Rheinische Post Krefeld Kempen

„Das Klischee vom Flüchtling nervt“

- VON ARMIN KAUMANNS

Raafat Daboul ist 27 Jahre, Flüchtling, Schauspiel­er und frisch im Ensemble des Theaters Krefeld-Mönchengla­dbach. Er debütierte in dem Monodram „Dreck“und ist in „Wilhelm Tell“zu sehen.

Raafat Daboul hat in seinem noch ziemlich jungen Leben schon eine Menge erlebt. Dabei wirkt der schlanke Mann mit 27 Jahren reichlich jungenhaft. Lockere Klamotten, gegen den Strich gestyltes schwarzes Haar, profiliert­es Gesicht mit braunen Augen.

Raafat, er legt Wert aufs „Du“, ist Flüchtling. Syrer. 2015 hat er sich von Damaskus in denWesten aufgemacht. Allein mit seinem Rucksack. Studium abgebroche­n, gutsituier­te Eltern, Geschwiste­r, Freunde verlassen. Auch die „Raketen wie Regen“, die alltäglich­e Lebensbedr­ohung. „Es ist den Versuch wert“, sagte er sich damals. Heute gehört er zum theaterens­emble Krefeld-Mönchengla­dbach, weil seine erste Arbeit als Schauspiel­er im Rahmen des Programms„Junges Theater“, das Monodram „Dreck“war, in Krefeld spielte er auch in „Mein Kühlraum“und ist in der Coronovers­ion des „Wilhelm Tell“zu.

„Weißt du“, sagt er dann, „das Klischee vom Flüchtling nervt schon ziemlich.“Dabei wäre alles so wunderbar banal: Flüchtling spielt Flüchtling: Der Protagonis­t in „Dreck“ist Sad, ein Iraker, ein Illegaler in Deutschlan­d, der zum Überleben nachts Rosen verkauft und auf der Bühne von diesem Leben, auch vom täglichen Rassismus erzählt. Doch Raafat spielte nicht sich selbst. „Es gibt Situatione­n, die sich überschnei­den“, gibt er zu, aber erstens war er nie illegal und zweitens habe er seit dem 24. September 2015, dem Tag als er nach Deutschlan­d kam, noch keinen Rassismus erlebt. Raafat geht das Ziel an, Schauspiel­er zu sein, will gern auch wieder vor die Kamera. Und trotz etlicher Umwege scheint er auf gutem Weg dahin.

„Der erste Schritt ist der schwerste. Aber du musst ihn machen, und dann weitere folgen lassen. Dann kommst du zum Ziel“, philosophi­ert der junge Mann und erzählt. Wie er mit 17 Statist in einem der Fernsehstu­dios in Damaskus wurde, später dort ans Theater ging, nach drei Ablehnunge­n endlich auf die Schauspiel­schule durfte. Und wie er später in Schwerte, aus der Flüchtling­sunterkunf­t heraus, Leute fand, die ihn zum „Theater am Fluss“brachten. Wie er aus dem Praktikum am Schauspiel­haus Dortmund von Kay Voges fürs Stück „Die Borderline Prozession“verpflicht­et wurde, damit 2017 zum Theatertre­ffen nach Berlin kam. Mit 24. Zwei Jahre Ensemblemi­tglied. Ein Sprachkurs nach dem anderen. Ein paar Monte jobben. Dann die Bewerbung nach Krefeld/Mönchengla­dbach.

„Transparen­t sein. Spontan sein. Das ist das Tolle, das Wichtige auf der Bühne“, beschreibt Raafat seine Lust an Theater, dieses Gefühl, live mit dem Publikum in Kontakt zu treten. Bei den „Dreck“-Aufführung­en in Schulklass­en – vor dem Corona-Lockdown – saß er den Schülern ganz nah auf der Pelle, im Theater-Studio in Rheydt war das distanzier­ter. Warum er dann noch fürs Fernsehen schwärmt? –„Ich finde das Medium gut, ich besuche die Leute ja in ihremWohnz­immer.“Wir sehen uns.

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MATTHIAS STUTTE ?? Raafat Daboul ist seit September 2015 in Deutschlan­d und erst seit kurzem im Ensemble des Theaters Krefeld/ Mönchengla­dbach.
FOTO: MATTHIAS STUTTE Raafat Daboul ist seit September 2015 in Deutschlan­d und erst seit kurzem im Ensemble des Theaters Krefeld/ Mönchengla­dbach.

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