Rheinische Post Krefeld Kempen
Reserven der Krankenkassen sind bald erschöpft
Der Chef des Bundesamtes für soziale Sicherung erwartet Hilfe des Bundes für die Kassen.
BONN Die Corona-Krise ist auch für die Krankenkassen eine Herausforderung. Wir sprachen mit Frank Plate, dem Präsidenten des Bundesamtes für soziale Sicherung, das den Gesundheitsfonds organisiert.
Was bedeuten die sinkenden Einnahmen für die Krankenkassen?
PLATE Natürlich merken die Krankenkassen die Coronakrise bei ihren Finanzen. Ihre Liquidität ist aber noch nicht dramatisch gesunken, weil es den Gesundheitsfonds gibt. An ihn fließen ja die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zunächst. Die Kassen haben eine feste Zusage, was sie an Zuweisungen von uns erhalten. Diese Zuweisungen erhalten sie im Augenblick nur einige Tage später als sonst.
Warum?
PLATE Da wir über den Gesundheitsfonds die verschiedenen Rettungsschirme des Gesundheitswesens finanzieren, haben sich die Zahlungen um einige Tage verzögert. Für den April gab es am 7. Mai die letzten Überweisungen. Die Kassen waren es gewohnt, ihre Mittel im selben Monat zu erhalten, für den sie auch anfallen. Wir haben aber gesetzlich Zeit bis zum 15. des Folgemonats.
Sind zwischendrin die Konten leer?
PLATE Wir zahlen immer sofort aus, wenn Beitragseinnahmen und Bundesmittel hereinkommen. Durch die Rettungsschirme sind natürlich zusätzliche Zahlungen zu tätigen. Dazu gehören beispielsweise Überweisungen an die Krankenhäuser für Einnahmeausfälle, weil Routineoperationen sicherheitshalber verschoben wurden, oder für die Einrichtung von Intensivbetten.
Wie wird sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln?
PLATE Für die Zahlungen an die Krankenhäuser ist sichergestellt, dass der Bund uns die Mittel zeitnah erstattet. In einigen Bereichen gibt es keine Erstattung, deshalb wird die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds sinken. Mittelfristig wird die Liquidität ohnehin sinken, weil durch Kurzarbeitergeld und höhere Arbeitslosigkeit weniger Beitragseinnahmen hereinkommen. Im April waren es schon rund sechs Prozent weniger. Die Krankenkassen stunden ja auch Beitragszahlern, die in Finanznot gekommen sind, fällige Beiträge.
Für welche Programme gibt es keine Erstattungen durch den Bund?
PLATE Keine Erstattungen durch den Bund erfolgen bei den Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser für zusätzliche Intensivbetten sowie an Vorsorge- und Rehaeinrichtungen und beispielsweise Einrichtungen des Müttergenesungswerks wegen Fehlbelegung. Auch die Ausgleichszahlungen an Heilmittelerbringer wegen Behandlungsrückgängen und die Zuschüsse für soziale
Dienstleister im Bereich der interdisziplinären Früherkennung und Frühförderung werden nicht durch den Bund erstattet. Offen ist es noch bei den Kosten der Coronatests und Untersuchungen auf Antikörper. Da müssen wir noch abwarten, welche Belastungen auf den Fonds zukommen, das heißt, inwieweit die Zahlungen in einem Bundeszuschuss berücksichtigt werden.
Das klingt so, als ob die Mittel des Gesundheitsfonds zügig erschöpft sein werden?
PLATE Es ist davon auszugehen, dass die Liquiditätsreserve in der zweiten Jahreshälfte erschöpft ist. Für solche Fälle ist gesetzlich ein Darlehen des Bundes vorgesehen. Grundsätzlich muss es zum Ende des Jahres getilgt werden. In der Coronakrise ist aber absehbar, dass nichts zum Tilgen da sein wird. Es gibt Aussagen des Gesundheitsministeriums, dass im Herbst entschieden werden soll, ob der Bund sich mit einem höheren Bundesanteil an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen beteiligen wird. Im Augenblick zahlt der Bund 14,5 Milliarden Euro Bundeszuschuss im Jahr.
Waren vor Corona alle Kassen gesund?
PLATE Es gab keine Problemfälle. Die rund 60 Krankenkassen, die unserer Aufsicht unterstehen, verfügten
alle mindestens über die Mindestrücklage. Wenige Kassen hatten allerdings schon vorgefühlt, weil sie möglicherweise die Zusatzbeiträge erhöhen wollen, dies hatte mit der Coronakrise unmittelbar nichts zu tun.
Sie möchten gerne die Bonusprogramme der Kassen abschaffen. Gibt es Aussicht auf Erfolg?
PLATE Solange diese Programme gesetzgeberisch gewollt sind, können wir daran nichts ändern. Die Förderung des gesundheitsbewussten Verhaltens ist richtig, aber es müsste stärker kontrolliert werden. Einen Kurs mit Wassergymnastik zu belegen nützt alleine nichts, man muss auch teilnehmen. Ebenso reicht die reine Mitgliedschaft in einem Sportverein nicht aus. Der Trend ist durch das Masernschutzgesetz sogar noch verstärkt worden, wo nach Impfungen Boni gezahlt werden.