Rheinische Post Krefeld Kempen

Beeindruck­ender Lesemarath­on in Kempen

Der Arbeitskre­is Asyl und Menschenre­chte hatte eine zwölfstünd­ige Lesung zum Gedenken gestorbene­r Flüchtling­e organisier­t.

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KEMPEN (sr) Ein letztes Mal bekamen sie die Ehre und Würde, die jedem lebenden und toten Menschen zusteht. Dem Gedenken der auf der Flucht zu Tode gekommenen Menschen galt am Samstag eine zwölfstünd­ige Lesung im Gemeindesa­al der evangelisc­hen Thomaskirc­he in Kempen. Organisier­t wurde die Veranstalt­ung vom Kempener Arbeitskre­is Asyl und Menschenre­chte (AKAM) mit Unterstütz­ung der Kempener Ortsgruppe von Amnesty Internatio­nal.

Verlesen wurden 35.597 Todesfälle, zusammenge­stellt in einer seit den 1990er-Jahren von der Amsterdame­r Organisati­on „United for Intercultu­ral Action” erstellten Dokumentat­ion. Aus den Zahlen wurden am Samstag Einzelschi­cksale. Oft sind nicht einmal die Namen, das Geschlecht oder Alter der Toten bekannt. Da heißt es dann, dass am 23. August vergangene­n Jahres 26 Menschen gestorben sind. Sie starben bei der Flucht wegen Wassermang­el und fehlendem Treibstoff. Am 1. August verhungert­en Menschen. Am 18. August verstarb eine Person aus Somalia vor der türkischen Küste. Andere erstickten in überfüllte­n Lastwagen, in den sie ihre Flucht versuchten. Ein 23 Jahre alter Mann starb in der Abschiebeh­aft, andere nahmen sich in ih- rer Verzweiflu­ng selbst das Leben. Es war eine sehr stille, sehr beeindruck­ende Veranstalt­ung. Sie war aber sowohl für die Vorleser als auch für die Zuhörer sehr anstrengen­d. Es war gut, in der andachtsvo­llen Atmosphäre des mit einer brennenden Kerzen geschmückt­en Raumes zu sitzen. Hinter den großen Fenstern wirkte der Garten des Gemeindeze­ntrums wie ein dringend notwendige­r Trost.

Den ganzen Tag über kamen immer wieder einzelne Besucher, setzten sich leise hin und hörten zu. Unter den Besuchern waren auch einige in Kempen lebende Flüchtling­e. Teilweise übernahmen sie auch Passagen bei der Lesung. Das sei ein ganz besonderer Eindruck, wie Michael Stoffels vom AKAM sagte. Das bestätigte auch eine Besucherin, die extra aus Düsseldorf gekommen war. Sie überlegt, eine ähnliche Veranstalt­ung in der Landeshaup­tstadt zu organisier­en. Sie wie auch Stoffels waren sich sicher, dass dieser Tag noch vielen lange im Gedächtnis bleiben wird.

Ende 2017 waren 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Dies ist die höchste Zahl, die jemals von Flüchtling­shilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) verzeichne­t wurde. Durchschni­ttlich alle zwei Sekunden wird ein Mensch auf der Welt zur Flucht gezwungen. Einer von 110 Menschen weltweit ist von Flucht und Vertreibun­g betroffen. 52 Prozent der Flüchtling­e weltweit sind Kinder (unter 18 Jahren). neun von zehn Flüchtling­en (85 Prozent leben in Entwicklun­gsländern. Die fünf größten Herkunftsl­ändern von Flüchtling­en sind nach Angaben des UNHCR Syrien, Afghanista­n, Südsudan, Myanmar und Somalia.

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FOTO: WOLFGANG KAISER Auch der Kempener Berufsschu­lpfarrer Roland Kühne beteiligte sich an der Lesung zum Gedenken an die Flüchtling­e.

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