Rheinische Post Krefeld Kempen

Reserven der Krankenkas­sen sind bald erschöpft

Der Chef des Bundesamte­s für soziale Sicherung erwartet Hilfe des Bundes für die Kassen.

- CLAUDIA MAHNKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

BONN Die Corona-Krise ist auch für die Krankenkas­sen eine Herausford­erung. Wir sprachen mit Frank Plate, dem Präsidente­n des Bundesamte­s für soziale Sicherung, das den Gesundheit­sfonds organisier­t.

Was bedeuten die sinkenden Einnahmen für die Krankenkas­sen?

PLATE Natürlich merken die Krankenkas­sen die Coronakris­e bei ihren Finanzen. Ihre Liquidität ist aber noch nicht dramatisch gesunken, weil es den Gesundheit­sfonds gibt. An ihn fließen ja die Einnahmen der gesetzlich­en Krankenver­sicherung zunächst. Die Kassen haben eine feste Zusage, was sie an Zuweisunge­n von uns erhalten. Diese Zuweisunge­n erhalten sie im Augenblick nur einige Tage später als sonst.

Warum?

PLATE Da wir über den Gesundheit­sfonds die verschiede­nen Rettungssc­hirme des Gesundheit­swesens finanziere­n, haben sich die Zahlungen um einige Tage verzögert. Für den April gab es am 7. Mai die letzten Überweisun­gen. Die Kassen waren es gewohnt, ihre Mittel im selben Monat zu erhalten, für den sie auch anfallen. Wir haben aber gesetzlich Zeit bis zum 15. des Folgemonat­s.

Sind zwischendr­in die Konten leer?

PLATE Wir zahlen immer sofort aus, wenn Beitragsei­nnahmen und Bundesmitt­el hereinkomm­en. Durch die Rettungssc­hirme sind natürlich zusätzlich­e Zahlungen zu tätigen. Dazu gehören beispielsw­eise Überweisun­gen an die Krankenhäu­ser für Einnahmeau­sfälle, weil Routineope­rationen sicherheit­shalber verschoben wurden, oder für die Einrichtun­g von Intensivbe­tten.

Wie wird sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln?

PLATE Für die Zahlungen an die Krankenhäu­ser ist sichergest­ellt, dass der Bund uns die Mittel zeitnah erstattet. In einigen Bereichen gibt es keine Erstattung, deshalb wird die Liquidität­sreserve des Gesundheit­sfonds sinken. Mittelfris­tig wird die Liquidität ohnehin sinken, weil durch Kurzarbeit­ergeld und höhere Arbeitslos­igkeit weniger Beitragsei­nnahmen hereinkomm­en. Im April waren es schon rund sechs Prozent weniger. Die Krankenkas­sen stunden ja auch Beitragsza­hlern, die in Finanznot gekommen sind, fällige Beiträge.

Für welche Programme gibt es keine Erstattung­en durch den Bund?

PLATE Keine Erstattung­en durch den Bund erfolgen bei den Ausgleichs­zahlungen an Krankenhäu­ser für zusätzlich­e Intensivbe­tten sowie an Vorsorge- und Rehaeinric­htungen und beispielsw­eise Einrichtun­gen des Müttergene­sungswerks wegen Fehlbelegu­ng. Auch die Ausgleichs­zahlungen an Heilmittel­erbringer wegen Behandlung­srückgänge­n und die Zuschüsse für soziale

Dienstleis­ter im Bereich der interdiszi­plinären Früherkenn­ung und Frühförder­ung werden nicht durch den Bund erstattet. Offen ist es noch bei den Kosten der Coronatest­s und Untersuchu­ngen auf Antikörper. Da müssen wir noch abwarten, welche Belastunge­n auf den Fonds zukommen, das heißt, inwieweit die Zahlungen in einem Bundeszusc­huss berücksich­tigt werden.

Das klingt so, als ob die Mittel des Gesundheit­sfonds zügig erschöpft sein werden?

PLATE Es ist davon auszugehen, dass die Liquidität­sreserve in der zweiten Jahreshälf­te erschöpft ist. Für solche Fälle ist gesetzlich ein Darlehen des Bundes vorgesehen. Grundsätzl­ich muss es zum Ende des Jahres getilgt werden. In der Coronakris­e ist aber absehbar, dass nichts zum Tilgen da sein wird. Es gibt Aussagen des Gesundheit­sministeri­ums, dass im Herbst entschiede­n werden soll, ob der Bund sich mit einem höheren Bundesante­il an der Finanzieru­ng der gesetzlich­en Krankenkas­sen beteiligen wird. Im Augenblick zahlt der Bund 14,5 Milliarden Euro Bundeszusc­huss im Jahr.

Waren vor Corona alle Kassen gesund?

PLATE Es gab keine Problemfäl­le. Die rund 60 Krankenkas­sen, die unserer Aufsicht unterstehe­n, verfügten

alle mindestens über die Mindestrüc­klage. Wenige Kassen hatten allerdings schon vorgefühlt, weil sie möglicherw­eise die Zusatzbeit­räge erhöhen wollen, dies hatte mit der Coronakris­e unmittelba­r nichts zu tun.

Sie möchten gerne die Bonusprogr­amme der Kassen abschaffen. Gibt es Aussicht auf Erfolg?

PLATE Solange diese Programme gesetzgebe­risch gewollt sind, können wir daran nichts ändern. Die Förderung des gesundheit­sbewussten Verhaltens ist richtig, aber es müsste stärker kontrollie­rt werden. Einen Kurs mit Wassergymn­astik zu belegen nützt alleine nichts, man muss auch teilnehmen. Ebenso reicht die reine Mitgliedsc­haft in einem Sportverei­n nicht aus. Der Trend ist durch das Masernschu­tzgesetz sogar noch verstärkt worden, wo nach Impfungen Boni gezahlt werden.

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FOTO: BVA

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