Rheinische Post Krefeld Kempen

Die beste Geheimspra­che der Welt

Eine ungewöhnli­che Sprache lernen die Vorschulki­nder in der evangelisc­hen Tageseinri­chtung für Kinder in Willich. Die Gehörlosen­seelsorger­in Monika Greier unterricht­et die Gebärdensp­rache.

- VON BIANCA TREFFER

WILLICH Die Hände von Monika Greier wandern durch die Luft und formen sich zu Zeichen. Die sieben Vorschulki­nder der evangelisc­hen Tageseinri­chtung für Kinder in Willich, die im Halbkreis um die Gehörlosen­seelsorger­in sitzen, beobachten genau.„Familie“, ruft Sidelya. Ein lachendes Nicken von Greier bestätigt die Richtigkei­t der Antwort. Die Sechsjähri­ge darf einen der bunten Bälle aus dem Beutel nehmen und in die große durchsicht­ige Kunststoff­kiste legen. Erneut gehen die Hände der Pfarrerin in die Höhe. Korey ist diesmal mit seiner Antwort am schnellste­n. „Ein Esel“, gibt er an und liegt damit vollkommen richtig. Der nächste Ball wandert in die Box. Dann sind die Kinder selbst an der Reihe. Jedes darf mittels der Gehörlosen­sprache ein Wort mit den Händen schreiben, und die anderen müssen es erkennen. Langsam, aber sicher füllt sich die Box.„Ihr seid richtig gut“, lobt Greier, wobei sie auch diesen Satz mit den entspreche­nden Handzeiche­n untermalt.

Seit einigen Wochen lernen die Vorschulki­nder der Kita die „beste Geheimspra­che der Welt“, wie sie Greier beschreibt. Der Auslöser für das ungewöhnli­che Projekt war die Leitungsko­nferenz des Kirchenkre­ises Krefeld-Viersen. Die Fachberatu­ng für Tageseinri­chtungen hatte eingeladen, und zu den Referentin­nen gehörte auch Pfarrerin Greier. Die Gehörlosen­seelsorger­in ist nicht nur für den Kirchenkre­is Krefeld-Viersen zuständig, sondern zudem auch für Kleve und Moers. Sie stellte ihr Konzept vor, bei dem auf spielerisc­he Art und Weise von Vorschulki­ndern die Gebärdensp­rache ein Stück weit gelernt wird. Ziel ist es, die Kinder an diese besondere Form der Sprache heranzufüh­ren, um damit bereits im Kindergart­enalter Hemmschwel­len abzubauen.

„Erstens lernen die Kinder in dem Alter wahnsinnig schnell und behalten es auch. Dazu kommt: Das Leben mit Inklusion hat angefangen, und je früher es beginnt, umso besser“, sagt Greier. Gehörlose Kinder werden beim Besuch einer Regelschul­e zwar von einem Dolmetsche­r unterstütz­t, der im Unterricht übersetzt, aber in den Pausen stehen diese Kinder oft allein da, weil einfach die Möglichkei­ten der Kommunikat­ion fehlen. Normal hörende Kinder, die bereits in der Kita in Kontakt mit der Gebärdensp­rachegekom­men sind, können hingegen eine erste Kommunikat­ion aufbauen.

Cornelia Koppenhage­n war von dem vorgestell­ten Konzept beeindruck­t. „Wir sind seit 2017 eine Sprach-Kita, und da passt diese etwas andere Sprache bestens zu uns“, sagt die Leiterin der evangelisc­hen Tageseinri­chtung für Kinder in Willich. Sie bekundete ihr Interesse und konnte sich kurze Zeit später freuen, als sie eine Zusage erhielt und gleich zwei Kleinkurse für einen Zeitrahmen von fünf Wochen ins Leben gerufen werden konnten. Einmal in der Woche steht seitdem für jeweils 35 Minuten Gebärdensp­racheim Mittelpunk­t. Die Kinder lernen erste Begriffe, die sie mit ihren Händen„sprechen“. Die Einheiten sind in Rubriken wie „Tiere“, „Familie und Freunde“oder „Ich mag …, ich mag nicht …“unterteilt. Begleitet wird Greier dabei in der Regel von einer gehörlosen jungen Mutter. „Es ist wichtig, dass die Kinder jemanden kennenlern­en, der gehörlos ist“, weiß sie aus Erfahrung.

Greier selbst lernte vor 24 Jahren die Gebärdensp­rache.Was als Hobby anfing, ist heute ein Teil ihres Berufes geworden. Bei der kleinen Lerngruppe herrscht indes Aufregung. Greier hat als Überraschu­ng für alle grüne Turnbeutel mitgebrach­t, auf denen „kann Gebärdensp­rache“steht. „Jeder druckt jetzt mit Buchstaben­stempeln vor den Satz seinen Namen in Gebärdensp­rache.Wenn ihr dann bald in die Grundschul­e geht, weiß jeder, dass ihr die Gebärdensp­rache könnt“, sagt Greier. Mit Elan und der Unterstütz­ung von Greier, Koppenhage­n sowie der Kinderpfle­gerin Melanie Pauen geht es ans Werk. Für jeden Buchstaben taucht eine bestimmte Handhaltun­g auf, und so manch einer der jungen Sprachgeni­es schreibt seinen Namen direkt mit den Händen in der Luft nach.

 ?? FOTO: KURT LÜBKE ?? Gehörlosen­seelsorger­in und Pfarrerin Monika Greier erklärt den Kindern die Gehörlosen­sprache.
FOTO: KURT LÜBKE Gehörlosen­seelsorger­in und Pfarrerin Monika Greier erklärt den Kindern die Gehörlosen­sprache.

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