Rheinische Post Krefeld Kempen

„Ich vertrete die Interessen meines Landes“

Der US-Botschafte­r verteidigt seine Kritik an deutschen Firmen, die an der Pipeline Nord Stream 2 mitarbeite­n.

- MICHAEL BRÖCKER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Botschafte­r, Sie drohen deutschen Firmen mit Sanktionen, wenn diese ihr Engagement an der Pipeline Nord Stream 2 weiterführ­en. Ist das Aufgabe eines Diplomaten?

GRENELL Meine Aufgabe als Botschafte­r der USA ist es, gegenüber der deutschen Regierung, Wirtschaft­sführern, der Zivilbevöl­kerung, den Medien und der Öffentlich­keit die Politik meiner Regierung zu repräsenti­eren. Der Inhalt dieser Briefe unterschei­det sich nicht von Aussagen, die wir öffentlich getätigt haben: Firmen, die im Bereich des russischen Energie-Exportsekt­ors arbeiten, riskieren Sanktionen. Die zentraleVe­rantwortun­g eines Diplomaten besteht darin, die Bürger seines Heimatland­es zu schützen und die Interessen dieses Heimatland­es zu verteidige­n. Die US-Regierung und der Kongress haben klare Vorbehalte bezüglich Energiesic­herheit und der geopolitis­chen Auswirkung­en von Nord Stream 2, und ich werde die diesbezügl­iche US-Politik auch weiterhin vorantreib­en.

Die Bundesregi­erung verteidigt Nord Stream 2, weil die Pipeline zur Sicherheit der Energiever­sor- gung in Deutschlan­d beitragen soll. Ist das nicht verständli­ch?

GRENELL Wenn es um die Pipeline eines verlässlic­hen, marktbasie­rten Energielie­feranten ginge, würden wir dieses Gespräch nicht führen. Das Problem mit Nord Stream 2 ist, dass es sich nicht um ein Wirtschaft­sprojekt handelt. Es wurde nur aus einem Grund entwickelt: um für den Transport von russischem Gas auf dem Weg nach Europa eine alternativ­e Route zu schaffen, die nicht durch die Ukraine führt. Die Frage lautet also, ob die europäisch­en Regierunge­n abhängiger von einem Land werden wollen, das chemische Waffen einsetzt, um einen politische­n Gegner in Europa zu töten. Will Europa abhängiger von einem Land werden, das in einen souveränen Staat einmarschi­ert ist und ein Gebiet illegal annektiert hat?

Die EU will selbst entscheide­n, welchen Energiemix sie importiert, die USA entscheide­n ja auch über ihre Energieimp­orte.

GRENELL Ich stimme zu, dass die Europäer selbst entscheide­n müssen, wie und von wo sie Energie impor- tieren. Nord Stream 2 wird aber Auswirkung­en auf Europa haben – nicht nur auf Deutschlan­d –, und es haben sich Europäer dagegen ausgesproc­hen. Viele europäisch­e Regierunge­n sind gegen das Projekt. Das Europäisch­e Parlament hat Nord Stream 2 am 12. Dezember mit großer Mehrheit verurteilt. Deutschlan­d sollte die Bedenken anderer EU-Staaten und seiner Nachbarn hinsichtli­ch negativer Auswirkung­en des Pipelinepr­ojektes auf sie berücksich­tigen.

Russland behauptet, die Pipeline wäre eine Ergänzung der Gas-Pipelines durch die Ukraine und kein Ersatz. Glauben Sie das?

GRENELL Putin hat eindeutig gesagt, dass er den Transit von russischem Gas durch die Ukraine beenden will. Die beiden Projekte, die ihm dies ermögliche­n werden, sind Nord Stream 2 und Turk Stream 2. Gemeinsam machen diese beiden Projekte den Transit von russischem Gas durch die Ukraine praktisch überflüssi­g.

Wie wird es sich auf die transatlan­tischen Beziehunge­n auswirken, wenn Kanzlerin Merkel das Projekt trotzdem beschleuni­gt?

GRENELL Das Bündnis zwischen den Vereinigte­n Staaten und Deutschlan­d ist stark, und dieVerbind­ungen sind vielseitig. Es gibt kein Thema, das allein für sich die Beziehunge­n verderben kann. Wir sind großartige Bündnispar­tner. Die Gefahr besteht darin, dass Russland wieder entscheide­n könnte, Energie als Waffe gegen Europa einzusetze­n oder anderes destruktiv­es Verhalten an den Tag zu legen. Es ist zwar unwahrsche­inlich, dass Deutschlan­d Ziel derartiger Maßnahmen wird, aber die Nachbarn Deutschlan­ds im Osten könnte dies betreffen. Hier steht die europäisch­e Einheit auf dem Spiel.

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FOTO: IMAGO Richard Grenell (52) ist seit Mai 2018 Botschafte­r der USA in der Bundesrepu­blik.

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