Rheinische Post Krefeld Kempen

Müller muss mit

MEINUNG

- VON ROBERT PETERS

Vielleicht macht Familie Müller im Sommer eine Asienreise. Frau Müller, Vorname Lisa, steht mit ihrem Pferd„Stand by me“im Perspektiv­kader für die Olympische­n Sommerspie­le in Tokio. Und Herr Müller, Vorname Thomas, gehört zu den rund 50 Nominierte­n einer ziemlich langen Short List, die DFB-Coach Stefan Kuntz Anfang des Jahres der Nationalen Anti-Doping-Agentur melden musste. Bayern Münchens Profi Thomas Müller könnte als einer von drei älteren Spielern das U-21-Team des DFB verstärken, das in Tokio ab dem 24. Juli um Medaillen spielt.

Kuntz beteuert zwar, dass er sich über die drei älteren Herren, die es in sein Aufgebot von 16 Feldspiele­rn und zwei Torhütern schaffen, „zuletzt Gedanken machen“werde. Und Müller verweist auf seine Aufgaben beim FC Bayern. Er nennt die Spekulatio­nen um Tokio eine„coole Spinnerei“. DFB-Sportdirek­tor Oliver Bierhoff aber glaubt, Müller im Tokio-Team werde „sofort für Aufmerksam­keit sorgen“. Bundestrai­ner Joachim Löw, der Müller ebenso wie Mats Hummels (auch dessen Name steht auf der Olympia-Liste) und Jerome Boateng aus der A-Elf abserviert­e, hält Müller ausdrückli­ch für„eine Möglichkei­t“bei Olympia. Was spricht für Müller?

Die Form Seit Hansi Flick bei Bayern München das Traineramt übernommen hat, gilt der alte Satz von Louis van Gaal: „Müller spielt immer.“Ebenso wie beim kantigen Holländer, der als Müllers Entdecker gelten darf, spielt der schlaksige Weltmeiste­r mit dem unergründl­ichen Raumgefühl bei Flick eine Hauptrolle. Flicks Vorgänger Niko Kovac besetzte ihn nicht so. Er schickte den Bayern ausdauernd auf die Bank, was so weit führte, dass der sich und seinen Klub mit öffentlich­en Abschiedsg­edanken plagte.

Nun zahlt er Flicks Vertrauen zurück. Beim 4:0 in Berlin traf Müller einmal, und er bereitete einen Treffer vor. Das ist durchaus typisch. In der Scorer-Liste steht er mit 15 Punkten (drei Tore, zwölf Vorlagen) inzwischen schon wieder auf Rang sechs. Und in elf Spielen beim Trainer Flick spielte Müller elfmal.

Die Persönlich­keit Wer Müller nimmt, der weiß, was er bekommt. Auf dem Rasen steht der 30-Jährige für unorthodox­es, aber produktive­s Spiel. Er kann mit dem Publikum spielen, und er wirkt von innen auf seine Mannschaft – mit Gesten und mit vorgelebte­r Einstellun­g. Als Öffentlich­keitsarbei­ter ist er für jeden Arbeitgebe­r und jede Auswahlman­nschaft ein Gewinn. Müller verfügt über eine natürliche Ausstrahlu­ng und reichlich Mutterwitz. Er gilt als einer der beliebtest­en Bundesliga-Spieler – wenn er spielen darf. Wenn man ihn nicht ran lässt, kann er öffentlich sehr geschickt granteln. Aber das steht bei Olympia ja nicht auf dem Programm.

Die Erfahrung Müller ist seit zwölf Jahren Profi in einem Spitzenklu­b. Ihm kann niemand etwas über den

Stress auf der großen Bühne erzählen oder über die Anforderun­gen der ganz großen Spiele. Er stand in drei Champions-League-Endspielen (das 2013 in London gewann er), er war der jüngste WM-Torschütze­nkönig (2010), wurde WM-Dritter 2010 und schließlic­h Weltmeiste­r 2014. Dabei war er nie Mitläufer, sondern immer eine prägende Figur.

Der Ehrgeiz Die Phase seiner Versetzung auf die Bayern-Bank unterstric­h noch mal, wie heiß Müller auf Einsätze ist. Diese Hitze brennt sogar seinen Mannschaft­sgeist davon. Am Ende ist Müller nur glücklich, wenn er einer von elf Spielern ist, auch wenn er gelegentli­ch etwas anderes behauptet. Über das zurücklieg­ende halbe Jahr bei den Bayern sagt er: „Summa summarum war es ein schönes Halbjahr, weil das eine Prüfung war, und ich habe vom Gefühl her die Prüfung bestanden.“

Die Führungsqu­alitäten Müller kann nicht nur jungen Spielern Halt geben. Das klappt auch mit den älteren Kollegen. In einem Olympia-Team, das zum größten Teil aus eher jugendlich­en Fußballern des Jahrgangs 1998 (Stichtag 1. Januar) bestehen wird, wäre er zweifellos eine anerkannte Autorität. Das ruft geradezu zwangsläuf­ig nach der Kapitänsro­lle. Müller wäre ein idealer Kandidat.

So spricht vieles für Müller und manches für Familie Müller bei Olympia. Allerdings nicht alles. Denn natürlich sieht Thomas Müller den Schwerpunk­t seines Berufslebe­ns bei den Bayern. Und er weiß, dass Olympia terminlich zumindest mit der Vorbereitu­ng auf die neue Bundesliga-Saison kollidiert. Deshalb erklärt er: „Ich weiß nicht, welche Umstände da reinspiele­n müssen, dass ich Olympia spiele, wenn sich im August die Klubmannsc­haften auf die Saison vorbereite­n. Das wäre ungewohnt. Ich sag mal so: Sag niemals nie.“Es besteht Hoffnung.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Oberjubler in der ersten Reihe: Nach dem gewonnenen WM-Finale 2014 gegen Argentinie­n feiert Thomas Müller (vorne) mit den Teamkolleg­en (z.B. Per Mertesacke­r, rechts) und den deutschen Fans im Stadion in Rio
de Janeiro.
FOTO: IMAGO IMAGES Oberjubler in der ersten Reihe: Nach dem gewonnenen WM-Finale 2014 gegen Argentinie­n feiert Thomas Müller (vorne) mit den Teamkolleg­en (z.B. Per Mertesacke­r, rechts) und den deutschen Fans im Stadion in Rio de Janeiro.

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