Rheinische Post Krefeld Kempen
Reisen und soziales Engagement
Vor etwa einem Jahr ging die Technische Beigeordnete der Stadt Willich, Martina Stall, in den Ruhestand. Am Willicher Marktplatz hat sie nun ein kleines Atelier. Aber auch soziales Engagement ist ihr wichtig, um etwas zurückzugeben.
WILLICH Im Café Kleeberg am Willicher Markt ist sie bestens bekannt. Als Technische Beigeordnete der Stadt Willich hat Martina Stall den Um- und Ausbau des Gebäudes, das sich im Besitz der städtischen Grundstücksgesellschaft befindet, von Anfang an begleitet. Heute, rund ein Jahr nach ihrer Pensionierung, kommt sie ganz ungezwungen auf einen Kaffee vorbei. Sie zeigt auf einen Mauervorsprung in dem hinteren länglichen Anbau des Cafés, der mit einem Glasdach gedeckt ist. „Hier war die Rückwand, die haben wir geöffnet.“Der Blick geht nach draußen auf ein Backsteingebäude im Hinterhof. Hier, in einer rund 100 Jahre alten ehemaligen Schlosserei, die lange leer stand und nur als Abstellraum diente, hat sie ihr Atelier angemietet.
Als Galerie mit festen Öffnungszeiten betreibt sie ihren Malraum nicht. Das würde sie zu sehr binden. Denn die neuen Freiheiten einer Pensionärin will die 65-Jährige keinesfalls eingeschränkt wissen. 24 Jahre lang, über drei Amtsperioden, war sie Technische Beigeordnete der Stadt Willich. Viele große Bauprojekte hat sie in diesem langen Zeitraum begleitet, zuletzt die Umgestaltung des Marktplatzes an der Kirche, die heftig umstritten war. Für sie waren diese Kontroversen nichts Ungewöhnliches: „Bürger und Politik werden halt immer kritischer.“
Vor einem Jahr ging sie in den Ruhestand, obwohl sie noch einmal hätte verlängern können. „Ich habe es mir so ausgesucht, ich musste nicht mehr, und ich wollte nicht mehr“, stellt sie in ihrer klaren Art fest. Schon den Morgen kann sie nun ganz anders genießen.„Das frühe Aufstehen war eh nie was für mich“, sagt sie. Jetzt bleibt sie etwas länger im Bett, hört die Nachrichten, liest ausführlich die Zeitung. Kurz: Sie lässt den Tag etwas gemütlicher angehen.
Weiter sehr interessiert verfolgt sie das städtische Geschehen, wenn auch nun in der Rolle einer Beobachterin. Endlich mehr Zeit hat sie nun zum Golfspielen, das sie bereits seit 20 Jahren betreibt. Zudem ist sie aktuelle Präsidentin des Zonta-Clubs in Krefeld. „Wir setzen uns für die Rechte von Frauen und Mädchen in der ganzen Welt ein“, sagt sie. Sie erzählt von einem Zirkusbesuch in Krefeld, den der Zonta-Club für mittellose junge Frauen und ihre Kinder spendiere.„Und ich habe als Dankeschön für den Zirkus Möhren bei Brocker organisiert – als Tierfutter“, erzählt sie weiter.
Etwas zu organisieren, auch Repräsentieren in der Öffentlichkeit, das fällt ihr weiterhin nicht schwer.
Soziales Engagement ist ihr wichtig: „Irgendwas muss man zurückgeben, man lebt ja eigentlich sehr privilegiert“, findet sie. Das lebt sie auch vor Ort. In ihrem Wohnort im Stadtteil Schiefbahn fährt sie einmal in der Woche den neu eingerichteten Bürgerbus. „Das ist weitestgehend für ältere Leute, die sind sehr nett und auch dankbar“, sagt sie. Die neue Freiheit nutzt sie auch fürs Reisen.„Ich bin etwa jeden zweiten Monat unterwegs. Demnächst geht es nach Australien und Neuseeland“, erzählt sie. „Ich bin Architektin, muss mir die Sachen ansehen können“, so beschreibt sie ihre Motivation. Und dass sie folgerichtig eher eine Kulturreisende als eine Landschaftsenthusiastin sei.
Bei so weiten Reisen wie der nun anstehenden ist sie mit einer langjährigen Freundin unterwegs.Wenn die Flüge weniger lang sind, reist sie mit ihrem Lebenspartner, mit dem sie auch die Leidenschaft fürs Golfen teilt. Wohnen tun die beiden nicht zusammen. „Wir brauchen unseren Freiraum“, sagt sie schmunzelnd.
Und wenn dann noch Zeit ist, malt sie in ihrem Atelier. Sie erstellt abstrakte, elegant wirkende Collagen. Derzeit stellt sie ihre Bilder in Moers aus. Das Künstlerische liegt wohl auch in ihren Genen. Ihre kürzlich verstorbene Mutter fertigte Marionetten, von denen sie einige in ihrem Atelier aufbewahrt.
Im Sommer trinkt Martina Stall ihren Kaffee gerne im Außenbereich des Cafés Kleeberg. „Dann bin ich schon etwas stolz, wenn ich sehe, wie gut der neu gestaltete Marktplatz angenommen wird und die Kinder im Fontänenbrunnen spielen.“
Redaktion Kempen