Rheinische Post Krefeld Kempen
Widerstand gegen Sparkassen-Schließungen
Die Sparkassen in Neersen sowie Tönisberg und Kempen-Hagelkreuz sollen schließen. Die Politik ist wütend. Der Willicher Stadtrat zitiert Vorstandsvorsitzende Roos oder Landrat Coenen zu sich.
Gegen die Schließung der Sparkassen-Filialen in Neersen, Kempen-Hagelkreuz und Tönisberg formiert sich teilweise heftiger Widerstand. Noch am Abend, nachdem die Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Krefeld, Birgit Roos, darüber informiert hatte, welche 19 der insgesamt 57 Filialen ab dem Frühjahr 2019 geschlossen werden sollen, tagte der Willicher Stadtrat. Einstimmig beschloss man, eine Resolution gegen die Schließung der Neersener Filiale zu formulieren und diese den Willicher Ratsmitgliedern Johannes Bäumges (CDU) und Bernd-Dieter Röhrscheid (SPD) mit auf den Weg in die nächste Sitzung des Sparkassen-Verwaltungsrates, in dem sie sitzen, zu geben. Diese Resolution werde allerdings ohneWirkung sein, prophezeite Röhrscheid: „Die Entscheidung ist gefallen.“
Dennoch will die Willicher Politik nichts unversucht lassen, die Schließung doch noch abzuwenden. Schließlich ist die Stadt Willich mit 7,5 Prozent an der Sparkasse Krefeld beteiligt (50 Prozent gehören der Stadt Krefeld, der Rest dem KreisViersen). Umso wütender ist man darüber, dass der Willicher Stadtrat nicht schon vorher über die Pläne informiert wurde. Daher solle Vorstandsvorsitzende Roos oder Landrat Andreas Coenen als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse doch wenigstens jetzt in den Stadtrat kommen und informieren, forderte Christian Pakusch (CDU) und bekam Zustimmung der anderen Ratsmitglieder. Anders als Großbanken habe die Sparkasse einen öffentlichen Auftrag – und diesen erfülle Birgit Roos nicht, sagte Raimund Berg (Grüne) und legte nach: „Man muss sich fragen, ob sie das Geld, das sie bekommt, verdient.“
„Die Stadt Krefeld profitiert, und der Bürger in Neersen zahlt die Zeche“, sagte Hans-Joachim Donath (FDP) und verweis darauf, dass in Neersen bereits die Postbank ihren Betrieb eingestellt habe. „Wenn wir jetzt nicht Widerstand leisten, besteht die Gefahr, dass auch Filialen in den anderen Stadtteilen geschlossen werden.“Neersen blute langsam aus, sagte Detlef Nicola von der Fraktion „Für Willich“. In einer Pressemitteilung ruft „Für Willich“die Bevölkerung auf, für den Erhalt der Filiale zu kämpfen: „Wir sind gerne bereit, eine Demo zu organisieren, notfalls auch in der für viel Geld (auch der Neersener Kunden) neugebauten Zentrale in Krefeld!“
Willichs Erster Beigeordneter Willy Kerbusch sagte, man sei „ziemlich geschockt“gewesen, als man von der Entscheidung gehört habe. Schließlich habe es bei der Fusion der Stadtsparkasse Willich mit Krefeld im Jahr 1990 die Zusage gegeben, dass alle Willicher Filialen erhalten bleiben. Zudem stehe die Sparkasse Krefeld finanziell sehr gut da. „In einer solchen Situation die Filiale in Neersen zu schließen, halten wir für unverantwortlich.“
Auch in Kempen ist die Verärgerung über die geplanten Schließungen von zwei Sparkassen-Filialen groß. Vor allem die Aufgabe der Filiale in Tönisberg wiegt schwer. In dem Bergdorf mit immerhin mehr als 3000 Einwohnern wird es künftig keine Geschäftsstelle eines Geldinstituts mehr geben, denn auch die Volksbank Krefeld hat ihren Service bereits eingeschränkt. An der Vluyner Straße gibt es nur eine so genannte Selbstbedienungsfiliale mit Automaten, das Personal wurde zum 1. Dezember 2017 dort abgezogen. Nun folgt die Sparkasse.
Der CDU-Ortsausschuss bedauert die Entscheidung der Sparkassengremien. „Die Schließung der Sparkassenfiliale in Tönisberg ist eine harte Zäsur für unser Dorf“, erklärte am Freitag der CDU-Vorsitzende im Bergdorf, Heinz Kaufhardt. Für die Tönisberger Bürger und auch die Unternehmen sei die Schließung bedauerlich, da sie nun deutlich weitere Wege zur Erledigung ihrer Bankgeschäfte in Kauf nehmen müssten. „Außerdem wird damit wieder ein Stück Eigenständigkeit und Infrastruktur abgeschafft, die für unser Dorf so wichtig sind“, so Kaufhardt. Insbesondere vor dem Hintergrund der künftigen Entwicklung auf dem Zechengelände sei die Schließung der letzten Bankfiliale in Tönisberg bedauerlich. Die CDU Tönisberg respektiert die Entscheidung der Sparkassengremien. Man geht aber fest davon aus, dass entsprechende Selbstbedienungsautomaten auch nach der Schließung der Filiale erhalten bleiben. „Vielleicht ist es eine Option für die Zukunft, dass Sparkasse und Volksbank eine gemeinsame Einrichtung schaffen, in der weiterhin Selbstbedienungsautomaten verschiedener Art für unser Dorf zurVerfügung stehen“, regt Kaufhardt an. Ein kom
plette Abzug sämtlicher Bankenstrukturen dürfe keine Option sein. Die CDU setzt außerdem auf den geplanten Sparkassenbus als Minimallösung.
Die Kempener Grünen bezeichnen die Sparkassenschließung als „unsozial und entwicklungspolitisch verheerend“. Sie haben „erhebliche Zweifel“, dass das Geldinstitut künftig noch ihren festgeschriebenen öffentlichen Auftrag erfüllt. „DasVerhalten der Sparkasse zeigt, dass der Vorstand seinen gesetzlichen Auftrag aus den Augen verliert“, meinte der Grünen-Politiker Renè Heesen aus Tönisberg. Mit der Schließung der Filiale im Bergdorf, ende eine breite Versorgung der Bevölkerung. „Gepaart mit einem schlechten ÖPNV-Angebot und der fehlenden Gestaltungsbereitschaft der Ratsmehrheiten gefährdet man die weiteren Entwicklungen unseres Bergdorfes“, so Heesen.
Die Grünen befürchten, dass als nächstes auch die Filiale in St. Hubert geschlossen werden könnte. „Wenn es soweit kommt, muss man in Kempen auch über den Sinn und Zweck der gesamten Sparkasse, welche über den KreisViersen auch von der Stadt Kempen getragen wird, diskutieren“, so die Grünen.
Der Sprecher der Kempener Linken, Günter Solecki, appelliert an alle Kommunalpolitiker in den Entscheidungsgremien der Sparkasse, „diesen angekündigten Schließungsfrevel rückgängig zu machen“. Solecki wirft der Sparkassenführung vor, nur am Profit interessiert zu sein. Eine rollende Sparkasse, die einmal pro Woche nach Tönisberg kommt, sei einfach zu wenig. Solecki: „Die Verödung ganzer Landstriche darf nicht der Preis für satte Gewinne eines öffentlich-rechtlichen Geldinstituts sein.“