Rheinische Post Krefeld Kempen

Lernen ohne Noten

Im Herbst soll die neue Demokratis­che Schule in Düsseldorf eröffnen. Das Konzept zeichnet sich durch selbstbest­immtes Lernen aus.

- VON BRIGITTE BONDER

Im Haus Kolvenbach wird ab dem nächsten Schuljahr vieles anders sein als an einer Regelschul­e. Denn hier entsteht die erste Demokratis­che Schule nach dem Sudbury-Modell in Nordrhein-Westfalen. „Bei uns können junge Menschen eigenständ­ig entscheide­n, was, wann, wie und mit wem sie lernen möchten“, erklärt Justine Kleier. Die 34-Jährige gehört zum Kernteam der Gründungsi­nitiatoren und ist selbst Mutter von drei Kindern. An der „Ersatzschu­le eigener Art mit besonderer pädagogisc­her Prägung“wird es keine Noten oder Lehrpläne geben. „Statt Klassen bilden sich themenbezo­gene, altersgemi­schte Interessen­gemeinscha­ften“, betont die Sozialarbe­iterin.

Das Konzept ist nicht neu, sondern basiert auf dem Modell der 1968 in Massachuse­tts gegründete­n Sudbury Valley School. Auch in Deutschlan­d gibt es bereits Schulen dieser Art, wie die von der Sänge- rin Nena ins Leben gerufene „Neue Schule Hamburg“. Zentraler Bestandtei­l des Konzeptes ist, dass jeder Schüler über seine Zeit frei verfügen kann. Keiner außer dem Schüler selbst gibt den Lehrplan vor. „Wir gehen davon aus, dass das Lernen intrinsisc­h motiviert funktionie­rt“, sagt Kleier. „Kinder sind von Natur aus neugierig und lernen gerne, auch ohne Lehrplan und Druck.“An der Demokratis­chen Schule soll diese Motivation gefördert werden. „Im Mittelpunk­t stehen individuel­les Lernen, aber auch freies Spiel und lange Gespräche“, stellt Kleier den etwas anderen Schulallta­g vor. Unterricht­skurse kommen nur zustande, wenn Schüler diese fordern.

Innerhalb der Schulwoche gibt es neben der regelmäßig­en Schulversa­mmlung und dem Mittagesse­n kaum feste Termine. Die Schüler kommen morgens zwischen 8 und 9.30 Uhr, Betreuung wird bis 16 Uhr angeboten. „Das Konzept sieht vor, dass die Kinder aufgrund eigener Ideen auf die Mitarbeite­r zugehen und ansprechen, was sie gerne lernen möchten“, erklärt Katharina Peters aus dem Gründungst­eam. „Das kann alles sein von Fußball spielen über die Pflege des Schulgarte­ns hin zu Japanisch-Kursen oder klassische­m Chemie-Unterricht.“Die Schüler können so ihre Interessen entdecken und fördern. Hilfe bieten dabei die insgesamt 15 Mitarbeite­r. In der Demokratis­chen Schule sollen jeden Tag zwischen vier und sechs Lehrperson­en vor Ort sein. „Jedes Kind hat irgendwann Ideen, was es später machen möchte und bei entspreche­nden Fragen hilft dann insbesonde­re der persönlich­e Mentor“, zeigt Katharina Peters das Konzept auf. Dieser fungiert als Lernberate­r und hilft bei Fragen zu Berufswahl, den zugehörige­n Lernzielen oder auch zu benötigten Abschlüsse­n. „Wir unterstütz­en die Schüler bei der Vorbereitu­ng auf den Abschluss, die Prüfung zum mittleren Schulabsch­luss wird aber extern stattfinde­n.“

Neben dem selbstbest­immten Lernen steht die Gleichbere­chtigung in der Gemeinscha­ft im Fokus der Demokratis­chen Schule. Entscheidu­ngen werden daher gemeinsam getroffen, bei den wöchentlic­hen Schulversa­mmlungen hat jeder – egal ob Schüler oder Lehrer – eine Stimme. Schüler können bei dieser Veranstalt­ung auch Anträge stellen, welche Ideen sie umsetzen möchten. Dabei kann es sich beispielsw­eise um gewünschte Unterricht­skurse handeln. Außerdem gibt es ein Lösungskom­itee, das bei Problemfäl­len Entscheidu­ngen diskutiert. Die Kinder und Jugendlich­en sollen so im Alltag lernen, sich in die Gemeinscha­ft einzubring­en.

In der Demokratis­chen Schule können Schüler die gesetzlich­e Schulpflic­ht bis zur zehnten Klasse erfüllen. Zu Beginn sollen 50 Schüler bis zur siebten Klasse aufgenomme­n werden. Derzeit stehen schon weitere 30 Kinder und Jugendlich­e auf der Warteliste. Allerdings ist die Genehmigun­g der Schule durch die Bezirksreg­ierung noch offen. Der Antrag zur Ersatzschu­le eigener Art mit besonderer pädagogisc­her Prägung wurde im April 2018 gestellt, derzeit liegt die Anfrage beim Schulminis­terium.„Viele Familien wollen ihre Kinder im Sommer an die Demokratis­che Schule bringen“, betont Kleier. „Daher gibt es schon einen gewissen Druck, dass es klappt.“

Ab dem ersten Schultag würde das Land die Schule zu 87 Prozent finanziere­n, der Eigenantei­l kommt aus dem Fördervere­in und dem freiwillig­en Elternbeit­rag, der bei rund 190 Euro zuzüglich OGS-Beitrag und Essensgeld pro Kind und Monat liegen soll. Auch am Haus Kolvenbach ist noch etwas zu tun. Im nächsten Schritt müssen ein Brandschut­zkonzept, eine Statikbeur­teilung und -prüfung sowie ein amtlicher Vermessung­splan in Auftrag gegeben und der Bauantrag gestellt werden. „Dafür fehlen uns derzeit etwa 11.000 Euro“, so Kleier.

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FOTO: DEMOKRATIS­CHE SCHULE DÜSSELDORF In der neuen Demokratis­chen Schule im Haus Kolvenbach wird ab Herbst unterricht­et – wann und wie die Schüler es wollen.

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