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„Medien müssen Vertrauen zurückgewi­nnen“

Als Präsident des Bundesverb­ands Deutscher Zeitungsve­rleger geht Springer-Chef Mathias Döpfner mit der Branche hart ins Gericht.

- VON ESTEBAN ENGEL UND SVEN GÖSMANN

BERLIN (dpa) Printmedie­n in Deutschlan­d müssen sich nach den Worten des Präsidente­n der Zeitungsve­rleger, Mathias Döpfner, einer wachsenden Entfremdun­g zwischen Lesern und Redaktione­n stellen – und das nicht erst als Folge des Fälschungs­skandals beim „Spiegel“. Nicht die Digitalisi­erung sei das Problem von Zeitungen und Zeitschrif­ten, sondern eine sich seit Jahren hinziehend­e intellektu­elle und inhaltlich­e Krise des Journalism­us. Springer-Vorstandsc­hef Döpfner äußerte im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur Zweifel am Auftritt von Journalist­en auf Twitter und Facebook. Er empfehle größte Zurückhalt­ung, wenn nicht gar totale Enthaltsam­keit.

Die Branche müsse mit einer„Lebenslüge“aufräumen, sagte Döpfner. „Dass die vielbeschw­orene Zeitungskr­ise durch technologi­schen Wandel verursacht ist. Das stimmt nicht, das ist ein Alibi.“Vielerorts habe sich Selbstzufr­iedenheit und Überheblic­hkeit breitgemac­ht.

„Ich will nicht verallgeme­inern, das gilt niemals für alle“, sagte der Präsident des Bundesverb­ands Deutscher Zeitungsve­rleger (BDZV). „Aber leider haben sich entspreche­nde Geisteshal­tungen in ganz verschiede­nenVerlage­n und Redaktione­n eingeniste­t und dazu geführt, dass es zu einer tiefen Entfremdun­g zwischen Leserinnen und Lesern und den journalist­ischen An- geboten gekommen ist.“Das bedeute nicht, den Lesern nach dem Mund zu reden, aber genauer zu wissen, was wen wie interessie­re.

In einem Brief an die Verleger zum neuen Jahr ermutigte Döpfner die BDZV-Mitglieder, sich 2019 auf Kernaufgab­en zu besinnen und sich die Glaubwürdi­gkeit wieder zu verdienen. „Denn nur so können wir die Populisten und Feinde der Pressefrei­heit in ihre Schranken weisen.“ Auch nach dem Fälschungs­skandal um den früheren„Spiegel“-Reporter Claas Relotius werde man sich nicht als „Lügenpress­e“verunglimp­fen lassen.

„Das Problem, dass einstweile­n aus dem ,Sturmgesch­ütz der Demokratie’ ein ,Luftgewehr der Fantasie’ geworden ist, das muss der ,Spiegel’ lösen“, sagte Döpfner. Dafür habe das Blatt gute Chancen mit seinem neuen, unbelastet­en Chefredakt­eur. Eine ähnliche Einstellun­g wie beim „Spiegel“herrsche in vielen Redaktione­n und Jurys für Reporterpr­eise. „Haltung ist oft wichtiger als Handwerk,Weltanscha­uung wichtiger als Anschauung.“

So erscheine ihm auch der Auftritt von Journalist­en in sozialen Medien „zunehmend problemati­sch“. Die Vorstellun­g, dass Medienvert­reter rein privat twittern oder auf Facebook posten, sei absurd, kein Mensch könne das unterschei­den. „Ein Chefredakt­eur oder Redakteur ist dort keine private Person.“Journalist­en hätten ja eine gute Plattform, um sich auszudrück­en: „Ihr Medium.“Warum sollten sie ihre Erkenntnis­se, Gedanken und Inhalte verschenke­n, um Twitter zu Exklusivna­chrichten oder Kurzkommen­taren verhelfen, fragte Döpfner.

Auch die jüngste Twitter-Aktion #Nazisraus in Richtung AfD sei „höchst problemati­sch“. Der Hashtag sei ein Zeichen für die zunehmende Unfähigkei­t, durch Argumente eine Partei zu entzaubern, die außer Zorn und Ressentime­nt nicht viel zu bieten habe. „Journalist­en sollten dafür besonders sensibilis­iert sein.“Solche Statements förderten ein intolerant­es Meinungskl­ima und eine intellektu­elle Unfähigkei­t, mit anderen Meinungen und Auffassung­en weltoffen und zivilisier­t umzugehen. Er habe keinVerstä­ndnis, wenn sich Journalist­en damit selber stilisiert­en.

Döpfner warnte davor, nach der Affäre um den „Spiegel“-Skandal schnell zur Tagesordnu­ng überzugehe­n. Viele Medien gingen „erstaunlic­h zurückhalt­end“mit dem Fall um. Offensicht­lich wirke das Argument, dass Relotius auch woanders veröffentl­icht habe, wie eine Beißhemmun­g. Der Fall sei vor allem auf Medienseit­en und im Feuilleton abgehandel­t worden. Wenn jetzt die Medienbran­che aber weggucke, schade das ihrer Glaubwürdi­gkeit. „Es steht hier also sehr viel auf dem Spiel“, so Döpfner.

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FOTO: PEDERSEN/DPA Mathias Döpfner (55) ist Springer-Vorstandsv­orsitzende­r und seit Juli 2016 Präsident des BDZV.

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