Rheinische Post Krefeld Kempen
EU-Projekt: Mit GPS Senioren finden
Das Demenzforschungszentrum am Alexianer leitet ein Forschungsprojekt der Europäischen Union. Es geht um neue, moderne Technik, mit der Demenzpatienten länger unabhängig bleiben können.
Einem Amulett verdankt eine Krefelder Seniorin ein gutes Stück mehr an persönlicher Freiheit. Sie ist einer der Menschen, die in diesem Sommer in einem europaweiten Forschungsprojekt mit neuen technischen Hilfsmitteln ausgestattet werden, um unter realen Lebensbedingungen deren Wert für Demenzpatienten zu emitteln. Die Frau ist immer wieder aus dem Pflegeheim, in dem sie lebt, weggelaufen und musste gesucht werden. Zu ihrer eigenen Sicherheit sollte sie in einer geschlossenen Abteilung untergebracht werden.
Dann kam das Amulett: Darin ist unsichtbar ein GPS-Sender eingebaut. Als die Seniorin auf Tour ging, konnten ihre Pfleger sie orten: Sie besuchte – wie sie es auch zu Hause gewohnt war – nachmittags ihre Lieblingseisdiele, aß ein Eis und machte sich dann auf den Rückweg. Dank des GPS-Trackings kann sie diese Gewohnheit weiter pflegen. Im Eiscafé kennt man sie, und wenn es Probleme gibt oder sie überfällig ist, weiß man im Heim, wo sie steckt. Für die Frau ist es eine Verlängerung ihrer persönlichen Unabhängigkeit, aber auch ein Mehr an Sicherheit sowie eine Beruhigung für ihre Betreuer.
GPS-Tracking ist noch neu im Einsatz für Menschen mit Demenz. Die Sender sind wie ein Schmuckstein als Amulett oder in einer Uhr am Handgelenk zu tragen. Sie sind so ausgestattet, dass ein Notruf auch sprachgesteuert ohne Knopfdruck abgesetzt werden kann. „Es gibt inzwischen viele technische und nicht technische Hilfsmittel, die Einschränkungen ausgleichen können. Deswegen ist es nötig, dass man schaut, ob die auch verträglich sind für ältere Menschen“, sagt Professor Dr, Ralf Ihl, Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie und – psychotherapie am Krankenhaus Maria Hilf und Ärztlicher Leiter des Alexianer Demenz-Forschungszentrums.
Unter Federführung des Krefelder Demenz-Spezialisten steht das
Europa-Projekt „Certification D“, in dem Fachleute, private Firmen und öffentliche Partner aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden ein Prüfsiegel für die Qualitätsstandards entwickeln. Das 3,8 Millionen teure Projekt wird mit 2,2 Millionen Euro durch das Interreg-Porgramm Nordwesteuropa gefördert. „Es gibt sehr teure Hilfsmittel, die den Preis damit begründen, dass ,Demenz‘ darauf steht, aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Wir wollen, dass Dinge nicht wahllos auf den Markt geworfen werden, sondern mit verbrieftem Nutzen “, sagt Ihl. Einfache GPS-Tracker gibt es ab etwa 50 Euro, der Preis steigt mit den zusätzlichen Funktionen wie Sturzerkennung. Ihl:„Am Alexianer wollen wir die optimale Versorgung dementer Menschen im ambulanten Bereich aufbauen, deshalb beteiligen wir uns mit einem Eigenanteil am Projekt.“
Im Fokus der Studie steht der Mensch, erklärt Katrin Krah, Projektkoordinatorin Demenz: „Er soll länger zu Hause leben können.“Auch wenn zum Beispiel der Orientierungssinn eingeschränkt ist. „Dass die Menschen sich verlaufen, ist oft der Grund, dass sie ins Heim aufgenommen werden.“Die Sorge, wenn Demenzkranke immer wieder ausbüxen und nicht zurück
finden, ist für Angehörige eine immense Last. „GPS-Tracking ist eine wichtige Unterstützung für die Bezugspersonen“, meint Krah.
Sport per Konsolenspiel, bei dem virtuelle Bewegungen vor dem Bildschirm umgesetzt werden, haben sich als Übung für Beweglichkeit und Gleichgewichtssinn für Ältere bewährt, weil sie auch das Gehirn trainieren. Auch die Möglichkeiten des „Smart Home“seien nutzbar – wenn sich Türen per Gesichtserkennung öffnen lassen, es eine Mahnung gibt, Wasserhahn oder Herd abzustellen oder die Erinnerung, etwas zu trinken. „Flüssigkeitsmangel ist generell ein großes Problem älterer Menschen. Viele befürchten, wenn sie trinken, müssten sie häufiger zur Toilette, und da oft Inkontinenz im Spiel ist, wird es kompliziert. Doch wenn das Gehirn nicht mit Wasser versorgt wird, vertrocknet es“, betont Ihl.
Minicomputer am Handgelenk ermitteln heute Schrittzahlen, Kalorienverbrauch, Herzschläge und Blutwerte. „Für viele ist das normal. Je früher man den Umgang mit der Technik lernt, desto besser ist es, dass sich das ins Langzeitgedächtnis einprägt“, meint Krah. Ziel des Projekts ist es, Technik verständlich zu machen, auch für Menschen mit beginnender Demenz. Die zertifizierten Produkte sollen dann zur Regelversorgung gehören, die von der Krankenkasse bezahlt wird.„Die Entwicklung ist noch so neu, dass sie bisher in der Politik und bei den Kassen aber noch nicht angekommen ist, sagt Ihl.