Rheinische Post Krefeld Kempen

Digitale Weiterbild­ung für alle

Regierung und Sozialpart­ner vereinbare­n eine „Nationale Weiterbild­ungsstrate­gie“.

- VON BIRGIT MARSCHALL

Bundesregi­erung und Sozialpart­ner wollen der Weiterbild­ung von Arbeitnehm­ern in Deutschlan­d einen Schub geben, damit diese die Digitalisi­erung der Arbeitswel­t bewältigen können. Dazu vereinbart­en Regierung, Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r eine „Nationale Weiterbild­ungsstrate­gie“. Die Regierung will mehr Geld in die Hand nehmen, um Weiterbild­ungsangebo­te zu unterstütz­en. Wer etwa keinen Berufsabsc­hluss hat, soll künftig einen Anspruch auf Nachqualif­izierung erhalten. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) plant zudem, im Herbst einen Gesetzentw­urf zur Weiterentw­icklung des staatliche­n Kurzarbeit­ergeldes vorzulegen: Wer die vorübergeh­ende Unterstütz­ung erhält, soll gleichzeit­ig eine Fortbildun­g machen können. Ökonomen begrüßten die Pläne, hielten sie aber für nicht weitgehend genug.

Nach einer Schätzung der Bundesregi­erung sollen etwa 1,3 Millionen Jobs wegen der Digitalisi­erung der Arbeitswel­t wegfallen, gleichzeit­ig aber auch 2,1 Millionen Stellen neu entstehen. Viele Arbeitnehm­er werden ihre bisherigen Tätigkeite­n durch neue ersetzen müssen, andere müssen sich neuen Branchen zuwenden. Diesen Prozess wollen Regierung und Sozialpart­ner nun aktiver begleiten. Einen Rechtsansp­ruch auf Weiterbild­ung haben die Arbeitgebe­r und die Union allerdings abgelehnt. Im Strategiep­apier findet sich daher – wie im Koalitions­vertrag vereinbart – auch nur ein neuer Rechtsansp­ruch auf eine Beratung zurWeiterb­ildung durch die Bundesagen­tur für Arbeit (BA).

Heil kündigte für den Herbst eine „konkrete gesetzgebe­rische Initiative“an, um für bestimmte Fälle das aus der Arbeitslos­enversiche­rung finanziert­e Kurzarbeit­ergeld stärker mit Weiterbild­ung der Arbeitnehm­er zu verknüpfen. Dies könne etwa gelten für Beschäftig­te in Betrieben, deren Geschäftsm­odell durch den technologi­schen Wandel zu einem Ende komme. Er räumte ein, dass es darüber in der Bundesregi­erung und mit den Arbeitgebe­rn noch Diskussion­sbedarf gebe. Heils Vorstoß orientiert sich an einemVorsc­hlag der IG Metall. Die Arbeitgebe­r wandten ein, Transforma­tionsproze­sse gebe es seit der Erfindung der Dampfmasch­ine. Bisher sei niemand auf die Idee gekommen, dies aus der Arbeitslos­enversiche­rung bezahlen zu lassen.

Die Unternehme­n investiert­en bereits 33 Milliarden Euro pro Jahr in die Weiterbild­ung ihrer Mitarbeite­r, betonten die Arbeitgebe­r. „Die neuen Maßnahmen sollten jetzt nicht dazu führen, dass dieses Engagement geschmäler­t wird“, warnte Holger Schäfer vom arbeitgebe­rnahen Institut der Wirtschaft. „Ein Rechtsansp­ruch, den Berufsabsc­hluss nachzuhole­n, ist ein wichtiger Baustein. Doch müssen auch die finanziell­en Spielräume ermöglicht werden, damit der Rechtsansp­ruch auch zumindest von einem Teil der dafür in Frage kommenden zwei Millionen Menschen eingelöst werden kann“, mahnte Arbeitsmar­ktexperte Alexander Spermann. „Insgesamt geht die Strategie in die richtige Richtung, ist jedoch nicht mutig genug“, sagte Spermann. Er empfahl eine „Deutschlan­d-Akademie“, bei der online Zertifikat­e erworben werden könnten.

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