Rheinische Post Krefeld Kempen
Glyphosat in Deutschland ab 2024 verboten
Schwarz-Rot hat die Pläne am Mittwoch verabschiedet. Bayer kritisiert die Entscheidung aus Berlin.
LEVERKUSEN Das Bundeskabinett macht ernst beim Schutz von Pflanzen und Tieren. Es verabschiedete am Mittwoch entsprechende Pläne. Demnach soll der Einsatz des Unkrautvernichters Glyphosat ab 2024 in Deutschland verboten werden. Bereits ab 2020 soll der Einsatz reduziert werden: Bauern sollen das Pflanzengift nicht mehr vor der Ernte ausbringen dürfen, in privaten Gärten und öffentlichen Parks soll es bereits verboten werden. Die Bundesregierung will auf dieseWeise Bienen und Insekten schützen und die Artenvielfalt erhalten.
Bayer kritisierte den Beschluss. Die US-Tochter Monsanto hatte Glyphosat vor Jahrzehnten auf den Markt gebracht.„Wir sehen die Entscheidung der Bundesregierung kritisch, bis Ende 2023 aus Glyphosat auszusteigen“, sagte Liam Condon, Bayer-Vorstand für das Crop-Science-Geschäft. „Der Beschluss ignoriert das seit Jahrzehnten bestehende wissenschaftliche Urteil unabhängiger Zulassungsbehörden auf der ganzenWelt, dass Glyphosat bei ordnungsgemäßer Anwendung sicher ist.“
Dahinter stehen zwei Sorgen von Bayer: Zum einen ist das Mittel ein Umsatzbringer. Bayer setzte 2018 mit Unkrautvernichtern 4,2 Milliarden Euro um; davon dürfte eine Milliarde auf Glyphosat entfallen sein. Vor der Monsanto-Übernahme lag Bayers Herbizid-Umsatz bei 2,6 Milliarden.
Wichtiger noch: In den milliardenschweren Glyphosat-Prozessen in den USA verteidigt sich Bayer stets mit dem Argument, dass Glyphosat bei sachgerechter Anwendung sicher sei. Es gebe Hunderte wissenschaftliche Studien und die Entscheidung vieler Zulassungsbehörden, lautet Bayers zentrales Argument. Wenn nun aber immer mehr Länder Glyphosat wegen Sicherheitsbedenken verbieten, beschädigt das Bayers Glaubwürdigkeit in den Prozessen. Österreich hat ein Verbot von Glyphosat bereits im Sommer beschlossen, in der EU insgesamt steht 2022 das Wiederzulassungsverfahren an. Beobachter erwarten, dass der Unkrautvernichter dann EU-weit verboten wird. Auch die Deutsche Bahn, einer der größten Nutzer von Glyphosat, will den Einsatz drastisch senken.
In den USA sieht sich Bayer 18.400 Klägern gegenüber. Platzwarte, Bauern, Hobbygärtner machen Roundup, wie das Mittel im Handel heißt, für ihre Krebserkrankung verantwortlich. In drei Prozessen haben Kläger in der ersten Instanz bereits Recht bekommen. Bayer geht stets in die Berufung. Die Forschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation hatte Glyphosat 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“für Menschen eingestuft. Bayer hält die Einschätzung für falsch und verweist auf andere wissenschaftliche Studien.
Seit Jahren gehen Naturschützer und Aktivisten gegen Glyphosat vor. Als Totalherbizid vernichtet es alle Pflanzen und stellt damit eine Bedrohung für Bienen und Insekten dar, warnen sie. Landwirte setzen es wegen seiner hohen Wirksamkeit dennoch seit Jahrzehnten ein.
Die Klagen lasten schwer auf dem Konzern. Die Bayer-Aktie, die mal bei über 140 Euro stand, war zeitweise auf 55 Euro gefallen. Am Mittwoch notierte sie bei 67 Euro. Mit Spannung warten Betroffene, Konzern und Anleger auf die Entscheidung des Mediators Ken Feinberg, der für Hunderte Klagen eine Lösung finden soll. Noch ist Bayer zu umfassenden Vergleichen nicht bereit.