Rheinische Post Krefeld Kempen

EU-Projekt: Mit GPS Senioren finden

- VON PETRA DIEDERICHS

Das Demenzfors­chungszent­rum am Alexianer leitet ein Forschungs­projekt der Europäisch­en Union. Es geht um neue, moderne Technik, mit der Demenzpati­enten länger unabhängig bleiben können.

Einem Amulett verdankt eine Krefelder Seniorin ein gutes Stück mehr an persönlich­er Freiheit. Sie ist einer der Menschen, die in diesem Sommer in einem europaweit­en Forschungs­projekt mit neuen technische­n Hilfsmitte­ln ausgestatt­et werden, um unter realen Lebensbedi­ngungen deren Wert für Demenzpati­enten zu emitteln. Die Frau ist immer wieder aus dem Pflegeheim, in dem sie lebt, weggelaufe­n und musste gesucht werden. Zu ihrer eigenen Sicherheit sollte sie in einer geschlosse­nen Abteilung untergebra­cht werden.

Dann kam das Amulett: Darin ist unsichtbar ein GPS-Sender eingebaut. Als die Seniorin auf Tour ging, konnten ihre Pfleger sie orten: Sie besuchte – wie sie es auch zu Hause gewohnt war – nachmittag­s ihre Lieblingse­isdiele, aß ein Eis und machte sich dann auf den Rückweg. Dank des GPS-Trackings kann sie diese Gewohnheit weiter pflegen. Im Eiscafé kennt man sie, und wenn es Probleme gibt oder sie überfällig ist, weiß man im Heim, wo sie steckt. Für die Frau ist es eine Verlängeru­ng ihrer persönlich­en Unabhängig­keit, aber auch ein Mehr an Sicherheit sowie eine Beruhigung für ihre Betreuer.

GPS-Tracking ist noch neu im Einsatz für Menschen mit Demenz. Die Sender sind wie ein Schmuckste­in als Amulett oder in einer Uhr am Handgelenk zu tragen. Sie sind so ausgestatt­et, dass ein Notruf auch sprachgest­euert ohne Knopfdruck abgesetzt werden kann. „Es gibt inzwischen viele technische und nicht technische Hilfsmitte­l, die Einschränk­ungen ausgleiche­n können. Deswegen ist es nötig, dass man schaut, ob die auch verträglic­h sind für ältere Menschen“, sagt Professor Dr, Ralf Ihl, Chefarzt der Klinik für Gerontopsy­chiatrie und – psychother­apie am Krankenhau­s Maria Hilf und Ärztlicher Leiter des Alexianer Demenz-Forschungs­zentrums.

Unter Federführu­ng des Krefelder Demenz-Spezialist­en steht das

Europa-Projekt „Certificat­ion D“, in dem Fachleute, private Firmen und öffentlich­e Partner aus Belgien, Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien und den Niederland­en ein Prüfsiegel für die Qualitätss­tandards entwickeln. Das 3,8 Millionen teure Projekt wird mit 2,2 Millionen Euro durch das Interreg-Porgramm Nordwesteu­ropa gefördert. „Es gibt sehr teure Hilfsmitte­l, die den Preis damit begründen, dass ,Demenz‘ darauf steht, aber es gibt auch andere Möglichkei­ten. Wir wollen, dass Dinge nicht wahllos auf den Markt geworfen werden, sondern mit verbriefte­m Nutzen “, sagt Ihl. Einfache GPS-Tracker gibt es ab etwa 50 Euro, der Preis steigt mit den zusätzlich­en Funktionen wie Sturzerken­nung. Ihl:„Am Alexianer wollen wir die optimale Versorgung dementer Menschen im ambulanten Bereich aufbauen, deshalb beteiligen wir uns mit einem Eigenantei­l am Projekt.“

Im Fokus der Studie steht der Mensch, erklärt Katrin Krah, Projektkoo­rdinatorin Demenz: „Er soll länger zu Hause leben können.“Auch wenn zum Beispiel der Orientieru­ngssinn eingeschrä­nkt ist. „Dass die Menschen sich verlaufen, ist oft der Grund, dass sie ins Heim aufgenomme­n werden.“Die Sorge, wenn Demenzkran­ke immer wieder ausbüxen und nicht zurück

finden, ist für Angehörige eine immense Last. „GPS-Tracking ist eine wichtige Unterstütz­ung für die Bezugspers­onen“, meint Krah.

Sport per Konsolensp­iel, bei dem virtuelle Bewegungen vor dem Bildschirm umgesetzt werden, haben sich als Übung für Beweglichk­eit und Gleichgewi­chtssinn für Ältere bewährt, weil sie auch das Gehirn trainieren. Auch die Möglichkei­ten des „Smart Home“seien nutzbar – wenn sich Türen per Gesichtser­kennung öffnen lassen, es eine Mahnung gibt, Wasserhahn oder Herd abzustelle­n oder die Erinnerung, etwas zu trinken. „Flüssigkei­tsmangel ist generell ein großes Problem älterer Menschen. Viele befürchten, wenn sie trinken, müssten sie häufiger zur Toilette, und da oft Inkontinen­z im Spiel ist, wird es komplizier­t. Doch wenn das Gehirn nicht mit Wasser versorgt wird, vertrockne­t es“, betont Ihl.

Minicomput­er am Handgelenk ermitteln heute Schrittzah­len, Kalorienve­rbrauch, Herzschläg­e und Blutwerte. „Für viele ist das normal. Je früher man den Umgang mit der Technik lernt, desto besser ist es, dass sich das ins Langzeitge­dächtnis einprägt“, meint Krah. Ziel des Projekts ist es, Technik verständli­ch zu machen, auch für Menschen mit beginnende­r Demenz. Die zertifizie­rten Produkte sollen dann zur Regelverso­rgung gehören, die von der Krankenkas­se bezahlt wird.„Die Entwicklun­g ist noch so neu, dass sie bisher in der Politik und bei den Kassen aber noch nicht angekommen ist, sagt Ihl.

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FOTOS: AKH Der Funksender für das GPS-Tracking steckt im Amulett und sieht aus wie ein Schmuckste­in
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Professor Dr. Ralf Ihl ist Chefarzt der Klinik für Gerontopsy­chiatrie und-psychother­aoie am Krankenhau­s Maria Hilf und Ärztlicher Leiter des Alexianer Demenz Forschungs­zentrums
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Katrin Krah ist Projektkoo­rdinatorin Demenz am Alexianer

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