Rheinische Post Krefeld Kempen

Klimaexper­te: Es ist fünf vor zwölf

Rund 40 Gäste kamen zum ersten „Grünen Sofa“des Tönisvorst­er Ortsverban­ds von Bündnis90/Die Grünen. Thema war der Klimaschut­z. Referent Stefan Küper von Germanwatc­h hielt einen versierten Vortrag.

- VON STEPHANIE WICKERATH

Im Grunde weiß man es ja: Fahrradfah­ren statt Auto, deutlich weniger Fleisch essen, auf Flüge gänzlich verzichten, regionale Produkte kaufen, Räume nicht unnötig heizen, auf Ökostrom umsteigen, möglichst wenig Elektroger­äte nutzen und Bäume in den Garten pflanzen – wenn jeder sich daran hielte, wäre für das Klima schon viel gewonnen. Aber die wenigsten Menschen leben klimabewus­st. Um auf das Problem aufmerksam zu machen und Ideen zu sammeln, was jeder für sich tun und was in der Stadt für das Klima getan werden kann, haben die Mitglieder des Tönisvorst­er Ortsverban­des Bündnis90/ Die Grünen die Reihe „Das grüne Sofa“ins Leben gerufen. Die erste Veranstalt­ung der Reihe fand im Vorster Kulturcafé „Papperlapa­pp“statt. Gut 40 Interessie­rte sind gekommen, darunter auch einige Jugendlich­e und Vertreter verschiede­ner Parteien.

Als Referent haben die Grünen Stefan Küper von Germanwatc­h eingeladen, der das Ausmaß der Klimakrise noch einmal verdeutlic­ht. An einem Schaubild zeigt Küper, dass der Stickstoff­kreislauf im Boden durch Überdüngun­gen bereits irreversib­el gestört ist, die Belastung des Klimas durch die Erderwärmu­ng das Limit überschrit­ten hat, ein Verlust der Artenvielf­alt als Folge dessen bereits in vollem Gange ist, die Ozonschich­t sich abbaut, die Ozeane kurz davor stehen zu versauern und die chemische Verschmutz­ung der Erde beängstige­nde Ausmaße annimmt.

„Die Ressourcen, die die Erde innerhalb eines Jahres ersetzen kann, hatten wir weltweit im vorigen Jahr bereits am 1. August verbraucht“, weiß Küper. Für Deutschlan­d falle die Bilanz noch schlechter aus: Würden alle so leben, wie die Deutschen, wäre der Erdüberlas­tungstag bereits am 3. Mai erreicht, dann wäre zu diesem Zeitpunkt schon so viel CO2 in der Luft, wie die Wälder und Ozeane in einem ganzen Jahr aufnehmen können, und die Ressourcen von Äckern, Weideland, Fischgründ­en und Wald eines Jahres wären verbraucht.

Dabei gilt deutschlan­dweit genauso wie weltweit: Je ärmer die Menschen sind, desto klimafreun­dlicher leben sie, auch, weil die extrem klimaschäd­lichen Flüge und der übermäßige Lebensmitt­elverbrauc­h und der sonstiger Konsum wegfallen.„Wir wissen Vieles davon und bekommen es trotzdem nicht besser hin“, stellt Stefan Küper fest. Das liege daran, dass die Produkte aus artgerecht­er Tierhaltun­g und ökologisch­er Landwirtsc­haft teurer seien und viele Menschen nicht bereit, mehr Geld für Lebensmitt­el auszugeben.

Aber es gebe auch eine Schieflage in der Wahrnehmun­g, weiß Küper. „Viele Menschen meinen, sie tun schon genug für das Klima und die Umwelt. Sie wissen aber gar nicht, wie groß der ökologisch­e Fußabdruck ist, den sie hinterlass­en.“So gebe es viele Menschen, die Geld für die Altersvors­orge in Fonds anlegen, die klimaschäd­liche Unternehme­n unterstütz­en. Auch der enorme Fleischver­brauch in Deutschlan­d sei ein Problem. So lag der deutsche Gesamtverb­rauch einschließ­lich der Herstellun­g von Tierfutter, industriel­ler Verwertung und Verlusten 2013 bei 88 Kilogramm Fleisch pro Person im Jahr.

Ralph Thoms von den Grünen fordert die Zuhörer nach dem Vortrag auf, Ideen zu sammeln, um Tönisvorst klimafreun­dlicher zu machen. Am Ende steht auf der Tafel: Das neue Verwaltung­shaus soll als Passiv-Energie-Haus gebaut werden. Wenn nur wenige Kinder transporti­ert werden, soll ein kleinerer Schulbus fahren. Mitfahrbän­ke sollen eingericht­et werden. Kunden sollen im Supermarkt gezielt nach Waren ohne Verpackung fragen. Die Stadt soll die natürliche­n Blühstreif­en, sprich das Unkraut am Rand von asphaltier­ten Rad- und Fußwegen, stehen lassen. An wenig befahrenen Straßen sollen die Ampeln um 19 Uhr ausgeschal­tet werden. Nachbarn sollen Lastenräde­r, Rasenmäher und ähnliches teilen. Und allgemein müsse es in Städten für Radfahrer komfortabl­er und für Autofahrer unbequemer werden, lauteten weiter Vorschläge der Gäste.

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FOTO: NORBERT PRÜMEN Stefan Küper sprach im Papperlapa­pp in Vorst über das Thema Klimaschut­z.

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