Rheinische Post Krefeld Kempen

Städte setzen auf Tempo 30

- VON ÖZGE KABUKCU, MARIE LUDWIG UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die verkehrsbe­ruhigten Zonen sollen die Luftqualit­ät verbessern, für weniger Unfälle sorgen und den Lärmpegel senken. Viele Städte weiten ihre 30er-Zonen aus – oder versuchen es. Denn die Maßnahme muss gut begründet sein.

MOERS Wer in Moers mit dem Auto unterwegs ist, sollte künftig besser den Fuß vom Gas nehmen. Sieben zusätzlich­e Tempo-30-Zonen richtet die 100.000-Einwohner Stadt am Niederrhei­n in den nächsten Tagen neu ein. Seit Kurzem gibt es zudem temporäre 30er-Zonen. „Sie gelten teils tagsüber, teils nachts“, sagt ein Stadtsprec­her. Für die neuen Zonen in der Innenstadt gelten hingegen keine zeitlichen Begrenzung­en.

„Grundsätzl­ich festzuhalt­en ist, dass es nach aktueller Rechtslage immer einen Grund geben muss, in Abschnitte­n oder in bestimmten Straßen die Begrenzung einzuricht­en“, erklärt der Sprecher. Eine komplette 30-Regelung in der Innenstadt sei nach aktueller Rechtslage nicht möglich, sagt er. In Moers begründet man die neuen 30-Zonen unter anderem mit zu viel Lärmaufkom­men durch den Straßenver­kehr an den jeweiligen Straßen und sogenannte­n schützensw­erten Einrichtun­gen wie Schulen und Krankenhäu­sern, an denen aus Sicherheit­sgründen nicht schnell gefahren werden soll.

Immer mehr Städte in NRW wollen ihre bestehende­n Tempo-30-Zonen ausweiten – oder müssen es wegen schlechter Luftwerte. Das Bundesverk­ehrsminist­erium will es Kommunen daher erleichter­n, Tempo 30 für ganze Straßen einzuricht­en. Den Grünen reicht das nicht aus. Sie wollen innerorts auf allen Straßen Tempo 30 einführen. Die Stadt Aachen hat in den vergangene­n Wochen 140 neue Verkehrssc­hilder mit der Aufschrift „30“in der Innenstadt aufstellen lassen. Auch in Bonn gilt auf einem Abschnitt einer Hauptverke­hrsstraße seit Jahresbegi­nn Tempo 30. Der Grund ist derselbe wie in Aachen: schlechte Luft.

Einer Bilanz des Umweltbund­esamtes zufolge schneidet Köln im Jahresmitt­el 2018 mit 59 Mikrogramm am schlechtes­ten im NRW-Vergleich ab, gefolgt von Düsseldorf mit 53 Mikrogramm. Der AachenerWe­rt liegt in der Berechnung bei 43. In Düsseldorf sollen Umweltspur­en die Luft verbessern, in Köln setzt man etwa auf Express-Spuren für Busse auf einer zentralen Pendlerach­se. Eine Tempo-30-Zone wie in Aachen oder in der kompletten Innenstadt ist in Köln nicht geplant. „Das ist aufgrund der Bestimmung­en der Straßenver­kehrsordnu­ng auch derzeit nicht möglich“, sagt ein Sprecher der Stadt Köln. Ohnehin bestehe die Kölner Innenstadt bereits heute schon fast ausschließ­lich aus Tempo-30-Zonen.

Die Stadt Aachen erhofft sich mit der Maßnahme auch positive Auswirkung­en auf den Verkehr, dieser soll durch Tempo 30 flüssiger und weniger stauanfäll­ig werden. Roman Suthold vom ADAC Nordrhein kritisiert, dass Emissionen nicht alleine davon abhängen, wie schnell man fährt, sondern viel mehr davon, ob der Verkehr fließt. Die Einführung neuer Tempo-30-Zonen ist für den ADAC-Experten lediglich auf kurzen Abschnitte­n mit etwa 400 bis 800 Meter Länge – etwa vor Kindergärt­en und Schulen – zu vertreten. Durchgängi­ge Tempo-30-Limits auf Hauptverke­hrsstraßen würden hingegen deren Hauptfunkt­ion entgegenwi­rken: den Verkehr zu bündeln. Durch Tempo 30 könnte sich der Verkehr in Nebenstraß­en und Wohngebiet­e verlagern, meint er.

Ähnlich sieht das der Verkehrswi­ssenschaft­ler Ferdinand Dudenhöffe­r von der Universitä­t Duisburg-Essen. Bei Tempo 30 auf mehrspurig­en Straßen könnte es zu stockendem Verkehr und Rückstaus kommen. „Gerade häufiges Bremsen und erneutes Anfahren verbraucht mehr Treibstoff und wirkt sich negativ auf die Stickstoff­dioxidwert­e aus“, sagt er. Das würde beispielsw­eise auch für die Umweltspur­en in Düsseldorf gelten.

Um die Luftwerte zu verbessern, hat man in Aachen auf einer Hauptstraß­e zusätzlich schadstoff­min

„Radfahrer und Fußgänger fühlen sich sicherer, Busse kommen bei stetig fließendem Verkehr

besser voran“Sprecher der Stadt Aachen

dernden Asphalt einbauen lassen – auf einer Länge von 500 Metern. Zudem sind Zufahrtsre­gelungen sowie eine Ampelschal­tung geändert worden, um Rückstaus zu verhindern. Die Einführung von Tempo 30 habe auch eine Signalwirk­ung für ein ausgewogen­es Miteinande­r aller Verkehrste­ilnehmer, sagt ein Sprecher der Stadt Aachen.

„Radfahrer und Fußgänger fühlen sich sicherer. Busse kommen bei stetig fließendem Verkehr besser voran, und wer auf das Auto angewiesen ist, kann weiterhin in die Innenstadt“, betont der Sprecher. Eine „unangepass­te Geschwindi­gkeit“sei weiterhin ein ganz entscheide­nder Grund für Unfälle mit Toten und Verletzten, bekräftigt der Sprecher.

Dass sich mit Tempo 30 mehr Fahrradunf­älle verhindern lassen, davon geht auch Jürgen Resch, Geschäftsf­ührer der Deutschen Umwelthilf­e, aus. Zeitgleich werde das Autofahren in der Innenstadt deut

 ?? FOTO: NORBERT PRÜMEN ?? Auf der Uerdinger Straße in Moers gilt Tempo 30 ohne zeitliche Begrenzung. Die Stadt ist eine von vielen in NRW, die derzeit solche verkehrsbe­ruhigten Zonen ausweisen.
FOTO: NORBERT PRÜMEN Auf der Uerdinger Straße in Moers gilt Tempo 30 ohne zeitliche Begrenzung. Die Stadt ist eine von vielen in NRW, die derzeit solche verkehrsbe­ruhigten Zonen ausweisen.

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