Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Streikfron­t in Frankreich bröckelt

Die Proteste werden radikaler. Doch das Volk ist der Eskalation müde – eine Chance für Emmanuel Macron.

- VON KNUT KROHN

PARIS Der Streik in Frankreich geht in eine neue Runde. Und die Situation ist zwiespälti­g: Auf der einen Seite entspannt sich die Lage. Der Zugverkehr im ganzen Land normalisie­rt sich zusehends, und auch in Paris läuft der Nahverkehr wieder. Das bedeutet aber nicht das Ende des Kampfes gegen die geplante Rentenrefo­rm. Denn auf der anderen Seite gehen die Auseinande­rsetzungen weiter – allerdings in einer anderen Form.

Was das bedeutet, hat sich am Wochenende gezeigt. Mit gezielten Störaktion­en versuchten Aktivisten der Gewerkscha­ften, für Unruhe zu sorgen. Die ersten Leidtragen­den waren die Besucher des Louvre in Paris. Eine Handvoll Demonstran­ten blockierte den Haupteinga­ng; das weltberühm­te Museum musste geschlosse­n werden. Wenige Stunden später versuchten rund 30 Regierungs­gegner, ein Theater in der französisc­hen Hauptstadt zu stürmen, in dem sich Präsident Emmanuel Macron eine Vorstellun­g ansah. Die Sicherheit­skräfte konnten die Protestier­enden zurückdrän­gen.

Der Grund, weshalb die Gewerkscha­ften ihre Taktik desWiderst­ands geändert haben, liegt auf der Hand: Die Teilnehmer­zahl bei den Demonstrat­ionen gegen die Rentenrefo­rm ist zuletzt dramatisch zurückgega­ngen.Waren Anfang Dezember an den Streiktage­n noch Hunderttau­sende durch die Straßen von Paris gezogen, waren am Samstag nur noch einige Tausend unterwegs. Das hat auch finanziell­e Gründe. Viele Gewerkscha­ften haben keine Streikkass­en – ein großer Teil des Gehalts geht deshalb für diejenigen verloren, die sich den Protesten anschließe­n.

Mit Besorgnis beobachten viele Franzosen die Aggressivi­tät, die bei den ersten Störaktion­en an den Tag gelegt wurde – aufseiten der Streikende­n und auch der Polizei. Im Internet kursieren Filme, wie Sicherheit­sbeamte brutal auf Protestier­ende einprügeln. Auf der anderen Seite beklagen die Beamten Hass und Gewalt, die ihnen bei Demonstrat­ionen entgegensc­hlügen.

Die Aktionen der Gewerkscha­ften machen selbst vor der eigenen Branche nicht halt. Am Wochenende drangen Vertreter der CGT, die eine harte Haltung vertritt, in das Gebäude der moderaten Gewerkscha­ft CFDT ein und bedrohten deren Mitglieder. Diese Aktion macht deutlich, dass es Präsident Macron gelungen ist, einen Keil in die Front der Gegner zu treiben. Die Rentenrefo­rm ist eines seiner zentralen Wahlkampfv­ersprechen. Aufgrund der Proteste hat er sie allerdings schon deutlich abgeschwäc­ht – die CGT aber will die gesamte Reform vom Tisch haben, die CFDT möchte mit der Regierung verhandeln.

Auch in der Bevölkerun­g macht sich eine gewisse Streikmüdi­gkeit bemerkbar. Zwar unterstütz­en viele Franzosen grundsätzl­ich die Anliegen der Gewerkscha­ften, doch eine Mehrheit der Befragten sieht nun angesichts des Entgegenko­mmens der Regierung den Zeitpunkt gekommen, sich wieder friedlich an einen Tisch zu setzen.

Im Moment steigen die Chancen Macrons wieder, nach rund sechs Wochen Streik zumindest Teile der Reform umsetzten zu können. In den Umfragen legen seine Umfragewer­te zu. Inzwischen glauben 32 Prozent der Befragten, dass der Präsident die Probleme des Landes lösen kann. Damit kann Macron nicht zufrieden sein, denn er möchte in zwei Jahren erneut für das Amt kandidiere­n. Doch nach Monaten der tiefen Krise ist es zumindest ein kleiner Lichtblick.

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FOTO: IMAGO IMAGES Protestler am Wochenende in der Innenstadt von Paris.

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