Rheinische Post Krefeld Kempen

Corona: Obdachlose stark gefährdet

Die Fachberatu­ng für Menschen in besonderen Schwierigk­eiten des SKM hat derzeit mehr zu tun.

- VON HEINER DECKERS

Speziell Obdachlose sind in Corona-Zeiten besonders gefährdet. Unterstütz­ung leistet die Fachberatu­ng für Menschen in besonderen Schwierigk­eiten des Katholisch­en Vereins Kempen-Viersen (SKM). Für Menschen, die keine Wohnung haben, ist der Slogan „Stay Home“keine Option. Zu dem nicht vorhandene­n Rückzugsra­um, der eigenen Wohnung, ist ein weiteres Problem der eingeschrä­nkte oder gar nicht verfügbare Zugang zu sanitären Einrichtun­gen. Grund: Viele öffentlich­e Einrichtun­gen wie Rathäuser oder Bibliothek­en sind geschlosse­n.

Das sei besonders problemati­sch, so der SKM, da viele Wohnungslo­se in keinem guten gesundheit­lichen Zustand seien und oft Vorerkrank­ungen aufwiesen. Hinzu komme das fortgeschr­ittene Alter vieler Betroffene­r. Knapp ein Viertel der Obdachlose­n in Deutschlan­d sind über 50 Jahre alt, die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung liegt bei gerade einmal 49 Jahren.

Gerade während der Pandemie ist der Beratungsb­edarf besonders groß. Durch zusätzlich­e Landesmitt­el konnte die Fachberatu­ng Hilfsmitte­l kaufen und an Bedürftige verteilen: Hygiene- und Desinfekti­onsmittel, Mund- und Nasenschut­z, Getränke und Essensguts­cheine. Während die Beratung in den vergangene­n Wochen überwiegen per Mail und Telefon abgelaufen ist, sind die Mitarbeite­r jetzt wieder unter besonderen Hygienemaß­nahmen persönlich zu sprechen. Eine offene Sprechstun­de gibt es aber nicht, es muss ein Termin vereinbart werden. Die Fachberatu­ng in Kempen (Kirchplatz 1) ist unter der Telefonnum­mer 02152 4745 erreichbar.

Zur Beratung kommen nicht nur Obdachlose, sondern auch Personen, die sich in einer sonstigen Notlage befinden und keinen Weg aus ihr heraus finden. Oft sind es finanziell­e Gründe, die eine normales Leben unmöglich machen. Im vergangene­n Jahr suchten 495 Personen Hilfe bei der Fachberatu­ng, einige weniger als im Jahr zuvor. 270 suchten erstmals den Kontakt. Das entspricht einer Steigerung von über 50 Prozent und ist der höchste Stand seit der Gründung der Fachberatu­ng im Jahr 1986.

Junge Erwachsene, sagt die Erfahrung der Berater, versuchen bei Wohnungslo­sigkeit oft zunächst einmal, ihre Angelegenh­eiten alleine zu regeln. Oft gelingt es ihnen, bei Freunden und Bekannten unterzukom­men. Das geht aber meist nur vorübergeh­end, die Betroffene­n brauchen jedoch eine Postanschr­ift – für den Schriftver­kehr mit dem Jobcenter, mit Ämtern oder Krankenkas­sen. 371 Personen nutzten im vergangene­n Jahr die Adressen der Fachberatu­ng als Postanschr­ift.

„Wohnungslo­se Menschen erleben häufig soziale Kälte und Abneigung“, steht im Jahresberi­cht der Fachberatu­ng. DerVerlust derWohnung wurde in knapp einem Drittel der Fälle durch Krisen in der Familie und der Beziehung ausgelöst. Sie sind oft verbunden mit Gewalterfa­hrungen oder anderen belastende­n Situatione­n. Den typischen Wohnungslo­sen gebe es nicht. Andere Gründe, die zum Verlust der Wohnung führen, sind Kündigung und Räumungskl­agen wegen Mietschuld­en.

Erschweren­d kommt dazu, dass Bewerbunge­n um eine Wohnung mittlerwei­le fast nur noch online zu regeln sind. Aber nicht alle Wohnungslo­sen haben Zugang zum Netz oft nicht, weil das Geld nicht mehr reicht, um die Handykarte aufzuladen. Die einfachste Art für die Wohnungslo­sen, sich eine Existenz aufzubauen und die Schulden abzubauen, wäre eine Arbeitsste­lle. Über 80 Prozent der Hilfesuche­nden haben keine. Die größten Hinderniss­e bei der Stellensuc­he sind eine fehlende Ausbildung und Erkrankung­en. Hier handelt es sich oft um physische Erkrankung­en oder Suchtprobl­eme.

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FOTO: MARTIN GERTEN Obdachlose leben in diesen Zeiten besonders gefährlich. Der Katholisch­e Verein für Soziale Dienste in Kempen kümmert sich um sie.

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