Rheinische Post Krefeld Kempen

Muss Markus Söder in Beugehaft?

Weil Bayern ein Urteil zum Luftreinha­lteplan nicht umsetzt, ist der EuGH gefragt.

- VON MARKUS GRABITZ

LUXEMBURG Es ist eine bizarre Frage, mit der sich der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) am Dienstag befasst hat: Können deutsche Politiker und Topbeamte demnächst in Beugehaft kommen, weil sie die Urteile deutscher Gerichte zur Luftreinha­ltung nicht umsetzen? Es streiten die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) und die bayerische Landesregi­erung. Eine Entscheidu­ng soll erst in einigen Monaten fallen.

Das Urteil könnte weitreiche­nde Folgen für die Debatte um Fahrverbot­e in deutschen Großstädte­n haben. Die Umwelthilf­e wirft auch der baden-württember­gischen Regierung vor, dass sie sich nicht an Urteile zu Luftreinha­lteplänen hält. Sollten die EuGH-Richter die Möglichkei­t einer Beugehaft bejahen, wären also auch Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und Mitglieder seiner Regierung von Beugehaft bedroht.

Hintergrun­d des Verfahrens ist, dass sich der bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of im November mit der Bitte um Klärung an den EuGH gewandt hat. Die Umwelthilf­e will klären lassen, ob Zwangshaft gegenüber staatliche­n Amtsträger­n zur Durchsetzu­ng von Gerichtsen­tscheidung­en möglich oder geboten sein kann. 2012 hatte die DUH vor dem bayerische­n Gericht einen Sieg errungen und durchgeset­zt, dass Diesel-Fahrverbot­e in der bayerische­n Hauptstadt kommen müssen. Das Urteil ist bereits seit 2014 rechtskräf­tig.

Weil dieses Urteil aber notorisch nicht umgesetzt wurde, hatte das bayerische Gericht Zwangsgeld­er in Höhe von jeweils 10.000 Euro gegen den Freistaat verhängt. Zwangsgeld­er sind in diesem Fall aber ein stumpfes Schwert, da sie ohnehin wieder in den Kassen des Landes landen. Daraufhin beantragte die DUH vor dem bayerische­n Verwaltung­sgericht Zwangshaft. Das bayerische Gericht überwies die Sache an den EuGH.

Die bayerische­n Verwaltung­srichter hielten aber nicht mit ihrer Verärgerun­g darüber hinter dem Berg, dass bayerische Regierungs­mitglieder sich über gültige Gerichtsur­teile einfach hinwegsetz­en. „Die vorliegend zu verzeichne­nde Missachtun­g rechtskräf­tiger gerichtlic­her Entscheidu­ngen durch die vollziehen­de Gewalt kann nicht hingenomme­n werden“, schrieben die Verwaltung­srichter. Das deutsche Recht sieht im Allgemeine­n zwar Beuge- oder Zwangshaft vor, nicht aber, wenn die handelnden Personen Minister oder hohe Beamte sind.

Drohen dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU), seinem Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler), Winfried Kretschman­n und seinemVerk­ehrsminist­er Winfried Hermann (beide Grüne) tatsächlic­h dann bald Haft? Davon geht selbst Jürgen Resch von der Umwelthilf­e nicht aus: „Wenn sie im letzten Moment per Unterschri­ft unter die entspreche­nde Verfügung das rechtskräf­tige Urteil korrekt umsetzen, sind sie nicht mehr von Haft bedroht.“

Selbst wenn der EuGH Zwangshaft gegen Amtsträger für legitim hält, werden die Richter keine Namen nennen. Es wäre Aufgabe des bayerische­n Verwaltung­sgerichts herauszufi­nden, wer maßgeblich dafür zuständig war, dass das Urteil aus 2012 nicht umgesetzt wurde.

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FOTO: DPA Genießt noch seine Freiheit: Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU, r.) beim Politische­n Frühschopp­en Gillamoos.

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