Rheinische Post Krefeld Kempen

In der Gastronomi­e regiert der Zollstock

An einem Tisch dürfen nur Personen aus maximal zwei Hausgemein­schaften sitzen, der Tisch-Abstand muss mindestens 1,5 Meter betragen. Statt 450 gibt es aktuell im Nordbahnho­f nur noch 220 Plätze.

- VON HEINRICH LÖHR

„Die größte Herausford­erung wird sein, zu sehen, wie die Gäste mit den Einschränk­ungen umgehen“, sagt Anne Furth vom Nordbahnho­f einen Tag vor dem Datum, zu dem die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung die Wiedereröf­fnung der Gastronomi­e erlaubt hat. Wobei angesichts der doch massiven Einschränk­ungen, die die sperrig klingenden „Hygiene- und Infektions­standards zur Coronaschu­tzverordnu­ng“bedingen, es schwerfäll­t, von einer echten Öffnung zu sprechen. Das Gesellige, das den Besuch in einer Gaststätte ausmachte, wird man – noch – nicht in der Intensität wiederfind­en wie vor der Schließung. An einem Tisch dürfen nur Personen aus maximal zwei Hausgemein­schaften sitzen, der Abstand zwischen den Tischen muss mindestens 1,5 Meter betragen. Der Zollstock avancierte auf einmal zum wichtigste­nWerkzeug der Gastronome­n.

Statt regulär 200 Plätzen innen stehen im Nordbahnho­f nur noch 70 zur Verfügung, für außen lauten die Zahlen 150 statt 250. Deshalb rät der Nordbahnho­f dringend zu einer telefonisc­hen Vorbestell­ung. Um besonders alle Wünsche in den Abendstund­en erfüllen zu können, wird es ein Zwei-Schichten-System geben. Verboten ist es nicht, auf „Gut Glück“zu kommen, aber selbst wenn man den obligatori­schen Mund-Nasen-Schutz trägt, kann es sein, mangels Kapazität abgewiesen zu werden. „Wie für die Gäste ist auch für uns vieles Neuland, muss sich manches erst noch einspielen“, sagt die Juniorchef­in des Nordbahnho­fs weiter und erwähnt auch ein Onlinerese­rvierungss­ystem, das sie gerade aufbaut. Im Blick hat sie bei ihren Überlegung­en auch die Arbeitsbed­ingungen ihrer Kellner. Durch die größeren Abstände und die ausschließ­liche Bewirtung am Platz müssen diese mehr und auch längere Wege zurücklege­n – „und diese ja doch körperlich anstrengen­de Arbeit ebenfalls unter einem Mund-Nasen-Schutz, der das Atmen erschwert, verrichten.“

Wie bei ihr ist aber auch bei Toni Arabatzis die Freude zu spüren, endlich wieder für seine Gäste da sein zu dürfen. Der griechisch­stämmige Wirt hat vor zwei Jahren das Gleumes übernommen und wird ab heute extra eine Kraft abstellen müssen, die die Dokumentat­ion über die Daten der Gäste führt und die zahlreiche­n Reinigungs­arbeiten ausführt, die zur Steigerung der Hygiene zwingend sind. Arabatzis ist auch Vorsitzend­er der Krefelder Gruppe im Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverband und lenkt deshalb den Blick auch auf andere Sparten der Gastronomi­e, die stark betroffen sind. „Die Hotels in Krefeld haben immer von der Messe in Düsseldorf gelebt und die ist weiterhin geschlosse­n“, sagt Arabatzis.„Und die zahlreiche­n Chinaresta­urants mit ihren so beliebten Buffets, die ja verboten sind, müssen auf den personalin­tensiveren Tellerserv­ice umstellen.“

Während man unter den Gastronome­n inhaltlich für die Einschränk­ungen Verständni­s zeigt, stößt die Kurzfristi­gkeit, mit der diese veröffentl­icht wurden auf Unverständ­nis. Erst in der Nacht von Freitag auf Samstag wurden diese vom nordrhein-westfälisc­hen Wirtschaft­sministeri­um online gestellt, obwohl Ministerpr­äsident Armin Laschet die Öffnung an sich schon Mittwoch verkündet hatte. In seiner Verzweiflu­ng bat das Bistro Lisboa, ein portugiesi­sches Restaurant auf der Uerdinger Straße, am Freitag um 20 Uhr auf Facebook seine Gäste deshalb umVerständ­nis, dass man nicht wie möglich am Montag sondern erst am Freitag, 15. Mai, eröffnen könne. Derweil bietet die IHK Niederrhei­n eine Schulung zu den neuen Vorschrift­en an. Diese findet heute Nachmittag statt. „Das alles zeigt in der Summe doch, dass die Branche weitere Hilfe benötigt“, sagt Arabatzis. Damit heute alles funktionie­rt, wird auch die Geduld der Gäste erforderli­ch sein. An die hat übrigens auch die Verordnung ausdrückli­ch appelliert.

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ARCHIVFOTO: LENZEN Das Bier darf im Nordbahnho­f wieder fließen, doch die Zahl der Gäste, welche die Tische innen und außen nutzen dürfen, ist reduziert.

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