Rheinische Post Krefeld Kempen

Chorprobe per Video-Konferenz

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

Die Sängerinne­n und Sänger der Willicher Chöre „Tonköpfe“und „Frauenpowe­r“können sich derzeit nicht zum Proben treffen. Geübt wird daher per Video-Chat. Zudem gibt es eine Video-Collage zum Anschauen.

Die Bedeutung des Singens für Geist und Seele, für das eigene Wohlbefind­en, ja für die körperlich­e Gesundheit ist unbestritt­en. Allein unter der Dusche tut es gut, aber in der Gruppe noch einmal deutlich mehr. Dort stärkt es nebenbei den sozialen Zusammenha­lt. In Zeiten von Corona gehört das Singen in einer Gruppe zu den Risikofakt­oren. Feinste Speicheltr­öpfchen transporti­eren mögliche Viren von Sänger zu Sänger. Also heißt es: Chorproben sind abgesagt. Das schmerzt. Nicht nur die Mitglieder von Chören, sondern auch die Chorleiter.

Andrea Kautny ist eine von ihnen. Die ausgebilde­te Bankkauffr­au, die vier Jahre lang Chorleitun­g studierte, leitet zwei Chöre in Willich. Im Jahr 2001 rief die Willicheri­n die „Tonköpfe“ins Leben. Über die Presse machte sieWerbung, und schnell hatte sich ein gemischter Chor von 35 Sängerinne­n und Sängern zusammenge­funden. Im Gegensatz zu vielen anderen Chören sind in den „Tonköpfen“Männer und Frauen tatsächlic­h zu fast gleichen Teilen vertreten. Zu ihrem Repertoire gehören sowohl Stücke aus der Renaissanc­e als auch Popsongs in bis zu achtstimmi­gen Arrangemen­ts.

Sieben Jahre später startete Kautny einen Aufruf zur „Frauenpowe­r“, so der Name des neuen, rein weiblichen Chores. Zur ersten Probe kamen 96 Frauen, 30 kündigten ihr Erscheinen zur nächsten Probe an. Zurzeit ist der Chor 180 Frauen stark. Rock, Pop, Soul und Filmmusik stehen auf ihrem Programm.

Viele Männer und Frauen also sind es, die in Willich seit Mitte März auf ihre Chorproben mit Andrea Kautny und ihr gemeinsame­s Singen verzichten müssen. „Nichts tun geht gar nicht“, stellt die Chorleiter­in fest. Eine Woche lang hat sie nur telefonier­t und dann beschlosse­n: „Man muss sich in diese Welt reinfinden.“Chorproben – das war schnell klar – konnten nicht in gewohnter Weise stattfinde­n. „Und wann es wieder möglich sein wird, steht noch völlig in den Sternen“, sagt Kautny. Aber: Die Technik bietet ungeahnte Möglichkei­ten. Also übt sie seit sieben Wochen an den Probetagen mit ihren jeweiligen Chören in den einzelnen Stimmlagen perVideoko­nferenz.

Gemeinsam über den Chat singen geht allerdings nicht: die Zeitverzög­erungen durch die Internetüb­ertragunge­n machen es unmöglich. Die Chormitgli­eder haben ihre Übungs-CDs und die Noten zurVorbere­itung. Andrea Kautny singt ihnen ihre Stimmen vor, die Männer und Frauen singen sie – bei ausgeschal­tetem Mikro – nach. Wenn sie Schwierigk­eiten haben, melden sie sich per Handzeiche­n. Auf diese Weise wird weiter geübt und gesungen und vor allem: Die Sänger bleiben in Kontakt. „Wir sehen uns am Bildschirm“, erzählt Kautny,„wir spüren, wie wichtig das alles für uns ist. Der Chor fehlt. Wir fehlen einander.“

Ein kleines Trostpflas­ter für das Entgangene entstand aus der Idee der „Tonköpfe“: das virtuelle „Chor-ona“-Video. 32 Sänger der

„Tonköpfe“beteiligte­n sich, die „Frauenpowe­r“zog mit 100 Sängerinne­n nach. Zwei Videos entstanden. Die „Tonköpfe“wählten das Lied „Human“, „Frauenpowe­r“den „Rhythm of live“. Den ausgesucht­en Song hörten die Chormitgli­eder über Kopfhörer, sangen und filmten sich dabei. Sie sangen beim Joggen, unter der Dusche, auf der Wiese, am Fenster, im Wald, auf dem Motorrolle­r – die Begeisteru­ng für das Singen ist ihnen anzusehen. Aus den vielen kleinen Videos erstellte Kautny eine Collage, für den Ton sorgte ihr Mann, Friedrich Böhm-Kautny.

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FOTO: SCREENSHOT 32 Sänger der „Tonköpfe“beteiligte­n sich am Video, die „Frauenpowe­r“zog mit 100 Sängerinne­n nach.

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