Rheinische Post Krefeld Kempen

Widerstand gegen Sparkassen-Schließung­en

Die Sparkassen in Neersen sowie Tönisberg und Kempen-Hagelkreuz sollen schließen. Die Politik ist wütend. Der Willicher Stadtrat zitiert Vorstandsv­orsitzende Roos oder Landrat Coenen zu sich.

- VON MARC SCHÜTZ UND ANDREAS REINERS

Gegen die Schließung der Sparkassen-Filialen in Neersen, Kempen-Hagelkreuz und Tönisberg formiert sich teilweise heftiger Widerstand. Noch am Abend, nachdem die Vorstandsv­orsitzende der Sparkasse Krefeld, Birgit Roos, darüber informiert hatte, welche 19 der insgesamt 57 Filialen ab dem Frühjahr 2019 geschlosse­n werden sollen, tagte der Willicher Stadtrat. Einstimmig beschloss man, eine Resolution gegen die Schließung der Neersener Filiale zu formuliere­n und diese den Willicher Ratsmitgli­edern Johannes Bäumges (CDU) und Bernd-Dieter Röhrscheid (SPD) mit auf den Weg in die nächste Sitzung des Sparkassen-Verwaltung­srates, in dem sie sitzen, zu geben. Diese Resolution werde allerdings ohneWirkun­g sein, prophezeit­e Röhrscheid: „Die Entscheidu­ng ist gefallen.“

Dennoch will die Willicher Politik nichts unversucht lassen, die Schließung doch noch abzuwenden. Schließlic­h ist die Stadt Willich mit 7,5 Prozent an der Sparkasse Krefeld beteiligt (50 Prozent gehören der Stadt Krefeld, der Rest dem KreisViers­en). Umso wütender ist man darüber, dass der Willicher Stadtrat nicht schon vorher über die Pläne informiert wurde. Daher solle Vorstandsv­orsitzende Roos oder Landrat Andreas Coenen als Vorsitzend­er des Verwaltung­srates der Sparkasse doch wenigstens jetzt in den Stadtrat kommen und informiere­n, forderte Christian Pakusch (CDU) und bekam Zustimmung der anderen Ratsmitgli­eder. Anders als Großbanken habe die Sparkasse einen öffentlich­en Auftrag – und diesen erfülle Birgit Roos nicht, sagte Raimund Berg (Grüne) und legte nach: „Man muss sich fragen, ob sie das Geld, das sie bekommt, verdient.“

„Die Stadt Krefeld profitiert, und der Bürger in Neersen zahlt die Zeche“, sagte Hans-Joachim Donath (FDP) und verweis darauf, dass in Neersen bereits die Postbank ihren Betrieb eingestell­t habe. „Wenn wir jetzt nicht Widerstand leisten, besteht die Gefahr, dass auch Filialen in den anderen Stadtteile­n geschlosse­n werden.“Neersen blute langsam aus, sagte Detlef Nicola von der Fraktion „Für Willich“. In einer Pressemitt­eilung ruft „Für Willich“die Bevölkerun­g auf, für den Erhalt der Filiale zu kämpfen: „Wir sind gerne bereit, eine Demo zu organisier­en, notfalls auch in der für viel Geld (auch der Neersener Kunden) neugebaute­n Zentrale in Krefeld!“

Willichs Erster Beigeordne­ter Willy Kerbusch sagte, man sei „ziemlich geschockt“gewesen, als man von der Entscheidu­ng gehört habe. Schließlic­h habe es bei der Fusion der Stadtspark­asse Willich mit Krefeld im Jahr 1990 die Zusage gegeben, dass alle Willicher Filialen erhalten bleiben. Zudem stehe die Sparkasse Krefeld finanziell sehr gut da. „In einer solchen Situation die Filiale in Neersen zu schließen, halten wir für unverantwo­rtlich.“

Auch in Kempen ist die Verärgerun­g über die geplanten Schließung­en von zwei Sparkassen-Filialen groß. Vor allem die Aufgabe der Filiale in Tönisberg wiegt schwer. In dem Bergdorf mit immerhin mehr als 3000 Einwohnern wird es künftig keine Geschäftss­telle eines Geldinstit­uts mehr geben, denn auch die Volksbank Krefeld hat ihren Service bereits eingeschrä­nkt. An der Vluyner Straße gibt es nur eine so genannte Selbstbedi­enungsfili­ale mit Automaten, das Personal wurde zum 1. Dezember 2017 dort abgezogen. Nun folgt die Sparkasse.

Der CDU-Ortsaussch­uss bedauert die Entscheidu­ng der Sparkassen­gremien. „Die Schließung der Sparkassen­filiale in Tönisberg ist eine harte Zäsur für unser Dorf“, erklärte am Freitag der CDU-Vorsitzend­e im Bergdorf, Heinz Kaufhardt. Für die Tönisberge­r Bürger und auch die Unternehme­n sei die Schließung bedauerlic­h, da sie nun deutlich weitere Wege zur Erledigung ihrer Bankgeschä­fte in Kauf nehmen müssten. „Außerdem wird damit wieder ein Stück Eigenständ­igkeit und Infrastruk­tur abgeschaff­t, die für unser Dorf so wichtig sind“, so Kaufhardt. Insbesonde­re vor dem Hintergrun­d der künftigen Entwicklun­g auf dem Zechengelä­nde sei die Schließung der letzten Bankfilial­e in Tönisberg bedauerlic­h. Die CDU Tönisberg respektier­t die Entscheidu­ng der Sparkassen­gremien. Man geht aber fest davon aus, dass entspreche­nde Selbstbedi­enungsauto­maten auch nach der Schließung der Filiale erhalten bleiben. „Vielleicht ist es eine Option für die Zukunft, dass Sparkasse und Volksbank eine gemeinsame Einrichtun­g schaffen, in der weiterhin Selbstbedi­enungsauto­maten verschiede­ner Art für unser Dorf zurVerfügu­ng stehen“, regt Kaufhardt an. Ein kom

plette Abzug sämtlicher Bankenstru­kturen dürfe keine Option sein. Die CDU setzt außerdem auf den geplanten Sparkassen­bus als Minimallös­ung.

Die Kempener Grünen bezeichnen die Sparkassen­schließung als „unsozial und entwicklun­gspolitisc­h verheerend“. Sie haben „erhebliche Zweifel“, dass das Geldinstit­ut künftig noch ihren festgeschr­iebenen öffentlich­en Auftrag erfüllt. „DasVerhalt­en der Sparkasse zeigt, dass der Vorstand seinen gesetzlich­en Auftrag aus den Augen verliert“, meinte der Grünen-Politiker Renè Heesen aus Tönisberg. Mit der Schließung der Filiale im Bergdorf, ende eine breite Versorgung der Bevölkerun­g. „Gepaart mit einem schlechten ÖPNV-Angebot und der fehlenden Gestaltung­sbereitsch­aft der Ratsmehrhe­iten gefährdet man die weiteren Entwicklun­gen unseres Bergdorfes“, so Heesen.

Die Grünen befürchten, dass als nächstes auch die Filiale in St. Hubert geschlosse­n werden könnte. „Wenn es soweit kommt, muss man in Kempen auch über den Sinn und Zweck der gesamten Sparkasse, welche über den KreisViers­en auch von der Stadt Kempen getragen wird, diskutiere­n“, so die Grünen.

Der Sprecher der Kempener Linken, Günter Solecki, appelliert an alle Kommunalpo­litiker in den Entscheidu­ngsgremien der Sparkasse, „diesen angekündig­ten Schließung­sfrevel rückgängig zu machen“. Solecki wirft der Sparkassen­führung vor, nur am Profit interessie­rt zu sein. Eine rollende Sparkasse, die einmal pro Woche nach Tönisberg kommt, sei einfach zu wenig. Solecki: „Die Verödung ganzer Landstrich­e darf nicht der Preis für satte Gewinne eines öffentlich-rechtliche­n Geldinstit­uts sein.“

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RP-FOTO: MARC SCHÜTZ Auch die Sparkassen-Filiale an der Malteserst­raße in Neersen soll geschlosse­n werden.
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FOTO: NORBERT PRÜMEN Auch die Filiale der Sparkasse am Helmeskamp im Ortszentru­m von Tönisberg steht vor der Schließung.
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RP-FOTO: HEINER DECKERS Die Sparkassen-Filiale am Concordien­platz im Kempener Hagelkreuz: Auch ihr Betrieb soll eingestell­t werden.

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