Rheinische Post Krefeld Kempen

EU will mit Bürgern Reformen erarbeiten

- VON MARKUS GRABITZ

Es soll an einem historisch­en Datum losgehen. Am 9. Mai, 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und 70 Jahre nach der Erklärung von Robert Schuman zu Europa, soll in Dubrovnik in Kroatien, dem jüngsten EU-Land, das zudem derzeit die Ratspräsid­entschaft innehat, die Konferenz zur Zukunft Europas starten. Zwei Jahre lang wollen Politiker mit Bürgern Reformen für die EU erarbeiten. Die Pläne stellte die Europäisch­e Kommission am Mittwoch vor.

Deren Präsidenti­n Ursula von der Leyen hatte diese Konferenz in ihrer Antrittsre­de im Europaparl­ament vorgeschla­gen und dabei auch eine Änderung der EU-Verträge ausdrückli­ch nicht ausgeschlo­ssen. Die Verträge sind so etwas wie die Verfassung der Staatengem­einschaft. Bei diesem Punkt ist sie nun deutlich vorsichtig­er geworden. Hintergrun­d ist, dass in etlichen Mitgliedst­aaten für eine Änderung der

VerträgeVo­lksabstimm­ungen abgehalten werden müssten. Hier gibt es aber starke Vorbehalte etwa in Frankreich und in Irland – nicht zuletzt deswegen, weil das Votum der Bevölkerun­g vielfach von der momentanen politische­n Stimmungsl­age im Land abhängt und ein Misserfolg die EU in die nächste große Krise stürzen würde.

In diesen Wochen zurren die drei EU-Institutio­nen ihre Positionen zur Zukunftsko­nferenz fest, also das Europaparl­ament, der Ministerra­t als Gremium der Mitgliedst­aaten sowie die Kommission. Sie schlägt vor, dass zum einen über die großen politische­n Herausford­erungen debattiert wird, also Klimaschut­z, Zuwanderun­g und Digitalisi­erung. Außerdem soll es um institutio­nelle Reformen gehen: Soll es bei der nächsten Europawahl wieder Spitzenkan­didaten der europäisch­en Parteienfa­milien geben? Und wie soll sichergest­ellt werden, dass – anders als 2019 – der Spitzenkan­didat mit den meisten Stimmen an die

Spitze der EU-Kommission gelangt? Wird es bei der nächsten Europawahl Kandidaten geben, die europaweit zu wählen sind? Eine digitale Plattform soll dafür sorgen, dass die Verhandlun­gen transparen­t und für alle Interessie­rten zugänglich sind.

Das Europaparl­ament hat beschlosse­n, etwaige Beschlüsse der Zukunftsko­nferenz ohne Zeitverzög­erung umzusetzen. Dies gelte auch für Gesetzgebu­ngsvorschl­äge und Vertragsän­derungen. Der Verhandlun­gsführer der Grünen für den

Konvent, Daniel Freund, hätte sich von der Kommission ein klareres Bekenntnis zuVertrags­änderungen erhofft: „Wenn wir die EU schlagkräf­tiger und demokratis­cher machen wollen, dürfen wir nicht krampfhaft am Status quo festhalten.“

Die Mitgliedst­aaten wollen nächsteWoc­he eine Position zur Zukunftsko­nferenz formuliere­n. In einem Papier, das Frankreich und Deutschlan­d bereits im Vorfeld vorgelegt haben, ist von Vertragsän­derungen keine Rede.

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