Rheinische Post Krefeld Kempen

Grünzug mit einer klaffenden Wunde

Seit vielen Jahren ist die Aufforstun­g des Kasernenge­ländes im Forstwald Thema. Passiert ist bisher nichts.

- VON STEPHANIE WICKERATH

ST. TÖNIS / FORSTWALD Schon 17 Jahre ist es her, dass das Regiment der Britischen Rheinarmee die Kaserne am Stockweg aufgegeben hat. Fast ebenso lange setzen sich Günther Porst und seine Mitstreite­r vom Bürgervere­in Forstwald dafür ein, dass das Gelände aufgeforst­et und so der historisch­e Grünzug wieder geschlosse­n wird. Bisher erfolglos. Die 16 Hektar Land mitten im Wald, die die Briten gerodet haben und die zur Hälfe bebaut und asphaltier­t sind, sind sich seit 2002 selbst überlassen.

Zehn Hektar liegen auf Krefelder Stadtgebie­t, sechs Hektar gehören zu Tönisvorst. Während die Stadt Tönisvorst keine Pläne für das Grundstück hat, hatte die Tönisvorst­er SPD sich im vorigen Jahr für eine Aufforstun­g ausgesproc­hen, fand dafür aber keine Mehrheit. Anders sieht es auf Seiten der Krefelder Politik aus. Rat und Stadt haben im vorigen Jahr beschlosse­n, das Kasernenge­lände zu bebauen. Zunächst war von 165 Wohneinhei­ten die Rede, später von 60. „Es ist aber so“, erklärt Günther Porst, „dass die Städte zwar die Planungsho­heit haben, das Gelände aber der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben, der BIMA, gehört.“Und die habe Krefeld einen Kaufpreis genannt, der völlig unerschwin­glich sei, weshalb die Baupläne auf Eis gelegt worden seien.

Die Krefelder FDP-Fraktion, der Günther Porst als Ratsherr angehört, hatte sich gegen die Bebauung ausgesproc­hen. „Wir wollen keine Splittersi­edlung im Außenberei­ch“, sagt Fraktionsc­hef Joachim Heitmann. Das sei städteplan­erischer Unsinn. „Das Kasernenge­lände schließt nicht an eine vorhandene Bebauung an, dort Häuser hinzusetze­n, ist eine Zersiedelu­ng der Landschaft.“Stattdesse­n möge Krefeld sich auf das besinnen, was die Stadt ausmacht: die über viele Jahrzehnte gewachsene­n Grünfläche­n. „Die Stadt im Grünen – dieses Image sollte gepflegt werden, und das könnte man mit der Aktion Aufforstun­g sehr gut.“

FDP und Bürgervere­in fordern die Wiederhers­tellung der geschlosse­nen Kulturland­schaft Forstwald, für die schon 2003 fast 1500 Unterschri­ften gesammelt worden waren, und hoffen, dass der Klimanotst­and, den auch Krefeld ausgerufen hat, und die Kraft der Jugendbewe­gung „Fridays for Future“ihnen in die Karten spielen. Die jungen Menschen haben explizit gefordert, dass versiegelt­e Flächen in Grünbereic­he umgewandel­t werden sollen und auf die Erschließu­ng neuer Stadtteile verzichtet werden müsse.

„Ganz aktuell hat eine Studie der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule Zürich außerdem nachgewies­en, dass die Klimakrise durch nichts so effektiv bekämpft werden kann wie durch Aufforstun­g“, weiß Günther Porst. Durch das massive Anpflanzen von Bäumen sei es möglich, die Erwärmung der Erde auf 1,5 Grad zu begrenzen, heißt es in der Studie. Um eine Zahl zu nennen: Gut 8000 Bäume würden auf den 16 Hektar des ehemaligen Kasernenge

ländes Platz finden. Die wären auch für die Frischluft­zufuhr, als Temperatur­ausgleich und zur Sicherung der Wasserschu­tzzone ein großer Gewinn, sagen Porst und Heitmann.

Rückendeck­ung bekommen die Verfechter der Aufforstun­g vom BUND, der zugunsten einer ausreichen­den Trinkwasse­rversorgun­g fordert, auf weitere Versiegelu­ng gerade im Wassergewi­nnungsgebi­et Forstwald zu verzichten und stattdesse­n Bäume anzupflanz­en. Und auch beim Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft weiß man um den Wert der Bäume: „Wälder speichern Kohlenstof­f. Zudem ersetzen Holzproduk­te fossile Brennstoff­e und energieint­ensive Materialen. Damit werden alleine in Deutschlan­d 14 Prozent der Treibhausg­as-Emission eingespart“, erklärte Peter Bleser, Staatssekr­etär im Bundesmini­sterium bei einer Tagung der Forstwirte.

Günther Porst und Joachim Heitmann hoffen, dass der Zeitgeist jetzt zum Umdenken führt und Krefeld das Kasernenge­lände im Forstwald kauft, um es aufzuforst­en. „Als Wald würde das Areal auch nur ein Zehntel dessen kosten, was die BIMA für das Gelände als Bauland haben will“, ist Porst sicher. Das gilt übrigens auch für den Bereich, der auf Tönisvorst­er Stadtgebie­t liegt.

 ?? ARCHIVFOTO: CAROLA PUVOGEL ?? Vor 17 Jahren sind die Briten aus der Kaserne im Forstwald abgezogen. Seitdem ist das Gelände ungenutzt. Das geplante Flüchtling­slager wurde nicht in Betrieb genommen. Auf dem ehemaligen Kasernenge­lände sind viele Flächen versiegelt.
ARCHIVFOTO: CAROLA PUVOGEL Vor 17 Jahren sind die Briten aus der Kaserne im Forstwald abgezogen. Seitdem ist das Gelände ungenutzt. Das geplante Flüchtling­slager wurde nicht in Betrieb genommen. Auf dem ehemaligen Kasernenge­lände sind viele Flächen versiegelt.
 ?? ARCHIVFOTO: THOMAS LAMMERTZ ?? Ein Teil der Bauten der Kaserne steht noch. Das Gelände erstreckt sich sowohl auf Krefelder als auch auf Tönisvorst­er Stadtgebie­t.
ARCHIVFOTO: THOMAS LAMMERTZ Ein Teil der Bauten der Kaserne steht noch. Das Gelände erstreckt sich sowohl auf Krefelder als auch auf Tönisvorst­er Stadtgebie­t.

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