Rheinische Post Krefeld Kempen
Schätze des Art Déco fürs Textilmuseum
Das französische Multitalent Éduard Bénédictus hat in den 1920er Jahren wundervolle und farbenprächtige Kunstblätter kreiert. Das Textilmuseum besitzt eine Mappe mit dem Titel „Variations“. Pfingsten ist sie in der Ausstellung „Zeitkolorit“erstmals zu sehen.
Mit 16 Blättern aus einer Künstlermappe hat das Deutsche Textilmuseum (DTM) seine laufende Ausstellung „Zeitkolorit“um einen farbenprächtigen Beitrag ergänzt. Die Mappe „Variations“wurde vom französischen Multitalent Éduard Bénédictus geschaffen und erschien 1923 oder 1924.Von der zweiten Auflage (1926) besitzt das Textilmuseum ein Exemplar. „Wir hatten das Glück, sie 2009 aus privatem Besitz erwerben zu können“, berichtet Isa Fleischmann-Heck, stellvertrente Museumsleiterin. „Wir sind stolz, diese Blätter zu besitzen. Mit der erstmaligen Präsentation dieser Mappe können wir in der Ausstellung einen Blick auf Frankreich werfen und die künstlerische Richtung ‚Art Déco‘ thematisieren.“
Denn auch bei den Arbeiten des Bénédictus geht es um Farbenpracht und Mode, um Färben und Stoffe. In seiner Mappe „Variations“sind 20 Blätter versammelt, davon sind 16 auf vier Tablaren angeordnet. Sie sind – fast 100 Jahre nach ihrem Entstehen – immer noch von strahlender Farbkraft. Auf jeder Tafel sind verschiedene Muster miteinander kombiniert. Auch die Anordnung der Entwürfe variiert: Einmal ist ein Medaillon in der Mitte, von vier anderen mit ausgeschnitten Viertelkreisen umgeben; mal sind es vier gleichgroße Rechtecke; mal sind es fünf Stücke von je unterschiedlichem Zuschnitt.
Von gleicher Variationsbreite sind die Farben und Formen. Auf einem Blatt sind pastellige Ackerwinden voll erblüht, mit feinen Rändern an den Blütenblättern. Woanders sind es orangefarbene Tulpen, verschattete Blätter oder opulente Bordüren. Ein Entwurf zeigt ein japanisch anmutendes bambusfarbenes Gitternetz vor Hellgrün, ein anderer geometrische Muster mit viel Abstraktion.
Besonders ist die Technik, mit der diese Blätter gefertigt wurden. Der Künstler Éduard Bénédictus hat die Gouachen geschaffen, die dann in verkleinerter Form für die Kunstmappen in Schablonentechnik (pochoir) auf feinstes Papier aus englischer Fabrikation gebracht wurden. Zwei Berufe waren damit beschäftigt. Die Schablonierer schnitten mit einem Skalpell die Vorlagen aus hauchdünnem Zinkoder Kupferblechen: „Ein Entwurf kann durchaus 20 Farben auf sich vereinen, dann braucht man auch 20 Schablonen“, sagt Isa Fleischmann-Heck. Im zweiten Schritt wurde die jeweilige Farbe durch die freigeschnittenen Stellen der Schablone getupft. „In jenen Jahren existierten 30 Ateliers, die diese Kunst beherrschten.“Die Mappe war als Inspirationsquelle gedacht, für Innenausstattung und für Web- und
Druckvorlagen.
Auf einigen Blättern sind feinglänzendes Silberhöhungen aufgetragen: Diese Elemente sollten in Kunstseide hergestellt werden, die ja stärker glänzte. Käufer dieser wunderschönen luxuriösen Mappen waren Seidenfabrikanten oder auch die Tapetenindustrie im Elsass.
Éduard Bénédictus wurde 1878 geboren. Über seine Ausbildung sei kaum etwas bekannt, so Fleischmann-Heck. Ende des Jahrhunderts war er als Student der Chemie in Darmstadt eingeschrieben.
Man kann davon ausgehen, dass hier der Grund für sein Verständnis für Farben und Färben von natürlichen und synthetischen Stoffen gelegt wurde. Zurück in Paris wandte er sich dem Entwerfen zu, nachdem er noch zu Beginn des Jahrhunderts ein Sicherheitsglas erfunden hatte, das ihm einen Orden einbrachte. Er hat Bühnenkostüme und -bilder für Shakespeares Widerspenstige oder für Scheherazades Nächte entworfen, er hat üppige Interieurs geschaffen und überall verknüpft er Farben und Formen zu lebendigen, auch kontrastreichen Arbeiten. Das „Musée des Arts décoratif“in Paris nennt ihn „mage, inventeur, peintre, dramatiste“, also einen „Zauberer, Erfinder, Zeichner und Dramatiker“, dessen Entwürfe sein Vergnügen Freude an der Vermählung von Farben und Motiven wiederspiegelten. 16 Blätter aus der MappeVariations des Éduard Bénédictus sind nun erstmals im DTM zu sehen und bilden eine reiche Ergänzung zur Ausstellung. „Wir haben erstmals über Pfingsten geöffnet“, sagt Museumsdirektorin Annette Schieck, „und freuen uns, diesen Schatz zu zeigen.“
Özge Kabukcu
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