Rheinische Post Krefeld Kempen
Zeit, sich ehrlich zu machen
Wenn Corona einmal vorbei ist…“So heben heute wie gestern hoffnungsvoll Gespräche an. Wieder sind Urlaubspläne Makulatur. Wieder wurde eine ersehnte Veranstaltung abgesagt, eine Feier, die wichtig war. Aber Corona ist nicht vorbei, im Gegenteil. Trotzdem: Die Kranken, die Toten – sie scheinen weit weg. Als Zugeständnis an die neue Normalität übriggeblieben sind die lästigen Masken. Aber der Sicherheitsabstand im Supermarkt oder beim Plaudern wird schon länger vernachlässigt. Händewaschen? Mehr als vor der Pandemie, aber weniger als noch vor Monaten.
Jetzt ist die Zeit, sich ehrlich zu machen. Es geht nicht nur um den Schutz der eigenen Gesundheit. Es geht auch darum, sich selbst als Glied in einer Kette zu verstehen, die eine Infektionskette sein könnte. Es geht um Menschen, die wir lieben und die wir womöglich in Gefahr bringen. Und damit geht es auf einmal um die ganz großen Dinge im Leben, die auf dem Spiel stehen: um Respekt, Verantwortung, Vertrauen, das Streben nach Glück und Freiheit.
Das ist der Kitt, der eine offene Gesellschaft zusammenhält, das Band zwischen Starken und Schwachen, Jungen und Alten – nicht nur in Corona-Zeiten. Die Krise erfordert keine neue Ethik, vielmehr die Rückbesinnung auf die vorhandene – und eineWeitung des Blicks. Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung haben kürzlich eine Art neuen Generationenvertrag vorgeschlagen: Die Jüngeren halten sich strikt an die Hygiene-Regeln und schützen damit die Älteren, die sich im Gegenzug stärker fürs Klima einsetzen. Warum nicht? Daraus könnte mehr erwachsen als durch immer neue Vorschriften und Verbote.
Wann Corona vorbei ist, liegt vor allem an uns selbst. Und wahrscheinlich gilt das für viel mehr Dinge, als wir auf den ersten Blick für möglich halten.
BERICHT