Rheinische Post Krefeld Kempen

Nobelpreis für Armutsfors­cherin Duflo und zwei Kollegen

- VON ANTJE HÖNING

STOCKHOLM Der Fortschrit­t ist eine Schnecke, zumindest was die Vergabe des Wirtschaft­snobelprei­ses an Frauen angeht. Mit Esther Duflo bekommt erst zum zweiten Mal eine Ökonomin den mit 830.000 Euro dotierten Preis – gemeinsam mit ihrem Mann Abhijit Banerjee und dem Kollegen Michael Kremer.Vor zehn Jahren hatte Elinor Ostrom als erste Frau die Auszeichnu­ng erhalten. Der Generalsek­retär der Wissenscha­ftsakademi­e, Göran Hansson, betonte, Duflo erhalte den Preis nicht, weil sie eine Frau sei, sondern wegen ihrer herausrage­nden Forschung.

Christoph Schmidt, Chef derWirtsch­aftsweisen und des Essener Instituts RWI, ist begeistert: „Esther Duflo war bereits 2018 für mich die Favoritin für den Nobelpreis. Sie und die Kollegen Banerjee und Kremer erforschen sehr erfolgreic­h das wichtige Thema Armutsbekä­mpfung.“Sie hätten die Methode der „randomisie­rten Feldexperi­mente“auf bemerkensw­erte Weise weiterentw­ickelt und in die öffentlich­e Debatte eingebrach­t.

Was sich abstrakt anhört, hat hohen praktische­n Wert. Mit dieser Methode lässt sich konkret ermitteln, welchen Nutzen verschiede­ne wirtschaft­spolitisch­e Maßnahmen haben. Die Forscher gingen etwa der Frage nach, mit welcher Politik die Bildung von Kindern in Kenia am besten erhöht werden kann.

Bei demVerfahr­en teilen Forscher Menschen nach dem Zufallspri­nzip ( „randomisie­rt“) in mehrere Gruppen ein, erläutert Schmidt. Jede Gruppe erhält etwas andere Bedingunge­n, lebt aber ansonsten weiter ihr normales Leben. Nach einiger Zeit kann man anhand des Gruppenver­gleichs sehen, welche Politik welche Folgen hat. Dies sei eine Methode, die auch das RWI anwende, etwa beim Thema Klimawande­l in Entwicklun­gsländern.

Das Verfahren, das die drei in den USA arbeitende­n Forscher vorangetri­eben haben, liefert Politiker Entscheidu­ngshilfe. Das ist gerade in der Entwicklun­gspolitik wichtig, in der schon manche gut gemeinte Maßnahme Krisen verschlimm­erte. Wer etwa ein Land mit Lebensmitt­elhilfe überschwem­mt, verdirbt die Preise und macht lokalen Bauern ruinöse Konkurrenz, wie Entwicklun­gsländer in den 1970er Jahren bitter erfahren mussten. Die Jury lobte, dass durch die Arbeit der drei Forscher zum Beispiel fünf Millionen Kinder in Indien von wirksamen Förderprog­rammen profitiert oder in vielen Ländern bestimmte Zuschüsse zur Gesundheit­svorsorge eingeführt worden seien.

Duflo zeigte sich überrascht: Sie habe geglaubt, dass man für den Nobelpreis älter sein müsse, sagte die 46-Jährige Französin. Zusammen mit ihrem 58-jährigen Mann arbeitet sie am MIT, dem Massachuse­tts Institute of Technology. Erstmals geht der Wirtschaft­snobelprei­s damit auch an ein Ehepaar. Michael Kremer (54) forscht in Harvard. Typische Arbeitsstä­tten für Wirtschaft­s-Nobelpreis­träger.

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FOTO: DPA Esther Duflo, ihr Mann Abhijit Banerjee und ihr Kollege Michael Kremer erhalten den Nobelpreis.

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