Obwohl die Wände im Iglu glänzen, ist hier nichts feucht. Es ist so trocken, dass man nicht einmal die Atemluft sieht.

Nach dem Konzert kommen die Gäste erstaunt, was alles möglich ist, aus dem Iglu. Wer will, trinkt noch einen Tee oder Glühwein in der Chillout-Lounge, dann düsen sie auf Skiern bergab. Am Tonalepass finden sich Pisten für jeden Geschmack. Sei es die Panoramapi­ste „Alpino“für Gemütlichk­eitsläufer oder die legendäre schwarze Piste „Paradiso“, drei Kilometer lang mit einem Höhenunter­schied von 710 Metern.

Mit elf Kilometern ist die Abfahrt nach Ponte di Legno eine der längsten am Tonalepass. Fußgänger stapfen – musikalisc­h beglückt – durch den Schnee zurück zum Sessellift.

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FOTOS (2): MONIKA HIPPE Insgesamt 16 Instrument­e aus Eis kommen beim Festival zum Einsatz, unter anderem ein Kontrabass.
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Tim Linhart stimmt seine Gitarre für den Auftritt. Der Künstler begeistert­e bereits König Karl Gustaf und Königin Silvia in Schweden.

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