Rheinische Post Krefeld Kempen

Urlaub 2020 – was Leser wissen wollen

Reise-Experten beantworte­ten bei einer Telefonakt­ion Fragen. Viele Leser sorgen sich und würden ihren Urlaub gerne noch absagen. Andere wollten wissen, wie sie an Geld für stornierte Reisen kommen.

- REINHARD KOWALEWSKY FASSTE DIE ANTWORTEN ZUSAMMEN

Das Interesse an der zweistündi­gen Telefonakt­ion zum Thema Reise war riesig, einige Leser schickten ihre Anliegen per Mail, weil sie telefonisc­h nicht durchkamen. Marija Linnhoff (Verband unabhängig­er Reisebüros), Michael Sittig (Stiftung Warentest), Klaus Heimgärtne­r (ADAC), Ute Dallmeier (First Reisebüro) und Hubert Kluske (Tui) beantworte­ten die Fragen.

Die niederländ­ische Airline KLM hat meinen Flug von Amsterdam nach Sankt Petersburg am 3. Juli 2020 annulliert. Bis heute hat sie mir nicht den Ticketprei­s erstattet, sondern nur einen Gutschein angeboten.Was kann ich tun?

Sie müssen den Gutschein nicht akzeptiere­n. Nach Artikel 8 der europäisch­en Fluggastre­chteverord­nung haben Sie Anspruch auf die vollständi­ge Erstattung der Ticketkost­en. Die Verbrauche­rzentralen bieten online einen Musterbrie­f an, mit dem Sie die Erstattung einfordern können. Schicken Sie diesen Brief per Einwurfein­schreiben an die Fluggesell­schaft. Überweist die Airline innerhalb der im Brief gesetzten siebentägi­gen Frist nicht, sollten Sie sich bei der Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr beschweren (www.soep-online. de). Sollte die KLM einen Schlichter­spruch zu Ihren Gunsten nicht akzeptiere­n (was unüblich wäre), können Sie die Airline immer noch verklagen oder ein Fluggastre­chte-Portal wie EUclaim beauftrage­n.

Für August habe ich bei einem Reiseveran­stalter eine Pauschalre­ise in die Türkei gebucht (Flug plus Hotel). Ich bin 76 Jahre alt und habe Angst, mich anzustecke­n. Kann ich kostenfrei stornieren?

Die Angst selbst berechtigt nicht zum kostenlose­n Storno. Kostenfrei­er Rücktritt ist nur möglich, wenn am Urlaubsort oder in dessen unmittelba­rer Nähe unvermeidb­are und außergewöh­nliche Umstände auftreten, die die Reise erheblich beeinträch­tigen. Eine Reisewarnu­ng vom Auswärtige­n Amt kann ein Indiz für eine solche erhebliche Beeinträch­tigung sein. Die weltweite Reisewarnu­ng gilt derzeit aber nur bis zum 14. Juni. Behalten Sie im Blick, was das Amt auf seiner Internetse­ite für die Zeit danach sagt. Wird für Ihre Urlaubspha­se ab Ende August eine Reisewarnu­ng für die Türkei ausgesproc­hen, ist eine kostenlose Stornierun­g möglich. Auch hier gilt: Einen Gutschein des Reiseveran­stalters müssen Sie nicht akzeptiere­n.

Ich habe eine Pauschalre­ise für Juli gebucht. Jetzt will der Veranstalt­er die noch offene Restzahlun­g überwiesen haben. Soll ich das tun?

Wenn Sie bereit sind, die Urlaubsrei­se anzutreten, aber noch abwarten wollen, wie sich die Situation entwickelt, sollten Sie denVeranst­alter um einen Aufschub der Restzahlun­g bitten. Einige Veranstalt­er haben von sich aus bereits die Termine für die Restzahlun­g nach hinten verschoben. Wenn Ihr Veranstalt­er das nicht getan hat und auch auf Ihre Bitte nicht positiv reagiert, können Sie per Musterbrie­f eine„Unsicherhe­itseinrede“erheben. Die Folge: Erst wenn kurz vor der Reise absehbar ist, dass die Reise stattfinde­t, müssen Sie die Restzahlun­g leisten. Fällt die Reise ins Wasser, ist die Restzahlun­g hinfällig. Außerdem muss der Veranstalt­er die Anzahlung erstatten.

Muss ich eine Pauschalre­ise antreten, die erst in einigen Wochen/Monaten stattfinde­n soll, wenn ich

große Bedenken habe?

Derzeit ist nicht abschätzba­r, wie die Situation am Urlaubsort in den nächsten Wochen aussehen wird. Daher sollte man bis zehn bis 14 Tage vor Reisebegin­n abwarten. Je massiver die Einschränk­ungen der Reiseleist­ungen dann sind und je höher die Ansteckung­szahlen vor Ort, desto eher wird eine Kündigung der Reise wegen außergewöh­nlicher Umstände in Betracht kommen. Dann besteht ein Anspruch auf vollständi­ge Rückzahlun­g des Reisepreis­es.Wer allerdings storniert, also sich einseitig oder „grundlos“vom Vertrag lösen will, muss in der Regel signifikan­te Stornogebü­hren zahlen. Bei einer Erklärung an den Reiseveran­stalter sollte man also darauf achten, was man schreibt.

Ich habe ein Ferienhaus im Ausland gemietet. Kann ich das wegen Corona kostenfrei kündigen?

Bei Anmietunge­n im Ausland findet deutsches Recht nur Anwendung, wenn der Vertrag eine entspreche­nde Rechtswahl­klausel enthält. Ansonsten gilt ausländisc­hes Recht, auch wenn der Vertrag über eine Internet-Plattform geschlosse­n wurde. In zahlreiche­n EU-Mitgliedst­aaten legen die Anbieter/Vermieter selbst fest, ob die Mietobjekt­e kostenlos storniert werden dürfen, ob Stornogebü­hren fällig werden oder ob der komplette Betrag bezahlt werden muss.

Vorrangig sind die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen der Vermieter maßgeblich. Ob Abweichung­en zur deutschen Rechtslage bestehen, muss im Streitfall mit einem Anwalt geklärt werden.

Und bei einem Haus hierzuland­e?

Nach deutschem Recht ist eine kostenfrei­e Kündigung nicht ohne weiteres vorgesehen. Nur wenn die Mietsache nicht wie vereinbart bereitgest­ellt wird, kann der Vertrag deswegen gekündigt werden. Die Gefahr durch Corona allein ist kein Kündigungs­grund. So etwas kann als außergewöh­nlicher Umstand nur im Pauschalre­iserecht geltend gemacht werden.

Ich habe für Juli separat einen Eurowings-Flug nach Florida und ein Haus gebucht. Was nun?

Wir raten, die am 15. Juni anstehende Differenzi­erung der Reisewarnu­ng des Auswärtige­n Amtes und die Entscheidu­ngen der USA im Auge zu halten. Möglicherw­eise wird die Fluggesell­schaft fliegen, so dass in der Praxis maximal umgebucht, aber nicht kostenfrei storniert werden kann. Das Ferienhaus kann bei noch andauernde­m Einreisest­opp der US-Behörden kostenfrei storniert werden.

Wir haben geplatzte Eurowings-Tickets über das Vermittlun­gsportal Opodo gebucht. Was nun?

Einzige Chance ist, bei Eurowings eine Erstattung durch kontinuier­liches Nachfragen zu bewirken, wobei das Geld zuerst an Opodo erstattet wird. Dann muss man Opodo unter Druck setzen. Im Zweifelsfa­ll muss der Kunde einen Anwalt einschalte­n und Eurowings zuerst verklagen, dann Opodo.

Ich habe für Ende Juni eine Pauschalre­ise nach Griechenla­nd gebucht. Kann ich kostenlos stornieren?

Da die Reisewarnu­ng höchstwahr­scheinlich aufgehoben wird, können Sie leider nur nach den Bedingunge­n (AGB) des Reiseveran­stalters stornieren. Viele Veranstalt­er bieten aber kostenlose Umbuchunge­n auf spätere Termine oder Ziele an, zum Teil aber auch Gutscheine für spätere Reisen. Umbuchunge­n sind nach der Pauschalre­iserichtli­nie gegen eine Insolvenz des Reiseveran­stalters abgesicher­t. Gutscheine sind aktuell noch nicht versichert, aber die Bundesregi­erung will eine Absicherun­g organisier­en.

Ich will eine Kreuzfahrt im September stornieren. Was nun?

LINNHOFF Wenn die Kreuzfahrt schon abgesagt wurde, können Sie den Reisepreis zurückford­ern. Lieber bieten aber alle Kreuzfahrt­firmen einen Gutschein, oft mit Bonusleist­ungen. Sie können aber auf Erstattung bestehen. Bei einer

Kreuzfahrt, die noch nicht storniert wurde, kann nur gegen Gebühren storniert werden. Eine kostenfrei­e Stornierun­g ist nur möglich, wenn außergewöh­nliche Umstände auftreten. Das muss ein Anwalt klären oder die Verbrauche­rzentrale. Sollte die Durchführu­ng ungewiss sein, können Sie sich womöglich aber auf die Unsicherhe­itseinrede berufen und weitere Zahlungen verweigern.

Kann ich diesen Sommer vom Tui-Vertrag zurücktret­en, weil die Corona-Krise zu schlechter­em Service führen kann?

Wir bereiten unsere Hotels und die Freizeitak­tivitäten in den Urlaubszie­len auf die veränderte Situation vor und gehen nicht von großen Leistungse­inschränku­ngen aus. Im Moment wird es eben keine Fußballtur­niere für Gruppen geben, eher individuel­le Sportangeb­ote. Im Bereich der Verpflegun­g werden eher A-la-carte-Angebote die Regel sein als Buffets – für viele Urlauber ist dies vielleicht ja auch gar keine Einschränk­ung. Und eine Maske muss ich am Strand auch nicht tragen. Wer aber lieber seinen Sommerurla­ub zwischen dem 15.6 bis 31.8.2020 verschiebe­n möchte, kann dies kostenfrei tun.

Wird Urlaub 2020 teurer?

KLUSKE Grundsätzl­ich haben alle wichtigen Länder viel freie Kapazität. Das sorgt für günstige Angebote und der Süden Europas ist vom Standard der Sicherheit und vom Preis her attraktiv. Wer bis zum 30. Juni 2020 bei uns Sommer- oder Winterurla­ub bucht, kann bis zwei Wochen vor Abreise kostenlos stornieren. Damit haben Urlauber eine kostenlose Vollkaskov­ersicherun­g.

Wann öffnen Staaten für Touristen?

Zypern, Portugal, Griechenla­nd und die Balearen sind dabei, sich vorzuberei­ten. Für Griechenla­nd und Spanien ist der 1. Juli offiziell für ankommende Urlauber avisiert, es könnte aber schon früher losgehen. Österreich, Kroatien und Bulgarien sind ebenfalls vorn dabei.

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FOTO: ISAAC BUJ/DPA Badegäste liegen an einem Strand in Palma de Mallorca.

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