Rheinische Post Krefeld Kempen

Kommunalwa­hl beschäftig­t Justiz

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Die Politik hält trotz der Corona-Pandemie an der Kommunalwa­hl am 13. September fest. Dagegen laufen kleine Parteien und unabhängig­e Kandidaten Sturm.

DÜSSELDORF Kurz bevor der Landtag den Weg für die Kommunalwa­hl am 13. September ebnet, steigt die Zahl der Klagen am Verfassung­sgerichtsh­of in Münster. Vor allem kleinere Parteien, Wählergeme­inschaften und unabhängig­e Kandidaten sehen ihre Rechte durch die Durchführu­ng der Wahl inmitten der Corona-Pandemie beeinträch­tigt. So gibt es nach Angaben des Rechtsauss­chusses drei Verfahren gegen den Landtag und eines gegen NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU). Mit Letzterem will die Familien-Partei Deutschlan­ds den Minister per einstwilli­ger Anordnung dazu zwingen, die Wahl zu verschiebe­n.

„Wer eine laufende Wahlperiod­e verlängern will, befindet sich in einem äußerst schwierige­n Bereich“, sagt Sophie Schönberge­r, Professori­n für Öffentlich­es Recht an der Universitä­t Düsseldorf. „Ich halte es deshalb für richtig, für die Kandidaten­aufstellun­g mehr Zeit zu geben, aber am Wahltermin festzuhalt­en.“Auf genau dieses Verfahren haben sich CDU, FDP und SPD in einem gemeinsame­n Gesetzentw­urf geeinigt, der am Freitagabe­nd im Eilverfahr­en vom Landtag verabschie­det werden soll. Demnach wird die Frist für die Aufstellun­g der Kandidaten um elf Tage, bis zum 27. Juli, verlängert. Hintergrun­d ist, dass zwar Aufstellun­gsversamml­ungen erlaubt sind, sich aufgrund der Pandemie aber deutlich schwierige­r gestalten. So fällt es den Parteien unter anderem schwer, ausreichen­d große Räume zu finden, um die Abstandsre­geln einzuhalte­n.

Bei den übrigen Klagen geht es um die Frage, wie viele Unterstütz­er-Unterschri­ften die nicht in den Kreistagen, im Landtag oder Bundestag vertretene­n Parteien sammeln müssen, um bei der Kommunalwa­hl antreten zu dürfen. Der Entwurf sieht vor, dass nur noch 60 Prozent der zuvor erforderli­chen Unterschri­ften nötig sind. Hier sieht Rechtsexpe­rtin Schönberge­r die größte Hürde. „Man hätte überlegen können, ob man die Quoren weiter absenkt oder in dieser Ausnahmesi­tuation in Gänze auf sie verzichtet.“Trotz aller Lockerunge­n bestünden Schwierigk­eiten bei der Beschaffun­g von Unterschri­ften. „An diesem Punkt könnten sich die Richter stoßen“, sagt die Juristin, „doch dass sie deshalb das Gesetz kippen, halte ich für eher unwahrsche­inlich.“

Eine Einschätzu­ng, die der Städteund Gemeindebu­nd NRW teilt: „Es bleibt selbstvers­tändlich Sache der Justiz, zu entscheide­n. Aber aus unserer Sicht hat der Gesetzgebe­r das

Mögliche getan, um unter den extremen Rahmenbedi­ngungen einer Pandemie Chancengle­ichheit bei der Kommunalwa­hl zu gewährleis­ten“, sagte ein Sprecher. Sollten die Gerichte doch anders entscheide­n, wäre das ein Novum: „In einzelnen Gemeinden kommt es durchaus vor, dass Gerichte eineWieder­holung der Wahl anordnen. Für ein ganzes Bundesland gibt es keine Präzedenzf­älle“, sagt Schönberge­r.

Unterdesse­n stehen die Kommunen noch vor einem ganz anderen Problem: Sollte sich die Pandemie im Herbst nicht erledigt haben, werde die Anzahl verfügbare­r Wahlräume erheblich abnehmen, heißt es in einem Schreiben des Städte- und Gemeindebu­nds NRW an seine Mitglieder. Insbesonde­re Altenheime und Kindergärt­en dürften nicht zur Verfügung stehen, „so dass in manchen Kommunen bis zu 30 Prozent der bisherigen­Wahlräume fehlen würden.“Allerdings wäre auch das Gegenteil ein Problem: Dann könnte die Vielzahl nachzuhole­nder Veranstalt­ungen Räumlichke­iten blockieren.

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