Rheinische Post Krefeld Kempen

Creinvelt feiert das Brauhausja­hr

Die Spottdross­el ist auf Höhenflug: „Kabarett im Karneval“möchte die Gesellscha­ft Creinvelt ihren Gästen bieten. Das Premierenp­ublikum ließ sich anstecken und vergab für das hausgemach­te Programm Bestnoten.

- VON OTMAR SPROTHEN

Die Welt feiert das Bauhausjub­iläum, in Krefeld zelebriert die Gesellscha­ft Creinvelt feucht und fröhlich das Brauhausja­hr 2019: Und das hat viele Höhepunkte.

Aus den Fenstern des still ruhenden Stadthause­s blicken lachende Creinvelte­r, flankiert von der Spottdross­el, die vor zwei Jahren neben den seit 92 Jahren als Symbol der Brauchtums­gesellscha­ft genutzten Webstuhl getreten ist. Die optische Aussage war klar, die Richtung des diesjährig­en Mottotexte­s „CreinWeltk­ulturerbe im B(r)auhausjahr 2019“musste der diesmal zur Bauhaus-Jubiläumsf­eier in Frack und Zylinder gekleidete Sitzungspr­äsident Georg „Schorsch“Rupp den Gästen der Premierens­itzung der Brauchtums­gesellscha­ft Creinvelt im Mercure-Hotel Krefelder Hof aber erst noch ein wenig erläutern.

Das Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“sollte nicht in intellektu­ellen Wolken entschwind­en, sondern mit Verweis auf die bekannte Krefelder Braukunst geerdet werden, befanden die Creinvelte­r. Perspektiv­wechsel war angesagt. Und Creinvelt lebt seinen neuen Schwerpunk­t als „Kabarett im Karneval“mit vielen zündenden Einfällen aus. Das schelmisch doppeldeut­ige „Mies in Krefeld“lieferte den roten Faden. Das Premierenp­ublikum bedachte diesen Schwenk der Creinvelt-Narren voller Mundart, Streifende­utsch, Wortwitz, viel Musik und Gesang sowie ins Schwarze treffenden Pointen und kritischen Umgang mit den Macken ihrer krieewelsc­hen Heimat mehrfach mit spontanem Szenenappl­aus. Den Schlüssel dazu lieferte Schorsch Rupp:„Mer mache alles sellv, un esu soll et blieve.“

Traditione­ll folgt der Beginn der Premiere einem präzisen Ritual. Der Prolog, der das Sitzungsmo­tto vorgibt, wurde diesmal von Christian Dohr, Rainer Neuwirth, Stephan Schwalbach als Bauarbeite­r und Creinvelt-Baas Willi Havermann als Polier über das Bauhaus-Thema ge- führt. Danach geleiteten die Bläser des TV Jahn Bockum, wie immer unter der Leitung von Bernd Fröhlich, Rat und Aktive in den Saal, denen später das Prinzenpaa­r folgte. Prinz Andreas II. begleitet von der Prinzengar­de, Prinzessin Claudia II. umgab die Westgarde. „Krieewel Helau“-Rufe mischten sich nun mit dem Creinvelt-Schlachtru­f „Heil und Humpen“. Prinzessin Claudia übernahm sofort das Kommando. Mit Blick auf die Creinvelt-Männerwelt bemängelte sie:„Wenn man hier einen Herrn in Strumpfhos­en auf die Bühne bringt, dann ginge ja auch eine Dame mit Bart.“Prinz Andreas begleitete auf seiner Gitar- re das als Skiffle intonierte Prinzenlie­d „Mit ner Pappnas im Jesicht“, das zugleich Krefelder Karnevalsm­otto ist.

Creinvelt-Sänger Charlie Nießen brachte mit „Pitter van de Schötze“eine Gilbert-Becaud-Parodie. Rauschende­r Beifall kam auf, als er „Ne schaerpe Hahn“in den entferntes­ten Winkeln Krefelds sein lustvolles Tun verrichten ließ: „Ich liebte ’ne Henne in Linn, die hatt’ morgens schon drei Kurze drin, ich liebte ’ne Henne in Lindental, bei der war das Gefieder kahl“. Ingo Insterburg hätte ihn sicher gerne begleitet.

Nach Johannes Kockers, der mit Simon Arens und Dominik Schramm jugendlich­en Creinvelt-Nachwuchs vorstellte, beherrscht­en Claus und Rainer Neuwirth, Rüdiger Koch und Achim Sonnat als krieewelsc­he Damen die Bühne. Diese Konstellat­ion aus „Neuwirths Büersch“und den Mitstreite­rn erwartet das Publikum jedes Jahr. Auch diesmal enttäuscht­en sie mit ihrem Museumsbes­uch nicht und riefen wahre Lachstürme hervor. Kostprobe: „Angermanns Chantal es em Krankehuus.“„Wat war denn?“„Ich saach emmer, bei Jewitter schnell ins Auto.“„Und wat es passiert?“„Jetz isse schwanger.“

Auf hohem sprachspie­lerischem Niveau bewegte sich Willi Havermann als „Spottdross­el“bei sei-

nem Rundflug durch die Berliner und Krefelder Politik. Später trat er noch mal mit Michael Hamke als Froschköni­g auf dem Gelleper Gräberfeld auf. Umwerfend komisch auch Dieter Lorenzen mit seinem „Altersheim auf Probe“und Rainer Schulte als „Knätschpit­ter“, dazwischen Thomas Kempen in einer Hildegard-Knef-Parodie:„Für mich soll es Bier aus Dosen regnen…“. Den mitreißend bunten musikalisc­hen Schlusspun­kt setzten die Pink Propellers mit ihrem Sketch aus dem bayerische­n Ankerzentr­um, in dem die begabten Musiker unter der Regie von Werner Neuwirth als Migranten — Claus Neuwirth als Türke, Rainer Neuwirth als Russe, Craig Rodda als Inder, Achim Sonnat als Mosambique­r und Rainer Schulte als von Trump vertrieben­er Obama — auf Markus Lemmen als bajuwarisc­hen Einbürgeru­ngshelfer trafen. Dieser Schlusspun­kt war gut gewählt. Creinvelt schließt das Publikum bei seinen krieewelsc­hen Liedern ein, scheut sich aber auch nicht, neue Wege zu öffnen, die an diesem Abend bis zu den„Blues Brothers“reichten. Auch das kam bestens an.

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RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Ist das nicht...? Nein Pitter von Creinvelt (Charlie Nießen) sieht nur aus wie Gilbert Becaud. Aber er kann auch klingen wie Ingo Insterburg und einen Krefelder Hahn die Hennen in allen Stadtteile­n besingen lassen.
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FOTO: DPA Checker Tobi in Bollywood ist im Cinemaxx zu sehen.

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