Rheinische Post Krefeld Kempen
Was die Klima-Instrumente taugen
Alle wollen die Erderwärmung begrenzen. Doch über das Wie gibt es Streit. Höhere Preise für Flugtickets, CO2-Steuer, Klimaschutz ins Grundgesetz - ein Vergleich.
BERLIN Über das Ziel ist man einig: Die globale Erderwärmung soll deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau gehalten werden, so hat es der Klimagipfel in Paris 2015 beschlossen. Sonst kommt es zu nicht beherrschbaren Veränderungen auf der Erde. Deutschland hat sich verpflichtet, seinen Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Bisher sind nicht mal 30 Prozent geschafft. Die Zeit drängt, viele Instrumente liegen auf dem Tisch. Doch was taugen sie?
Ausweitung des Emissionshandels Für die Energiewirtschaft gibt es bereits einen europäischen Emissionshandel: Wer CO2 emittiert, muss dafür Verschmutzungszertifikate kaufen. Das System ist effektiv wie effizient: Es gibt eine harte Obergrenze für CO2-Emissionen vor und führt damit sicher zu Senkungen des Ausstoßes. Zugleich sorgt der Preismechanismus dafür, dass das Kohlendioxid dort eingespart wird, wo es am günstigsten ist. Entsprechend hat der Energiesektor bereits einen großen Beitrag zur CO2-Minderung geleistet – ganz anders als die Bereiche Verkehr und Wohnen. Deshalb fordern die Wirtschaftsweisen eine Ausweitung des Emissionshandels auf diese Bereiche. Da das politisch in Europa aber nicht durchzusetzen ist, schlägt die CSU nun vor, ein nationales Emissionshandelssystem für Verkehr und Wohnen einzuführen. Das aber bringt wenig fürs Klima, weil Emissionen an Grenzen nicht halt machen.
Einführung einer CO2-Steuer Das ist eine Steuer, die sich nach dem Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) richtet und auf den Preis des Energieträgers aufgeschlagen wird. Das heißt: Der Autofahrer zahlt sie beim Kauf von Sprit, der Hausbesitzer beim Einkauf von Heizöl oder Gas für die Heizung. Eine solche Steuer fordern SPD und Grüne. In der CDU ist sie umstritten, Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich dagegen ausgesprochen. Vorteil: Eine CO2-Steuer lässt sich national einführen und hat eine direkte Lenkungswirkung. Wer einen hohen CO2-Ausstoß verursacht, muss auch hohe Steuern zahlen. Nachteil: Der Gesamtausstoß lässt sich nicht deckeln. Daher schlagen die Wirtschaftsweisen vor, die Steuer mit dem Mindestpreis beim Emissionshandel zu harmonisieren, bei 20 Euro pro Tonne zu starten und stetig zu erhöhen.
Sozialausgleich Ein Problem bei der CO2-Steuer (und indirekt auch beim Emissionshandel) - sie treffen Pendler und Arme besonders. Dem SUV-Fahrer mag es egal sein, wenn sich der Spritpreis verdoppelt, doch ein armer Haushalt kann sich das Auto dann womöglich nicht mehr leisten. Die Parteien lassen sich daher viel für den Sozialausgleich einfallen, und mancher Schuss geht nach hinten los. Die SPD will die Steuereinnahmen als Klimaprämie an Bürger oder Fördergeld an Betriebe zurückgeben. Das bedeutet nicht nur Bürokratie, sondern mindert auch die Lenkungswirkung. Die CSU will die Pendlerpauschale erhöhen. Das mag nach dem Geschmack im Flächenland Bayern sein, klima- und steuerpolitisch ist das kontraproduktiv. Politik nach dem Motto „linke Tasche gibt, rechte Tasche nimmt“verändert keinVerhalten. Zudem steigen so die Anreize, aufs Land zu ziehen und die Pendelwege zu erhöhen. Sinnvoller ist es, zur Entlastung die Ökostromabgabe zu streichen.
Flugtickets verteuern Die Grünen wollen Inlandsflüge ab 2035 verbieten. So weit gehen die anderen Parteien nicht, doch auch sie wollen das Fliegen deutlich teurer machen. „Wir brauchen Maßnahmen gegen Dumping-Preise“, schreibt die CDU in ihrem aktuellen Klimapapier. Zu Recht: Beim Fliegen entstehen pro Person und Kilometer rund 50 Pro
zent mehr Kohlendioxid als beim Auto und sogar drei Mal mehr als bei der Bahn. Um die Kosten der Umweltbelastung zu internalisieren, will die CDU die Ticketabgabe erhöhen, die CSU will Flugtickets von unter 50 Euro besteuern. Bewertung: als Krücke denkbar. Gäbe es einen umfassenden Emissionshandel, wäre das unnötig, Tickets würden dann ohnehin teurer.
Bahntickets billiger machen Das fordern die Grünen schon lange, um die Bürger von der Straße in die Bahn zu locken. Nun will es auch die CSU, konkret will sie die Mehrwertsteuer auf Bahntickets von 19 auf sieben Prozent senken, ohne allerdings etwas zur Kompensation im Haushalt zu sagen. Und sie will die Bundesmittel zum Ausbau des Schienennetzes um drei Milliarden pro Jahr erhöhen. In diese Richtung muss aber viel mehr geschehen, um die Bahn im Fern- und vor allem Nahverkehr pünktlicher, zuverlässiger und at
Um die Autobauer zur Verkehrswende zu zwingen, wollen die Grünen den Verbrennungsmotor bis 2050 verbieten. Die Union setzt dagegen auf Anreize, die CSU will nicht-fossile Kraftstoffe (E-Fuels) von der Energiesteuer befreien und Elektroautos noch mehr subventionieren. Das hat zwei Tücken: Subventionen führen zu Mitnahmeeffekten und lassen den Effizienz-Eifer der Autoindustrie erlahmen. Und da der Staat gar nicht weiß, ob sich Wasserstoff, E-Mobilität oder etwas anderes als Antrieb der Zukunft durchsetzt, sollte er, wenn überhaupt, technologieoffen fördern.
Kohleausstieg vorziehen Grüne und nun auch die CSU würden den Ausstieg aus der Kohleverstromung gerne möglichst auf 2030 vorziehen. Das ist Populismus, hat man sich doch gerade in der Kohlekommission auf einen geregelten Ausstieg bis 2038 geeinigt. Vor allem fehlen auch noch Stromautobahnen, Netze, neue Gaskraftwerke und Speicher, um aus der Kohleverstromung auszusteigen, ohne die Versorgungssicherheit des Industriestandortes zu gefährden.
Klimaschutz ins Grundgesetz Auch das fordern Grüne und CSU, auch das ist populistisch. Schon jetzt heißt es in Artikel 20a: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen durch die Gesetzgebung.“Damit ist alles gesagt. Jetzt muss konkrete Politik her. Am 20. September will da Klimakabinett der Bundesregierung entscheiden.