Rheinische Post Krefeld Kempen
Covid 19: Helios hofft auf Plasma-Therapie
Das Helios Klinikum ist Teil einer Forschungsstudie: Mit einer Antikörpertherapie soll der Verlauf von Covid 19 abgemildert werden. Spender, die die Krankheit überwunden haben, werden gesucht.
Fast 1600 Menschen in NRW sind bisher an Covid 19 gestorben. Bis Mittwoch Mittag lag die Zahl der registrierten Infektionen bei 37.298. Ein Gegenmittel gegen das Coronavirus gibt es bisher ebenso wenig wie ein Impfserum. Aber: Wer die Krankheit hinter sich hat, kann helfen, dass Andere sie besser überstehen. So einfach ist die Formel für Antikörpertherapie. Als eine von wenigen Kliniken in Nordrhein-Westfalen betritt Helios Neuland und möchte Covid-19-Patienten diese Therapie anbieten. Sie ist kein Wundermittel, aber sie gibt Hoffnung in der Pandemie.
„Die Anwendung der Antikörpertherapie mittels Blutplasma-Transfusion ist sinnvollerweise in eine wissenschaftliche Studie eingebettet. Wir bereiten hier in Krefeld aktuell die Teilnahme an einer Kölner Studie vor, die die Transfusion für über 65-Jährige definiert“, sagt Dr. Udo Voelker, Leitender Arzt der Transfusionsmedizin am Helios Klinikum Krefeld. „Es werden sowohl mittlere als auch schwere Krankheitsverläufe behandelt, um an vergleichende Daten zu gelangen. Die Studie zielt auf wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ab und will zusätzliche Behandlungsoption bei unterschiedlichen Krankheitsverläufen eröffnen – beides wichtige Gründe, warum wir uns für die Teilnahme daran entschieden haben.“
Von einer Erfolgsquote redet noch niemand. Denn die Forschung steht erst am Anfang. Aus Korea kommen positive Berichte, und in Bayern, wo mehrere Uni-Kliniken seit einigen Wochen in enger Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsministerium die Antikörpertherapie für Covid-19-Betroffene einsetzen, kommen hoffnungsvolle Signale. An der Uniklinik Essen ist die Studie ebenfalls angelaufen. Dort werden mehrere Schwerstkranke zwischen 26 und 66 Jahren mit Antikörpern behandelt.
Im Blut derjenigen, die eine CovidKrankheit bereits überstanden haben, haben sich Antikörper gebildet. Das sind vom Immunsystem produzierte Eiweißmoleküle, die an das Virus andocken und es bekämpfen. Diese Antikörper im Blutplasma werden bei der Blutspende gewonnen und können den Kranken transfundiert werden. „Die Bildung von Antikörpern ist individuell sehr verschieden. Wir machen vor der Spende einen Antikörpertest auf das Corona-Virus. Gibt der ein hohes Signal ab, sind ausreichend Antikörper vorhanden, so dass eine Blutplasmaspende hilfreich ist“, erklärt Voelker. „Die dafür notwendige Infrastruktur ist bei uns vorhanden: eine Blutbank, erfahrene Transfusionsmediziner und ausreichend Laborfachkräfte“, sagt eine Sprecherin der Klinik.
Das neunköpfige Team der Abteilung Blutspende aus Transfusionsmedizinern und medizinischem Fachpersonal übernimmt die Aufgabe der Plasmagewinnung und -lagerung.„Die therapeutische Anwendung wird durch die Mediziner auf den Stationen erfolgen“, erklärt Voelker.
Das Verfahren ist für die Spender einfach – wie beim Blutspenden. Allerdings wird das Plasma separiert. Die festen Bestandteile des Bluts, die Blutkörperchen, werden dem Spender in einer aufbereiteten Kochsalzlösung zurückgeführt. 45 Minuten dauert die Prozedur, die den Körper weniger anstrenge als eine herkömmliche Blutspende. Deshalb könne nach sechs bis sieben Tagen Pause erneut Plasma gespendet werden.
Der Spender soll erwachsen sein, muss eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht haben und mindestens vier Wochen lang symptomfrei sein. Frauen nach der Schwangerschaft eignen sich nicht als Spender, weil sich in ihrem Blut
möglichweise Antikörper gegen andere Blutgruppen gebildet haben können, die ein Risiko für den Erkrankten darstellen, erklärt der Arzt.
Etwa 750 Milliliter Plasma gewinnen die Mediziner pro Spende, das reicht für bis zu drei Patienten. Für eine Prognose sei es allerdings noch zu früh, weil die Erfahrungswerte erst gesammelt werden müssen. Aber Voelker betont: „Die Antikörpertherapie ist nicht gleichzusetzen mit einer Impfung. Sie ist keine vorbeugende Schutzmaßnahme, sondern vielmehr eine reine Therapieoption – neben möglichen anderen.“
Antikörpertherapie ist keine neue wissenschaftliche Errungenschaft. Emil von Behring hat 1901 das Blut von Genesenen eingesetzt, um Diphtherie-Kranke zu behandeln. „Behring hat den allerersten Nobelpreis für Medizin für die Erfindung der Serum-/Plasmatherapie“erhalten, sagt der Transfusionsexperte. „Schon bei der Spanischen Grippe im Jahr 1918 wurde sie erfolgreich eingesetzt.“Und auch gegen Ebola 2014/15 inWestafrika war sie probates Mittel.