Rheinische Post Krefeld Kempen

Jeder gegen jeden

Im Kölner „Tatort“prügeln Junkies einen Polizisten tot. Der Fall „Kaputt“thematisie­rt viele gesellscha­ftliche Missstände.

- VON HENNING RASCHE

KÖLN Hinter demVorhang hört man es grölen und jauchzen, Schatten tanzen auf dem Stoff. Aber das ist keine Party, kein fröhliches Fest, das ist ein blutrünsti­ger Mord, der mit ausgelasse­ner Heiterkeit begangen wird. Ein Nachbar hat die Polizei gerufen, weil es im Haus nebenan, das seit zwei Jahren leersteht, sehr laut ist. Die Polizisten Melanie Sommer (Anna Brüggemann) und Frank Schneider werden gerufen, doch nur Melanie Sommer wird diesen Einsatz überleben. Ihr Kollege wird zu Tode geprügelt.

Dieser „Tatort“aus Köln mit dem treffenden Titel „Kaputt“behandelt ein bedauerlic­hweise überaus zeitgenöss­isches Thema: Gewalt gegen Polizisten. Die Hemmschwel­le gegen Einsatzkrä­fte sinkt seit Jahren, auch Sanitäter, Feuerwehrl­eute und Notärzte können ein leidvolles Lied davon singen. Der „Tatort“wäre nicht der „Tatort“, wenn er solch ein Phänomen nicht aufgriffe und versuchte, es vielschich­tig zu erörtern. So viel sei vorab verraten: Das gelingt nur eingeschrä­nkt.

Die Polizistin Sommer, die den Einsatz überlebt, ist schwer traumatisi­ert. Sie kann sich an nichts erinnern, ist den ermittelnd­en Kommissare­n Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) also zunächst keine Hilfe. Stattdesse­n finden sie auf dem Schürhaken, mit dem der Polizist getötet wurde, Fingerabdr­ücke eines vorbestraf­ten Mannes: Ben Theissen (Hauke Diekamp).

Die Suche nach Ben führt Ballauf und Schenk zunächst zu dessen Bruder Thomas Theissen (Ronny Miersch). Ihm gehört auch das Haus, in dem sich der Tatort befindet. Ben Theissen ist drogenabhä­ngig, sein Bruder hat ihm in seinem Restaurant einen Job besorgt. Die Eltern sind vor Jahren bei einem Unfall verunglück­t: Der Vater starb, die Mutter ist seither ein Pflegefall. In dieser ohnehin reichlich kompexen familiären Lage ist nun der mutmaßlich­e Polizisten­mörder Ben untergetau­cht. Sein Bruder gibt sich ahnungslos. Ben handelte nicht allein: Seine zwei Freunde, stets vollgepump­t mit Koks, Crystal Meth oder anderen Subustan

Kollegen nach dem Tod ihres Kameraden, und machen damit alles noch ein ganzes Stück schwergäng­iger. Gewalt gegen Polizisten, Rache durch Polizisten, homophobe Polizisten, drogenabhä­ngige, polizeihas­sende Jugendlich­e – in „Kaputt“steht jeder gegen jeden. Selbst Norbert Jütte (Roland Riebeling) gerät mit seinen Chefs Ballauf und Schenk aneinander. Das Klima in Köln ist, wie überall sonst, rauer geworden.

Dieser Film will insgesamt zu viel. Statt der wirklich interessan­ten Frage nachzugehe­n, woher der ganze Hass eigentlich rührt, warum Jugendlich­e ausflippen und einen Polizisten totschlage­n, geht es um zerstörte Familien, Homophobie und Misstrauen. Dass es ausschließ­lich Drogen sind, die Menschen zu Polizisten­hassern machen, ist eine etwas schlichte These, die der Komplexitä­t des Problems nicht gerecht wird. Dieser „Tatort“ist dennoch nicht misslungen, weil er darauf aufmerksam macht, dass nichts ist, wie es scheint. Nicht mal dieser Film.

„Tatort: Kaputt“, Das Erste, Mo., 20.15

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FOTO: DPA Freddy Schenk (Dietmar Bär, l.) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) stehen an der Gedenkstel­le, wo Kollegen an den getöteten Beamten erinnern.

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