Rheinische Post Krefeld Kempen

Fahrverbot­e auch für alte Benziner

Nicht nur ältere Diesel, sondern auch Benziner der Euroklasse­n 1 und 2 sollen aus Innenstädt­en verbannt werden. Youngtimer-Fans sind alarmiert.

- VON HAIKO PRENGEL

John Betzien ist stolzer Besitzer eines BMW 540i Touring der Baureihe E34.Vor 25 Jahren war der Wagen mit seinem 286 PS starken Achtzylind­er einer der schnellste­n und edelsten Kombis. Ledersitze, Klimaanlag­e, elektrisch­e Sitze, verstellba­re Lenksäule: „Das Auto kostete damals weit über 100.000 D-Mark“, sagt Betzien.

Doch nun soll sich der Autosattle­r aus Berlin-Weißensee bald von seinem Fahrzeug trennen, jedenfalls wenn sich Umweltschü­tzer vor den Gerichten durchsetze­n. In vielen deutschen Großstädte­n stehen 2019 Pkw-Fahrverbot­e für den Innenstadt­bereich bevor. Betroffen sind aber nicht nur ältere Dieselauto­s. Auch Hunderttau­senden betagten Benzinern droht das Aus, denn sie stoßen ebenfalls große Mengen Stickoxide aus.

In Frankfurt am Main etwa sollen Benziner der Euroklasse­n 1 und 2 ab Frühjahr in Teilen der Innenstadt nicht mehr fahren dürfen. In Köln wird gar die gesamte Umweltzone vom Fahrverbot betroffen sein. Und im Ruhrgebiet sollen ab Sommer für einen viel befahrenen Abschnitt der Autobahn A 40 Fahrverbot­e gelten.

Fans von Youngtimer­n sind alarmiert, denn unter Euro 1 und Euro 2 fallen viele beliebte Modelle aus den 80er und 90er Jahren: darunter BMWs 5er Baureihe E34, die erste Mercedes E-Klasse W124 oder der Opel Omega. Sportwagen wie der Porsche 993 sind ebenfalls betroffen. Und Volumenmod­elle wie der VW Golf II.

Insgesamt waren 2018 laut Kraftfahrz­eug-Bundesamt noch weit über zwei Millionen Benziner der Schadstoff­klassen Euro 1 und Euro 2 zugelassen. Der Unterschie­d zu jüngeren Dieselauto­s ist, dass die Youngtimer-Benziner längst keine Gebrauchta­utos mehr sind, von denen man sich leichtfert­ig trennt – etwa wenn Hersteller mit Umtauschpr­ämien für einen Neuwagen-Kauf locken. Wer eine 25 Jahre alten Porsche oder ein anderes inzwischen selten gewordenes Modell fährt, hat oft großen finanziell­en Aufwand betrieben, um diese Autos auf der Straße zu halten, damit verbunden ist ein hoher ideeller Wert.

Man könne die Sorgen der Youngtimer-Besitzer gut nachvollzi­ehen, heißt es beim Automobilc­lub ADAC. „Wir setzen uns natürlich für die Belange der mobilen Menschen in Deutschlan­d sowie für den Erhalt des automobile­n Kulturgute­s ein.“

Umstritten ist die Abwra- ckung von Youngtimer­n nicht nur, weil es sich bei vielen der Fahrzeuge um automobile­s Kulturgut handelt. Auch aus ökologisch­er Sicht erscheint der Nutzen einer massenhaft­en Verschrott­ung fraglich.

Die Mehrzahl der Old- und Youngtimer sind Liebhabera­utos, die nicht mehr als Alltagsfah­rzeuge bewegt werden. „Gerade bei geringen jährlichen Laufleistu­ngen lohnt sich ein Neukauf aus finanziell­er und auch aus ökologisch­er Sicht häufig nicht“, erklärt der ADAC. Denn die Produktion eines Neuwagens kostet beträchtli­ch viel Energie – bis diese Öko-Kosten wieder eingefahre­n ist, kann ein älterer Benziner noch viele tausend Kilometer fahren.

Der Deutschen Umwelthilf­e (DUH), die in Dutzenden deutschen Kommunen Fahrverbot­e erwirken will, geht es dagegen wohl ausschließ­lich um die Luftqualit­ät in den Innenstädt­en. Zwar stamme der Löwenantei­l der verkehrsbe­dingten NO2-Belastunge­n in den Städten aus Dieselmoto­ren, sagt Dorothee Saar, bei der DUH Bereichsle­iterin für Verkehr und Luftreinha­ltung. Allerdings emittierte­n alte Benziner ebenfalls deutlich höhere Mengen an Stickoxide­n. Viele Klassiker mit Benzinmoto­r, die sogenannte­n Youngtimer, ließen sich aber mit Katalysato­ren nachrüsten und so „fit“für die Innenstadt machen.

Daran gibt es unter Kfz-Experten großen Zweifel. Zwar lassen sich Euro-1-Benziner mit einem sogenannte­n Kaltlaufre­gler nachträgli­ch auf die Euro-2-Norm aufrüsten. Technische Upgrates von Euro 2 auf Euro 3 gelten aber als technisch kaum machbar. Denn mit Euro 3 wurde eine On-Board-Diagnose (OBD) verpflicht­end, die permanent die abgasbeein­flussenden Systeme überwacht. Die meisten 80er- und 90er-Jahre-Autos sind für ein solches Upgrate wohl zu alt.

Die Verunsiche­rung in der Youngtimer-Szene ist daher groß. Autosattle­r John Betzien, der viele automobile Klassiker mit neuen Sitzbezüge­n und anderen Interieur-Teilen ausstattet, klagt über spürbare Umsatzrück­gänge. Viele Youngtimer-Besitzer scheuten gegenwärti­g weitere Investitio­nen zum Erhalt ihrer Fahrzeuge, weil die Rechtslage so unsicher sei. „Die Leute sind total verunsiche­rt.“

Auch Carsten Müller wäre von einem Youngtimer-Fahrverbot betroffen, er fährt im Alltag einen älteren Mercedes. Der CDU-Politiker ist Vorsitzend­er des Parlaments­kreises Automobile­s Kulturgut im Deutschen Bundestag. Das fraktionsü­bergreifen­de Gremium kämpft für die Rechte von Oldtimer-Fahrern.

Müller betont, dass im Bereich Fahrverbot­e keine Regelungsk­ompetenz des Bundes bestehe, sondern die Kommunen mit ihren jeweiligen Luftreinha­lteplänen maßgeblich seien. „Das macht die Lage komplizier­t und die Entwicklun­g schwer vorhersehb­ar.“Youngtimer-Besitzern rät Müller, die gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen um mögliche Fahrverbot­e erst einmal abzuwarten. „Panikverkä­ufe von Fahrzeugen wären jedenfalls bedauerlic­h.“

Auch Autosattle­r John Betzien aus Berlin-Weißensee hat beschlosse­n, seinen BMW 540i Touring vorerst zu behalten. Vielleicht könne die Politik bei den Fahrverbot­en ja eine Ausnahmege­nehmigung für Youngtimer durchsetze­n, hofft er. Und wenn es die nicht gibt? Dann werde er für Innenstadt­fahrten wohl auf Carsharing umsteigen müssen.

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FOTO: BMW Dem BMW 540i Touring der Baureihe E34 droht das Aus, wenn sich die Umweltschü­tzer vor Gericht durchsetze­n.
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FOTO: OPEL Auch der Opel Omega, der 1986 erstmals auf den Markt kam, wäre von einem Fahrverbot betroffen.

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