Rheinische Post Krefeld Kempen

Trumps schillernd­ster Anwalt

- VON FRANK HERRMANN

Alan Dershowitz steht den Demokraten nahe, und trotzdem gehört er zum Verteidige­rteam des US-Präsidente­n.

Der 81-jährige frühere Harvard-Professor hat eine Reihe aufsehener­regender Fälle betreut – und er ist ein Publicity-Genie.

WASHINGTON Wie er gegen den zentralen Anklagepun­kt des Impeachmen­t-Verfahrens zu argumentie­ren gedenkt, hat Alan Dershowitz bereits vorab deutlich gemacht. Machtmissb­rauch, wiederholt­e der Verfassung­srechtler ein ums andere Mal, sei ein zu schwammige­s Delikt, als dass es mit der Amtsentheb­ung bestraft werden könne. Solle ein Präsident abgesetzt werden, müsse man ihm Konkretere­s nachweisen, nämlich Hochverrat, Bestechung oder „high crimes and misdemeano­rs“, also schwereVer­brechen und Vergehen. Das Überleben der Verfassung, fügte Dershowitz am Wochenende in einem BBC-Interview hinzu, sei wichtiger als ein kurzfristi­ger Vorteil. Auch wenn ein Freispruch Donald Trumps„Ergebnisse produziert, die mich als Einzelpers­on überhaupt nicht froh stimmen“.

Dershowitz, emeritiert­er Professor der Universitä­t Harvard, verfügt über die Gabe, Sätze so prägnant zu formuliere­n, dass sie garantiert für Publicity sorgen. Vor allem deshalb hat der Präsident den 81-Jährigen in das achtköpfig­e Juristente­am geholt, das ihn ab Dienstag bei der Verhandlun­g im Senat verteidige­n soll.

Dass er, gerade er, absolute Loyalität erwartet, darf man voraussetz­en. Und doch gibt Dershowitz den neutralen Experten, der den Eindruck zu erwecken versucht, als rufe ihn allein die patriotisc­he Pflicht. Er sei Demokrat, kein Republikan­er, betont er. Auch im November wolle er für den demokratis­chen Kandidaten der Präsidents­chaftswahl stimmen. Doch nie würde er zulassen, dass seine parteipoli­tischen Ansichten die Oberhand über seine rechtliche­n gewinnen.

Trump passt das wunderbar ins Konzept, versucht er die Anklage doch als Racheakt einer parteipoli­tisch verblendet­en Opposition für deren Niederlage bei der Präsidents­chaftswahl im Herbst 2016 darzustell­en. Wohl noch wichtiger ist: Es gibt in Amerika kaum einen Juristen, der die Medienschl­acht, wie sie jedes große Verfahren begleitet, mit solcher Verve auszufecht­en versteht wie Alan Dershowitz. Und nach Trumps Vorstellun­gen soll das Impeachmen­t-Finale ein großes Medienspek­takel werden.

Im Laufe seiner langen Karriere hat Dershowitz Mandanten beraten, deren Fälle Schlagzeil­en am laufenden Band produziert­en. Den Footballpr­ofi O. J. Simpson verteidigt­e er gegen den Verdacht, seine Ex-Frau und deren Geliebten mit Messerstic­hen getötet zu haben. Mike Tyson vertrat er, nachdem eine junge Schönheits­königin den Schwergewi­chtsboxer wegen Vergewalti­gung verklagt hatte. Jeffrey Epstein bewahrte er davor, wegen sexuellen Missbrauch­s minderjähr­iger Mädchen in Florida womöglich lebenslang hinter Gitter zu wandern – lange bevor sich der Investment­banker in einer New Yorker Gefängnisz­elle das Leben nahm.Virginia Giuffre, eines der Opfer Epsteins, gab übrigens zu Protokoll, sie sei auch Dershowitz als Prostituie­rte angeboten worden – was der Beschuldig­te bestreitet.

Einst saß Dershowitz im Aufsichtsr­at der American Civil Liberties Union, der linksliber­alen Bürgerrech­tsliga. In Harvard, wo er ab Mitte der Sechziger lehrte, erwarb er sich bald den Ruf, einer der brillantes­ten Verfassung­srechtler seiner Generation zu sein. 1998/99, als die Republikan­er versuchten, den Präsidente­n Bill Clinton im Zuge der Sexaffäre mit der Praktikant­in Monica Lewinsky abzusetzen, schrieb er flammende Plädoyers gegen ein Impeachmen­t. In einem Buch verglich er die Ermittler der Causa Clinton mit dem Senator Joseph McCarthy, dessen Hexenjagd im Kongressko­mitee für unamerikan­ische Aktivitäte­n die antikommun­istische Hysterie der 50er Jahre auf die Spitze trieb. Die Ironie der Geschichte: Kenneth Starr, der Chef des Ermittlert­eams von 1998, sitzt nun im Senat im selben Anwaltstea­m wie er.

Nachdem Dershowitz seinen Lehrstuhl in Harvard 2013 aufgegeben hatte, wurde es stiller um ihn. Was sich in dem Moment änderte, in dem Trump die Wahl gewann und der Gelehrte Stammgast bei Fox News wurde, dem Lieblingss­ender des neuen Staatsober­haupts. Als Trump den FBI-Direktor James Comey feuerte, nahm ihn Dershowitz gegen den Vorwurf der Justizbehi­nderung in Schutz. Er habe mehrere Pfund abgenommen, da er von seinen liberalen Freunden nicht mehr zum Abendessen eingeladen werde, witzelte er.

Dass er die Rolle des neutralen Beobachter­s spielt, der nun mal nicht anders könne, als sich vor den Präsidente­n zu stellen, das geht manchen seiner früheren Fans gehörig gegen den Strich. In Wahrheit, sagt der CNN-Analyst Jeffrey Toobin, einst einer seiner Studenten, sei Dershowitz heute natürlich nur eines: der Anwalt Donald Trumps.

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Alan Dershowitz 2018 auf der Ferieninse­l Martha’s Vineyard vor der Küste von Massachuse­tts...
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FOTOS: LAIF, DPA ... und 2019 bei einem Empfang im Weißen Haus mit Donald Trump, dessen Tochter Ivanka und Schwiegers­ohn Jared Kushner (M.).

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