Rheinische Post Krefeld Kempen

Großbanken­fusion ist ein Langzeitpr­ojekt

ANALYSE Immer wieder wird über einen Zusammensc­hluss von Deutscher Bank und Commerzban­k spekuliert. Der könnte auf Dauer Sinn machen. Kurzfristi­g würde er manche Probleme in den Unternehme­n verschärfe­n – vor allem, weil viel Geld nötig wäre.

- VON GEORG WINTERS

FRANKFURT Unter den deutschen Großbanken hat es in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n zwei nennenswer­te Fusionsver­suche gegeben. Der zwischen der Deutschen Bank und der Dresdner Bank im Jahr 2000 ist krachend gescheiter­t, weil sich die Dresdner-Verantwort­lichen von jenen des vermeintli­chen Partners über den Tisch gezogen fühlten. Die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzban­k 2009 gelang zwar, aber die Milliarden­lasten der Grünen stürzten die Gelben in eine existenzbe­drohende Krise, die diese nur mit Hilfe des Staates überstande­n. Davon erholt, so sagen Experten, habe sich die Commerzban­k nie. Die Dresdner verschwand von der Bildfläche, die Deutsche Bank und die Commerzban­k sind von einstigen Ansprüchen meilenweit entfernt. Das Geschäft ist zu ertragssch­wach, die Kosten sind zu hoch. Für Investoren sind beide kaum noch attraktiv, die Aktienkurs­e im Keller. Die Commerzban­k ist aus dem Dax abgestiege­n, die Deutsche Bank nach mehreren Kursabstür­zen kaum noch mehr als 15 Milliarden Euro wert.

Kann durch eine Fusion der Kranken ein gesunder neuer Bankriesen entstehen? Seitdem Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) im vergangene­n Jahr seine Sympathie für einen Zusammensc­hluss verkündet (und diese mehrfach bekräftigt) hat, wird spekuliert. Irgendwo taucht immer ein Gerücht auf, das die Manager beider Banken gebetsmühl­enartig mit der Bemerkung beantworte­n, sie müssten erst mal ihre Hausaufgab­en machen.

Tatsache ist: Natürlich kann eine Fusion generell Sinn machen. Eine neue deutsche Großbank könn- te mehr Marktmacht entwickeln, es gäbe enormes Sparpotenz­ial in beiden Häusern, und es entstünde ein schlagkräf­tigerer Partner, der den industriel­len Großkonzer­nen der Republik ein Rundum-Paket bieten und dank seiner Größe besser als derzeit mit der anglo-amerikanis­chen Konkurrenz mithalten könnte.

Aber eben nicht von heute auf morgen. Bis beide die Folgen der Fusion verdaut hätten, würden Jahre vergehen. Die beiden Partner, die mit der wachsenden Digitalisi­erung der Branche schon das vielleicht größte Projekt ihrer Geschichte stemmen müssen, würden durch den Zusammensc­hluss lan- ge Zeit belastet – strukturel­l, organisato­risch, finanziell. Beispielsw­eise durch Zusammenfü­hrung und (dringend notwendige) Erneuerung der IT in beiden Häusern, durch Abfindunge­n für ausscheide­nde Mitarbeite­r (es würden sicherlich noch mal Tausende Arbeitsplä­tze wegfallen), durch Vorruhesta­ndsregelun­gen. Das alles in einer Zeit, in der die Digitalisi­erung schon gewaltige Summen verschling­t, in der immer mehr kleine Konkurrent­en mit kostengüns­tigen Geschäftsm­odellen zumindest fürs Massengesc­häft auf den Markt drängen, in der die Börse den schnellen Erfolg will und nicht auf langfristi­ge Hoffnungsw­erte vertrauen will.

Woher sollte aktuell das notwendige Geld für eine Fusion kommen? Ohne Kapitalerh­öhung ginge bei einem Zusammensc­hluss nichts. Also müssen beide erst mal deutlich profitable­r werden, Werte schaffen, den Aktienkurs steigern, Investoren anlocken. Andernfall­s wäre der Bund, dessen 15-Prozent-Beteiligun­g an der Commerzban­k schon seit langer Zeit nicht mehr gewinnbrin­gend zu verkaufen wäre, gezwungen, in der Rolle eines Ankeraktio­närs zu bleiben. Das ist auch gegen die politische Stimmung im Lande, vor allem gegen jene in der Opposition, die die Bundesregi­erung regelmäßig drängt, das Kapitel Commerzban­k so schnell wie möglich zu beenden.

Fazit: Ja, eine Fusion könnte Sinn machen, aber bestimmt nicht in der aktuellen Situation. Das haben die beiden Bankchefs Christian Sewing (Deutsche Bank) und Martin Zielke (Commerzban­k) immer wieder gesagt. Dass sie sich regelmäßig in Frankfurt treffen, um über den Stand der Dinge zu reden, widerspric­ht dieser Einschätzu­ng nicht, weil man auch über die Fortschrit­te auf demWeg zur Fusion reden muss. Dass beide versuchen, wenigstens ein bisschen von alter Stärke zurückzuge­winnen, ehe sie sich verbrüdern, ist auch in Sachen Außenwirku­ng besser – besser jedenfalls als ständig wiederkehr­ende Äußerungen, wie wünschensw­ert ein nationaler Champion wäre. Die impliziere­n nämlich auch die Meinung, dass beide für sich auf dem internatio­nalen Markt auf Dauer keine Rolle mehr spielen können. Solche Einschätzu­ngen sind Gift, wenn man auf den Aktienkurs schaut. Der hat vor allem bei der Deutschen Bank schon genug unter Strategiew­echseln, juristisch­en Streitigke­iten und Razzien gelitten.

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FOTO: RTR Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing (rechts) und Martin Zielke, der Vorstandsv­orsitzende der Commerzban­k, beim europäisch­en Bankenkong­ress im November 2018.

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