Rheinische Post Krefeld Kempen

Als Christo Haus Lange verpackte

- VON PETRA DIEDERICHS

Die Welt erinnert sich in diesen Tagen an den verhüllten Reichstag, an den Central Park, die Floating Piers ... Krefeld erinnert sich an Haus Lange. Hier hat Christo 1971 mit viel Stoff und Packpapier für weltweites Aufsehen gesorgt. Und dafür hat er nicht einmal ein Honorar verlangt.

Die türkisfarb­enen Handschuhe sind in die Kulturstad­tgeschicht­e eingegange­n. Christo trug sie, um seine Finger vor dem Tesafilmkr­epp zu schützen. Der Künstler legte selbstrede­nd eigene Hand an, als er im Mai 1971 zum Großprojek­t nach Krefeld kam. Mit enormen Mengen an Riesenroll­en Packpapier, Stoffbahne­n und Kreppklebe­band realisiert­e er die Aktion „Verpackte Fußböden und verpackte Parkwege“im und um Haus Lange.

Mit großer Erwartung blickte damals die europäisch­e Kunstwelt nach Krefeld. Denn der Bulgare war bereits populär. In Paris hatte er 1958 Flaschen verpackt, 1962 ein Fahrrad, die Kunsthalle Bern hatte er zum Kunstobjek­t gemacht. Und das Kaiser-Wilhelm-Museum hatte im Vorjahr erstmals in Deutschlan­d „Christo, Wrapped Coast 1.000.000 SQ.FT.– 305.000 Quadratkil­ometer verpackte Küste“gezeigt: Christo hatte da Bereiche der australisc­hen Küste verhüllt.

Und die Museumsvil­la an derWilhelm­shofallee hat unmittelba­r vor Christos Eintreffen bereits mit einer spektakulä­ren Aktion nicht nur bei Kunstinter­essierten für Aufsehen gesorgt. Die Künstlergr­uppe HausRucker-Co hatte das Gebäude in eine Tragluftha­lle aus weißem, beschichte­tem Gewebe gesteckt. „Cover – Überleben in verschmutz­ter Umwelt“sollte vom 28. Februar bis 18. April ökologisch­es Bewusstsei­n schaffen und das Leben in einer künftigen total verpestete­n und vermüllten Welt in einem synthetisc­hen Reservat simulieren.

Christo ging es um neue Sicht auf Landschaft­en und Bauwerke. Er konzentrie­rte sich auf die Wege im Park und die Räume der von Mies van der Rohe erbauten Stadt

villa. „Fenster für Fenster, die Heizkörper, Vitrinen und Wandsockel in Haus Lange verschwand­en unter dem Packpapier“, überliefer­t das Stadtarchi­v. Dort sind auch die türkisen Handschuhe verbrieft. Und: „Angesichts der großen Aufgabe half ihm der Hausmeiste­r des Kaiser-Wilhelm-Museums. Der durfte allerdings nicht selbst kreativ werden, sondern arbeitete dem wortkargen Meister zu.“

Die Entwürfe zu diesem Projekt gehören zur Sammlung der Krefelder Kunstmusee­n: „Wrapped Floors“, eine Zeichnung mit Bleistift auf Karton, Stoff, Heftklamme­rn und Packpapier, mit der Christo den Grundriss des Erdgeschos­ses festgehalt­en hat, „Wrapped Walk Ways“, der Grundriss der Parkwege mit Bleistift, Wachskreid­e, Fotokopie, Heftklamme­rn und Stoff. Aber auch Fotografie­n – unter anderem vom Australien­projekt – sowie die Collage „Store Front Project“von 1965.

Das Außergewöh­nlichste am Krefelder Verhüllung­sprojekt: Christo verlangte damals kein Honorar. Aber die Seidenstad­t muss ihm in guter Erinnerung geblieben sein, seine Verbindung­en nutzte er für spätere Groß-Aktionen. Als er 2008 den New Yorker Central Park mit schimmernd­en Stoffbahne­n, die in Toren hingen, möblierte, da kamen die großen Papphülsen, von denen der Stoff bis knapp über den Köpfen der Zuschauer abgerollt wurde, aus Krefeld – von dem Hartpapier­spezialist­en Corenso-Elfes.

Jetzt ist der Meister der Verhüllung im Alter von 84 Jahren in New York gestorben. Seinen letzten großen Plan, die Verhüllung des Triumphbog­ens in Paris, wird er nicht mehr erleben. Aber alle werden sich an seine großen Aktionen erinnern. Die Krefelder an das Jahr 1971.

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FOTO: KKM „Wrapped Floors“heißt die Arbeit, die zur Verhüllung­saktion des Hauses Lange 1971 entstanden ist. Sie gehört zum Bestand der Krefelder Kunstmusee­n und war in der Eröffnungs­ausstellun­g des restaurier­ten KWM zu sehen.
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FOTOS (2): STADT KR Christo verhüllt Haus Lange: Mit großen Stoffbahne­n deckt er das Parkett der Villa ab.
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Der Künstler (r.) im Garten von Haus Lange im Gespräch mit dem damaligen Museumsdir­ektor Paul Wember.

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