Rheinische Post Krefeld Kempen
WG-Zimmer, acht Quadratmeter, 419 Euro
Start-ups wollen den Immobilienmarkt umkrempeln. Das Berliner Unternehmen Medici Living bietet möblierte LuxusWG-Zimmer als Abo-Modell an. Die Idee entstand dabei eher durch Zufall. Mieterschützer sind jedoch alarmiert.
Es gibt Geschäftsideen, die entstehen eher durch Zufall. So ging es auch Gunther Schmidt. Gemeinsam mit einem Freund aus der fränkischen Heimat hatte er 2008 in Berlin den Online-Bewertungsanbieter Ekomi gegründet, mit dessen Hilfe sich Unternehmen Rückmeldungen ihrer Kunden einholen können. „Damals haben wir viele internationale Fachkräfte eingestellt“, sagt Schmidt: „Unser Problem war: Wir brauchten die Leute quasi sofort, aber die mussten natürlich erstmal eine Wohnung in Berlin finden.“
Um den Wechsel zu beschleunigen, richteten die beiden eine Firmen-WG mit möblierten Zimmern ein.„Wir wurden von anderen Startups angesprochen, ob wir das nicht auch für sie machen könnten“, erinnert sich Schmidt. Heute ist Medici Living, das im Juni 2012 aus dieser Idee hervorgegangene Startup, einer der größten sogenannten Co-Living-Anbieter in Europa.
Auf der eigenen Internetseite bezeichnet sich das Unternehmen als „erster professionellerWG-Anbieter in Deutschland“. Knapp 2000 vermietbare WG-Zimmer hat Medici Living nach eigenen Angaben momentan bereits zu vermieten. Über die Internetseite lassen sich einerseits möblierte WG-Zimmer mieten (zum Beispiel acht Quadratmeter in Berlin ab 419 Euro), die sich eher an Studenten richten. Andererseits baut das Unternehmen mit seiner Marke „Quarters“eigene Luxus-WGs auf, in die sich Menschen über eine Art Mitgliedschaft einmieten können. „Wer bei uns Mitglied wird muss im Idealfall gar keine Wohnungen mehr vor Ort besichtigen, wenn er zum Beispiel von Berlin oder Chicago nach Düsseldorf zieht“, sagt Firmenchef Schmidt: „Der kann dann einfach innerhalb unseres Netzwerks wechseln.“Die Unterbringung, so einfach konfigurierbar wie ein Handyvertrag?
Das ist das Ziel von immer mehr Anbietern. So buhlen in Deutschland neben Medici Living auch Start-ups wie Homefully und Projects um Mieter. Während Projects neben einem Zimmer auch Extras wie die Nutzung einer Playstation 4 oder des Streaming-Dienstes Netflix in Aussicht stellt, ist bei Homefully etwa die Putzfrau inklusive (14 Quadratmeter in Düsseldorf-Pempelfort für 660 Euro warm).
Auch Medici Living lockt bei „Quarters“mit einem Rundum-Sorglos-Paket – inklusive eigener Wohn-App, über die man vom Mietvertrag bis zum Putzplan alles verwalten kann. „Die Putzfrau ist bei uns momentan nur in unseren Häusern in den USA inklusive“, sagt Schmidt. Die „Mitgliedschaft“in Deutschland kostet trotzdem ab 550 Euro im Monat. Dafür bekommt man neben Gemeinschaftsraum und Gemeinschaftsbad ein Zimmer mit zwölf bis 15 Quadratmetern.
Kein Wunder, dass der Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes, Ulrich Ropertz, dem„Handelsblatt“angesichts solcher Preise sagte, CoLiving sei das Vokabular, mit dem Mietpreiswucher kaschiert werde. Und Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) klagte zuletzt, Co-Living verteuere das Wohnen in erheblicherWeise. Man habe jedoch keinen Zugriff, weil bei möblierten Wohnungen die Mietpreisbremse nicht gelte. Medici-Living-Gründer Schmidt sagt, man versuche das eigene Angebot so günstig wie möglich zu halten. Ähnlich äußerte sich im „Handelsblatt“auch Homefully-Gründer Sebastian Würz: „Wir sind nicht günstig, aber auch nicht im Luxussegment.“
Investoren sehen jedenfalls großes Potenzial in dem Modell, denn gerade in den beliebten Ballungszentren wird es immer schwerer,
Wohnraum zu finden – weshalb zuletzt sogar die Deutsche Bahn ankündigte, neuen Lokführern eine möblierte Wohnung für 200 Euro Kaltmiete für die Dauer der Ausbildung anzubieten.
Medici Living will in den kommenden Jahren rund eine Milliarde Euro in den weltweiten Aufbau weiterer WGs investieren. Das Geld für die Expansion kommt vom Family Office W5 des Unternehmers Ralph Winter, der inzwischen auch im Beirat des Start-ups sitzt. Winter war noch vor einigen Jahren für den US-Hedgefonds Cerberus unterwegs, inzwischen mischt er mit der von ihm gegründeten Immobilienfirma Corestate Capital Group im Börsenindex SDax mit.
Nun wollen die Partner eine neue Art vonWohnung prägen. Dass er vor der Gründung von Medici Living im Grunde kaum etwas über Immobiliengeschäfte wusste, ist aus Schmidts Sicht kein Problem:„Ich sehe uns gar nicht als Immobilienfirma. Wir sind ein Tech-Unternehmen – nur eben mit greifbaren Produkten.“