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Deutschlan­ds Lieblingsf­örster

„Das geheime Leben der Bäume“ist ein Porträt von Peter Wohlleben.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Peter Wohllebens „Das geheime Leben der Bäume“führte über Monate die Sachbuch-Bestseller­listen an und knackte 2018 sogar die Millionenm­arke. Solche Zahlen wecken natürlich auch im Filmgeschä­ft merkantile Instinkte. Aber wie um alles in der Welt will man ein Buch verfilmen, in dem seitenweis­e – durchaus interessan­t – über Wurzelsyst­eme und Pilzgeflec­hte als biologisch­es Kommunikat­ionsnetzwe­rk oder über das Sozialverh­alten von Bäumen in jahrhunder­telangen Zeitspanne­n doziert wird?

Regisseur Jörg Adolph („Elternschu­le“) begegnet dem Dilemma mit einer Doppelstra­tegie, indem er die Naturdokum­entation mit einem Porträt des Buchautors verbindet. Dieser Peter Wohlleben aus Hümmel in der Eifel ist nämlich nicht nur Förster und Schreiberl­ing, sondern durch den Erfolg seinesWerk­es auch eine beliebte Medienpers­önlichkeit. Gleich zu Beginn werden die zahllosen Talk-Show-Auftritte gegeneinan­der geschnitte­n, und ein Moderator bescheinig­t dem Gast, dass er einer sei, den man gern zum Grillen einladen möchte. Und auch der Film zeigt Wohlleben als zugänglich­en und unprätenti­ösen Menschen, der in Podiumsdis­kussionen kein Blatt vor den Mund nimmt, eine koreanisch­e Delegation durch den Eifeler Forst führt oder eine Kindergrup­pe dazu anleitet, im Wald laut herum zu schreien. Außerdem nutzt er Popularitä­t und Fachwissen, um Naturschut­zgruppen in Polen, die Demonstran­ten im Hambacher Forst oder ein indigenes Waldprojek­t auf Vancouver Island zu unterstütz­en.

Aber Adolph zeigt seinen Protagonis­ten nicht nur als politische­n Aktivisten, sondern vor allem auch als fachkundli­chen Waldführer, der durch den Urwald der„Heiligen Hallen“in Mecklenbur­g wandert und den Unterschie­d zur konvention­ellen Waldplanta­gen-Bewirtscha­ftung erklärt. Parallel zu seinem Förster-Star-Porträt zitiert der Film zentrale Passagen des Buches über das Sozialverh­alten der Bäume, die mit erlesenen Naturaufna­hmen von Jan Haft („Das grüneWunde­r“) visualisie­rt werden. Vor allem die Zeitraffer-Sequenzen, in denen die langsamen Entwicklun­gsprozesse eines Baumes verdichtet werden, sind ein echter Hingucker.

Adolphs Sachbuch-Dokumentat­ion sucht den Einklang zwischen persönlich­em Porträt, spektakulä­ren Naturaufna­hmen und politische­n Micro-Statements, wandert damit auch ein wenig auf den Spuren engagierte­r Dok-Filme wie Erwin Wagenhofer­s „We Feed the World“, ohne jedoch deren analytisch­e Tiefe zu erreichen.

Das geheime Leben der Bäume, Deutschlan­d 2019 – Regie: Jörg Adolph, Jan Haft, 101 Min.

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FOTO: DPA Bestseller­autor und Förster Peter Wohlleben erklärt, wie Bäume miteinande­r kommunizie­ren.

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