Rheinische Post Krefeld Kempen
FC Bayern Rummenigge
Uli Hoeneß soll im November das Präsidentenamt beim Rekordmeister niederlegen. Karl-Heinz Rummenigge wird damit zum starken Mann, er wird den Klub viel kühler und geschäftsmäßiger führen.
MÜNCHEN Karl-Heinz Rummenigge war ordentlich überrascht. Vielleicht gab er sich auch nur so. Die Meldung, Uli Hoeneß werde sich im November vom Amt des Präsidenten beim FC Bayern München zurückziehen, kommentierte der Vorstands-Vorsitzende der Fußballfirma FC Bayern AG vor dem Rückflug der Mannschaft von ein paar Privatspielen in den USA so: „Ich weiß nicht, ob es eine Tatsache ist, und ich möchte es auch nicht kommentieren, weil es eine exklusive Angelegenheit von Uli ist. Er wird sich seine Zukunft reichlich überlegt haben.“Vielleicht war Rummenigge in diese Überlegungen sogar „reichlich“eingeweiht. Das aber wissen nur er selbst und Hoeneß. Beim Hang des Präsidenten, Entscheidungen sehr schnell, sehr eigenwillig und sehr unabhängig von anderen Größen im Klub zu fällen, ist es nicht mal unwahrscheinlich, dass Rummenigge nichts davon wusste.
Eine von vielen Fragen ist:Wer hat die Geschichte an die Zeitung mit den vier großen Buchstaben im Titel durchgesteckt? Hoeneß gilt nicht gerade als großer Anhänger der Blätter aus dem Springer-Verlag, Rummenigge ist dort ein wichtiger Gesprächspartner – möglicherweise hält er es wie Bayerns Ehrenpräsident Franz Beckenbauer, der sich die Rückendeckung der „Bild“sicherte, indem er sie gelegentlich mit Stoff versorgte. Dass es ihm im Fall der rätselhaften Umstände um die Vergabe der WM 2006 nicht half, ist eine andere Geschichte. Denkbar ist auch, dass doch jemand aus dem Aufsichtsrat, dessen Vorsitz Hoeneß angeblich niederlegen wird, informiert war und die Neuigkeit nicht für sich behalten konnte.
Wo auch immer das Leck war, durch das die Meldung in die Öffentlichkeit tröpfelte, steht fest, dass der Verein Bayern München, das größte Fußball-Unternehmen des Landes, vor einem Umbruch steht.Was wird sich ändern?
40 Jahre hat Hoeneß über das Bayern-Reich geherrscht. Seine Untertanen waren mit der Herrschaft meistens einverstanden, denn sie brachte dem Klub Reichtum und Erfolge, ließ ihn von einem Verein mit 20 Angestellten in der Verwaltung und einem Umsatz von zwölf Millionen Mark zu einer gewaltigen Firma mit 1000 Angestellten und einem Umsatz von nahezu 700 Millionen Euro wachsen. König Uli verteidigte sein Reich gegen Mitbewerber vor allem am Anfang seiner Regentschaft mit allen, manchmal höchst unfeinen Mitteln. Und er führte seinen Hofstaat wie eine Familie. Auch das fanden die Untertanen toll.
Es wird nun wesentlich unromantischer zugehen im Staate Bayern. Hoeneß soll seine Nachfolge so geregelt haben, dass Herbert Hainer seinen Platz als Präsident und Aufsichtsratschef übernimmt. Die beiden Metzgerssöhne sind gut befreundet, sie haben sich aus bürgerlichem Milieu an die Spitze großer Unternehmen gearbeitet, Hoeneß im Fußball, Hainer bei Adidas, dessen Umsatz er als Vorstandsvorsitzender in 15 Jahren verdreifachte und den Börsenwert auf 35,7 Milliarden Euro verzwölffachte.„Wir ticken in vielen Dingen gleich“, sagte Hainer der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“vor einem Jahr.
Hainer wird das Amt wesentlich geräuschloser versehen als Hoeneß. Den trieb eine Mischung aus Machtstreben und inniger Zuneigung zu „seinem“Verein dazu, aus der Position des leitenden Aufsichtsrats nach Herzenslust ins operative Geschäft hineinzuregieren. Der ehemalige Adidas-Chef hat seine Art der Amtsführung bereits üben können. Als Hoeneß von 2014 bis Anfang 2016 seine Ämter ruhen lassen musste, als er die Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung absaß, stand Hainer als Vertreter Hoeneß’ auf Erden da. Er hat sich seiner Natur entsprechend nicht zu jedem Transfer zuWort gemeldet. Und er wurde von den Medien – ganz anders als Hoeneß – auch nicht mit dem operativen Geschäft in Verbindung gebracht.
Daran wird sich nichts ändern, wenn Hainer nicht nur Stellvertreter, sondern Nachfolger des Patrons wird. Die große Linie wird dann auf jeden Fall Karl-Heinz Rummenigge vorzeichnen, wie es seiner Position in der Struktur des Unternehmens und seiner Selbstwahrnehmung entspricht. Er wird für die personellen Entscheidungen nicht nur verantwortlich gemacht, er wird sie maßgeblich und allein treffen. Halböffentliches Gerangel um persönliche Kandidaten für bestimmte Posten mit dem Präsidenten Hainer wird es nicht geben. In der Zusammenarbeit mit dem Gefühlsmenschen Hoeneß war es an der Tagesordnung. Es ging nicht immer zu Rummenigges Gunsten aus. Hoeneß setzte beispielsweise den Trainer Niko Kovac gegen Rummenigges Favoriten Thomas Tuchel durch, und auch die Installation von Ha
san Salihamidzic als Manager mit beschränkter Hoffnung auf Einfluss geht auf Hoeneß zurück.
Rummenigge wird der Rückzug des Patriarchs nicht nur deshalb ganz recht sein. Er hat den Klub bereits in der haftbedingten Auszeit des Präsidenten Hoeneß deutlich nach seinen Vorstellungen umgeformt. Hoeneß-Vertraute wie der langjährige Pressechef Markus Hörwick mussten gehen, Innen- und Außendarstellung des Klubs änderten sich. Das Familiäre, das Hoeneß in den Verein transportiert hatte, wich geschäftlichem Ton und einer gewissen Kälte – möglicherweise ein zeitgemäßer Umgang mit einer Firma, die Hunderte von Millionen Euro bewegt.
Auf diesem Weg wird es weitergehen. Rummenigges designierter Nachfolger Oliver Kahn wird ab 2020 in den Vorstand eingearbeitet und übernimmt 2021 den Posten des Chefs. Er wird zwar ausdrücklich mit Hoeneß’ Billigung der starke Mann, aber er gilt bei aller Emotionalität, die er auf dem Platz ausstrahlte, inzwischen als abgekühlter Geschäftsmann. Und im operativen Geschäft haben weiter Wirtschaftswesen wie die Vorstandsmitglieder Jan-Christian Dreesen, Andreas Jung und Jörg Wacker das Sagen. Ob sie auf Dauer Anhänger der bürgerlichen Kaufmannschule im Sinne des Patrons Hoeneß bleiben, ist nicht heraus. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass sie sich eher den internationalen Gepflogenheiten anpassen und in jeder Transferperiode auf dem Markt bei den dreistelligen Millionenbeträgen mitbieten. Hoeneß hat in jüngerer Vergangenheit mehrmals diesen „Wahnsinn“beklagt und das Geschacher in diesen Höhen als „katastrophal“bezeichnet.
Im FC Rummenigge werden sie das anders sehen.