Rheinische Post Krefeld Kempen
Viele Aktionärstreffen nur noch virtuell
Nur jede fünfte Dax- und M-Dax-Firma will nach der Corona-Krise zur Präsenz-Hauptversammlung zurückkehren.
DÜSSELDORF Die Corona-Pandemie hat viele Änderungen mit sich gebracht. Dazu gehört auch, dass Aktionäre die Hauptversammlung des ihnen gehörenden Unternehmens in diesem Jahr in den meisten Fällen über das Internet am heimischen Laptop verfolgt haben, statt sich wie zuvor üblich zu Hunderten oder Tausendem in einem Saal zu drängeln, am Buffet zu tummeln oder auf den Toiletten zu knubbeln.
Für alle Beteiligten eine neue Situation: Im März sprang der Gesetzgeber den Konzernen mit einem Gesetz zur Seite, das es ihnen ermöglichte, statt der laut Aktiengesetz zwingend vorgeschriebenen Präsenz-Hauptversammlung das Treffen online zu veranstalten. So sollte die Infektionsgefahr gebannt werden. Dieses Gesetz ist nun verlängert worden bis Ende 2021. Die Verordnung der Bundesregierung besteht uneingeschränkt weiter. Aktuell ist nicht absehbar, wann Treffen von Angesicht zu Angesicht wieder möglich sind.
Eine Entscheidung, die manche Unternehmen freut und wegweisend für den künftigen Ablauf von Hauptversammlungen sein könnte. Denn eine Präsenzveranstaltung verursacht deutlich höhere Kosten. Dagegen beklagen Aktionärsschützer den Wegfall von Rechten für die Anteilseigner. Was bedeutet das für die Aktionäre? Ein Überblick.
Fristen Wie in diesem Jahr haben die Unternehmen auch im kommenden Jahr die Möglichkeit, bis zu zwölf Monate nach dem Ablauf des Geschäftsjahres das Aktionärstreffen abzuhalten. Das waren vor Ausbruch der Pandemie nur acht Monate. Die Frist für die Einladung zur Hauptversammlung, früher 30 Tage, beträgt nun nur noch drei Wochen.
Fragerecht Vor der Corona-Krise konnten sich Anteilseigner in der Hauptversammlung zuWort melden und vor versammeltem Publikum Fragen anVorstand und Aufsichtsrat richten. Jetzt müssen sie die Fragen zwei Tage vor der Hauptversammlung online einreichen. Und sie haben auch keinen Anspruch darauf, dass alle Fragen beantwortet werden. Darüber entscheidet der Vorstand nach „pflichtgemäßem freiem Ermessen“. Aktionäre per Video zum Treffen zuzuschalten, ist weiter nicht vorgesehen. Auch die Abstimmung erfolgt bei virtuellen Hauptversammlungen bereits im Vorfeld der Veranstaltung.
Anfechtung Die ist nach einer virtuellen Hauptversammlung nur möglich, wenn der Vorstand Aktionärsrechte vorsätzlich missachtet hat. Das nachzuweisen, ist schwierig. „„Das Anfechtungsrecht ist in weiten Teilen an die Fragen gekoppelt. Bei deren Auswahl hat derVorstand aber weitgehend freie Hand“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Kritik „Man hätte das Gesetz noch mal aufschnüren sollen; dazu wäre genug Zeit gewesen“, bemängelt Aktionärsschützer Kurz. An der Beschränkung der Aktionärsrechte habe sich dadurch, dass man das Gesetz einfach nur verlängert habe, nichts geändert. „Die Frist zur Einreichung von Fragen wäre eindeutig ein Streichkandidat gewesen. Es wäre sogar ohne Probleme möglich gewesen, den Aktionären das Recht einzuräumen, auch während der laufenden Hauptversammlung Fragen zu stellen“, meint Kurz. Genauso denken mancheVertreter von Fondsgesellschaften.
Präsenz-Hauptversammlung Nach einer Umfrage des Deutschen Investor Relations Kreises (DIRK) will kaum mehr als jedes fünfte Mitglied aus Dax und M-Dax zurück zur reinen Präsenz-Hauptversammlung. Dagegen drängen Aktionärsschützer auf eine Rückkehr zu dieser Art vonVeranstaltung, sobald dies ohne gesundheitliche Gefahren wieder möglich ist.