Rheinische Post Krefeld Kempen
Ein Brief an Mozart im Himmel
Musik von Mozart und Liebeserklärungen des großen Theologen Karl Barth an den Komponisten umfassen ein Konzert in der Mennonitenkirche. Es ist auch eine Hommage an Barth im Gedenkjahr für ihn: Vor 100 Jahren ist sein epochaler Römerbrief-Kommentar erschie
Karl Barth war vieles: Genial, Mozartliebhaber, epochaler Theologe, begnadeter Schriftsteller – und ein Schlitzohr im Geiste. Die evangelische Kirche hat 2019 zum Barth-Jahr ausgerufen und erinnert an das Erscheinen seines Römerbrief-Kommentars vor 100 Jahren, der in der theologischen Welt für Furore gesorgt hatte. Dem Krefelder Pfarrer em. Manfred Bautz ist es ein Anliegen, diesem Gedenken auch in Krefeld Raum zugeben. Bei einem Konzert in der Mennonitenkirche wird es daher Musik von Mozart im Verein mit einigen Texten von Barth über Mozart geben. Es spielt der russisch-stämmige Meisterpianist Timur Sergeyenia; es moderiert und liest: Manfred Bautz. Konzert und Lesung dürften schön und heiter zugleich werden, eben weil Barth auch ein Schlitzohr war, nämlich: ein Mann mit Humor, was bei evangelischen Theologen nicht unbedingt und immer zu erwarten ist.
Warum war Barth genial? Er hat mit Anfang 30 im Pfarrdienst in der Schweizer Provinz als Nobody ein Buch geschrieben, dass ihn schlagartig berühmt machte und ohne die sonst üblichen akademischen Hürden (wie eine Habilitationsschrift) eine Professur einbrachte. Epochal war er wegen dieses Buches: Er hat gegen den seinerzeit vorherrschenden Kulturprotestantismus, der dem Christentum die Rolle eines nützlichen Dieners der Gesellschaft zugeschrieben hat, mitWucht die Offenbarung entgegengesetzt und darauf gepocht, dass Gott unverfügbar, Geheimnis und Herr der Welt sei. Begnadeter Schriftstreller war er, weil er hinreißend schreiben konnte. Sein Römerbrief-Buch ist nicht immer verständlich, aber immer schön.Wer Sprache liebt und fühlt: Es fasst einen an wie Musik, zum Beispiel von Mozart: Man versteht nicht jede Note und jeden Takt, aber man ist gebannt.
Ein Schlitzohr im Geiste: Barth hatte Humor. Bekannt ist sein Bonmot zum Thema Auferstehung: Jemand fragte ihn: „Nicht wahr, Herr Professor, im Himmel werden wir alle unsere Lieben wiedersehen?“ Barths Antwort lautete trocken: „Ja. Aber die anderen auch.“Pfarrer Bautz berichtet von einer anderen Anekdote: Reformierte Freunde von Barth standen Mozart skeptisch gegenüber. Zu weltlich, zu diesseitig, zu schön, zu lustig, womöglich lasterhaft, jedenfalls: verdächtig. Zur Erinnerung: Die Reformierten, die auf die Reformation von Zwingli und Calvin zurückgehen, wollten weltlichen Tand aus der Kirche verbannen und allein dem Wort die Ehre geben. Man kann Berichte über reformierte Gottesdienste mit zweistündigen Predigten lesen. Klar ist in einem solchen Milieu einer wie Mozart verdächtig. Barth hat seinen geliebten Mozart stets verteidigt, hat die reformierte Theologie auch in anderen Punkten kritisiert und irgendwann zu seinen Freunden gesagt:Wenn sie nur nichts Schlechtes mehr über Mozart sagen würden, hätten sie von ihm auch theologisch nicht mehr zu befürchten.
Barth, der Gottesmann, war als Mozart-Liebhaber und als Redner bekannt und geschätzt. So geschätzt, dass er 1956 im Mozart-Jahr zum Gedenken an den 200. Geburtstag des Komponisten in Basel die Festrede auf Mozart halten durfte. Was Barth an Mozart am Ende auch theologisch fasziniert haben mag: Mozart hatte für Barth (wie für jeden Mozart-Kenner) auch dunkle Seiten, aber stets den Trend zum Licht; „das Helle ist bei Mozart immer etwas stärker als das Dunkle“, resümiert Pfarrer Bautz. Der Weg von diesem Satz zur Sichtung einer Welt, die oft genug dunkel ist und in der die Menschen dennoch aufgerufen sind, an das letzte Licht Gottes zu glauben, ist nicht weit.
Für Barth jedenfalls war Mozart eine Offenbarung eigener Art neben dem Evangeliums – und eine lebenslange Leidenschaft. Bautz, der bei Barth in Basel studiert und