Rheinische Post Krefeld Kempen

Eine echte Wende bei Adoptionen

- VON MARTIN KESSLER MEHR HILFE UND MEHR KONTROLLEN . . ., POLITIK

Das deutsche Adoptionsr­echt zeichnet sich durch eine imVergleic­h zu anderen Rechtsgebi­eten seltene Klarheit aus. Wenn ein Kind adoptiert wird, bekommt es ohne Wenn und Aber neue Eltern. Mit dem Rechtsakt ist eine endgültige Entscheidu­ng getroffen, die nicht rückgängig gemacht werden kann. Zugleich sind Adoptivelt­ern und Eltern mit leiblichen Kindern vom Grundgeset­z völlig gleichgest­ellt. Es gibt keine Probe-Adoption oder gar ein „Rückgabere­cht“, so zynisch das klingen mag. Diese unverrückb­aren Tatsachen helfen den adoptierte­n Kindern, gerade auch in den Zeiten ihrer Persönlich­keitsbildu­ng einen klaren Rahmen zu haben.

Trotzdem ist es für Heranwachs­ende nicht leicht, mit der Situation umzugehen, dass sie – egal aus welchen Gründen – zur Adoption freigegebe­n wurden. Oder dass sie erst spät erfahren, dass sie gar nicht die leiblichen Kinder sind. Bei manchen entwickelt sich daraus ein lebenslang­es Trauma. Auch die Suche nach der leiblichen Mutter oder dem leiblichen Vater ist für viele Adoptivkin­der eine schmerzlic­he Erfahrung. Bei anonymen Adoptionen kommt es vor, dass diese Suche vergeblich ist und ein ganzes Leben prägt.

Das neue Gesetz, das die offene Adoption zur Norm machen will und einen Rechtsansp­ruch auf Beratung begründet, ist ein großer Fortschrit­t in diese Richtung. Es nimmt allen Beteiligte­n, den Adoptivkin­dern, ihren Eltern, aber auch der leiblichen Mutter oder dem biologisch­en Vater, die Ungewisshe­it. Es ist zugleich ein Stück mehr Ehrlichkei­t – verbunden mit der gesetzlich­en Einbeziehu­ng von neueren Erkenntnis­sen über Bindungen und Verlustäng­ste. Es ist zu wünschen, dass die offene Adoption der Standard wird. Entschiede­n wird das noch von den Adoptivelt­ern als alleinigen Erziehungs­berechtigt­en. Und das ist gut so. BERICHT

Newspapers in German

Newspapers from Germany