Rheinische Post Krefeld Kempen

Landwirte wehren sich gegen Vorwürfe

- VON BIANCA TREFFER

Die Bauern suchen das Gespräch und gehen dafür auf die Straße. Der Willicher Ortslandwi­rt Helmut Oellers blickt auf die aktuelle Situation seiner Kollegen und die Demonstrat­ionsfahrte­n nach Bonn und Münster.

WILLICH/BONN „Wir werden von der Politik fremdbesti­mmt, werden nicht gehört und nicht geschätzt.“So lautet das Fazit, das Helmut Oellers nach den letzten Äußerungen von Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze zieht, die der Landwirtsc­haft die Alleinschu­ld für diverse Umweltprob­leme gebe, so Oellers. Man könne keine Landwirtsc­haft mit Verboten und Verordnung­en umsetzen, die von Theoretike­rn und Nicht-Fachleuten aufgrund falscher Vorgaben vorgelegt würden, findet der Willicher Ortslandwi­rt.

Die Landwirte machten auf ihre Situation aufmerksam: mit Demonstrat­ionsfahrte­n zum Bundesumwe­ltminister­ium in Bonn samt Gespräch sowie zur Parteizent­rale der SPD in Münster, wo Schulze allerdings Gespräche verweigert­e und wo seitdem von Landwirten eine Mahnwache eingericht­et wurde, die so lange dauern soll, bis Schulze zu einen Dialog bereit ist. „Wir möchten einen Mitarbeite­r des Ministeriu­ms in unserer Gruppierun­g ,Land schafft Verbindung’ begrüßen. Wir sind die Praktiker und wissen, was umsetzbar ist und was nicht. Über Maßnahmen muss gesprochen werden. Austausch ist wichtig, sonst bleiben wir auf der Strecke“, betont Helmut Oellers.

Er moniert unter anderem, dass die neue Düngeveror­dnung in Zeiten von Corona unauffälli­g durchgebra­cht worden sei. „Die letzte Düngeveror­dnung wurde 2017 eingebrach­t. Man wartet deren Ergebnisse gar nicht ab, und jetzt geht es wieder von vorne los. Man muss den Maßnahmen Zeit lassen, um zu sehen, was sie bewirken, bevor der nächste Schritt gemacht wird“, sagt Helmut Oellers.

Für etliche der bereits bestehende­n Vorschrift­en hat der Ortslandwi­rt kein Verständni­s. Ein Beispiel: Das Beizen von Rübensaat gegen Schadinsek­ten im Boden ist nicht mehr erlaubt. Dafür müssen die Landwirte jetzt spritzen, und das vermehrt, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Dabei sei die Rübe eine Pflanze, die nicht von Bienen und Co. bestäubt werde. Daher gehe keinerlei Insektenge­fährdung von der Bodenzugab­e aus.„Das scheint aber den Theoretike­rn am Grünen Tisch nicht bekannt zu sein. Anders ist diese unsinnige Maßnahme nicht zu erklären“, sagt Oellers und spricht davon, dass die Hetze gegen die Landwirte immer weiter gehe.

„Wir fragen uns: Was will unser Land? Sollen Nahrungsmi­ttel nur noch im Ausland produziert werden, und das längst nicht unter solchen Auflagen, wie sie in Deutschlan­d bestehen? Wir wollen Nahrungsmi­ttel für die Bürger produziere­n. Wie wichtig eine regionale Produktion ist, hat sich gerade in Zeiten von Corona gezeigt, und das nicht nur für die Landwirtsc­haft“, sagt Oellers. Der Ortslandwi­rt fragt, was gewesen wäre, wenn die Grenzen komplett geschlosse­n worden wären und keine Lebensmitt­el mehr aus dem Ausland nach Deutschlan­d transporti­ert worden wären. Dabei ist regionale Ware gefragt, wie

„Man muss den Maßnahmen Zeit lassen, um zu sehen, was sie bewirken, bevor der nächste Schritt gemacht wird“Helmut Oellers

Ortslandwi­rt

die Corona-Krise zeigt: Die Hofläden der landwirtsc­haftlichen Betriebe hatten einen erhöhten Zulauf von bis zu 50 Prozent.

Doch regionale Ware könne nur produziert werden, wenn die Bedingunge­n stimmen – und das sowohl für die Landwirte als auch für die Natur. Dass dies funktionie­ren kann, steht für Helmut Oellers außer Frage. „Wir würden auch Blühstreif­en über mehrere Jahre anlegen und liegen lassen. Aber wie sollen wir das machen, wenn wir nur Pachtvertr­äge über ein Jahr erhalten?“, fragt er. Und die neue „Hygienisie­rung“der Landwirtsc­haft, so Oellers, habe ebenfalls massive Auswirkung­en auf den Insektenbe­stand. Der klassische Misthaufen muss beispielsw­eise mit Plastikfol­ie abgedeckt werden. Die Folge: Insekten können dort nicht mehr leben und sich vermehreh.

Kontinuier­lich strenger werdende Auflagen, Schuldzuwe­isungen, die auf falschen Daten beruhten, dazu die Wetterextr­eme, die einen ertragreic­hen Anbau in der gewünschte­n guten Qualität immer schwierige­r machten, und die Tatsache, dass in Zeiten von Corona Lebensmitt­el wie Kartoffeln nicht verarbeite­t und in Biogasanla­gen weit unter ihrem Herstellun­gskosten entsorgt werden – in der Landwirtsc­haft mache sich Resignatio­n breit, sagt Oellers. Andere Aspekte müssten auch in den Fokus rücken: der Flächenver­brauch als solcher, die Lichtversc­hmutzung, der Flug- und Autoverkeh­r, die Schottergä­rten, die Mobilfunks­trahlung. Die Landwirte fordern einen Natur- und Umweltschu­tz, der dies alles berücksich­tigt

und nachhaltig für Natur, Umwelt, Gesellscha­ft und landwirtsc­haftliche Betriebe ist, sagt Oellers.

Redaktion Kempen

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ARCHIVFOTO­S: PRÜMEN/KAISER Auch aus dem Kreis Viersen fuhren in der vergangene­n Woche Landwirte mit ihren Traktoren zum Umweltmini­sterium in Bonn.
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