Rheinische Post Krefeld Kempen
Real ist ein Teil des Borussia-Mythos
1976 und 1985 trafen sich Gladbach und Madrid bereits – und jeweils schieden die Fohlen spektakulär aus. Beide Erlebnisse belegen die These, dass das tragische Scheitern ein Teil der Klub-Historie ist.
Es gibt drei große Traumata in Borussias Historie. Den FC Liverpool, der immer wieder stärker war als Borussia, dann natürlich Inter Mailand wegen des Büchenwurfspiels – und Real Madrid, das nun am Dienstag (21 Uhr/Sky) zum Champions-League-Spiel in den Borussia-Park kommt. Zweimal traf sich Borussia mit den „Königlichen“aus Spaniens Hauptstadt, zweimal gab es eine große Enttäuschung.
1976 schied Gladbach unbesiegt aus, weil der niederländische Schiedsrichter Leonardus van der Kroft seltsame Pfiffe von sich gab und zwei blitzsaubere Borussen-Tore aberkannte, die einen Sieg gebracht hätten. So blieb es beim 1:1, das nach dem 2:2 im Hinspiel zu wenig war gegen Real, bei dem der frühere „King vom Bökelberg“, Günter Netzer, mitspielte. Diesem war das Weiterkommen höchst unangenehm. Und selbst die spanischen Fußballreporter sahen eine Ungerechtigkeit. „Ich glaube, dass van der Kroft die Deutschen spürbar benachteiligt hat“, schrieb einer.
1985 hätten die Gladbacher alles zurechtrücken können. Wieder gab es ein Drama, dieses Mal aber schrieben sie selbst das traurige Drehbuch. 5:1 besiegte Borussia Real im Düsseldorfer Rheinstadion im strömenden Regen, es war eines der größten Gladbach-Spiele der Geschichte. Doch im Rückspiel gab es ein 0:4-Debakel und damit erneut das Aus. „Keiner von uns hat gedacht, dass danach noch etwas schiefgehen kann. Aber wir sind in Madrid nicht annähernd so aufgetreten wie im Hinspiel und sind nach dem frühen Gegentor brutal eingebrochen“, sagte der damalige
Stürmer Uwe Rahn zuletzt im Interview mit unserer Redaktion.
Diese Real-Episode fasste dann auch die 80er Jahre der Borussen perfekt zusammen: Das Team war zu Großem fähig, wenn es aber darauf ankam, fehlte etwas. Rahn mutmaßt, dass das 0:4 von Madrid in Trainer Jupp Heynckes etwas auslöste: „Es war spürbar, dass nach diesem Spiel die Enttäuschung bei ihm sehr groß war. Das war vielleicht sogar schon ein Punkt, in dem bei Jupp Heynckes der Gedanke gereift ist, mal was Neues zu machen, sich zu verändern. Er wollte Titel gewinnen, das war immer klar, und vielleicht hat er in solchen Spielen wie in Madrid oder 1987 im Uefa-Cup-Halbfinale gegen Dundee United gespürt, dass es in Gladbach schwierig wird.“
Real ist mit diesen Ereignissen, die zum kollektiven Gedächtnis der Gladbach-Fans gehören, ein Teil des Borussia-Mythos geworden. Zu dem gehört das tragische Scheitern ebenso wie die Lust am Fußball. Die brachte Borussia in beiden Fällen gegen Real auf den Rasen, doch das reichte nicht, um gegen das Schicksal anzukommen, das offenbar andere Pläne hatte. So sind der realen Tragödie erster und zweiter Teil ein Element der Biografie des niederrheinischen Klubs, ein wichtiger sogar, wie der der Pfostenbruch, der Büchsenwurf und die 12:0-Sieg-Niederlage, die 1978 trotz des nun von Ajax Amsterdam mit dem 13:0 bei VVV Venlo übertrumpften Rekordsieges nicht zur Meisterschaft reichte.
Borussia wäre vielleicht eine andere ohne die erlebten Traurigkeiten, es würden ikonische Bilder fehlen im Gladbacher Stammbuch, es gäbe leere Ecken im Vereinsmuseum. In dieses hat der aktuelle Trai
ner Marco Rose seine Spieler nicht geführt im Rahmen der Vorbereitung auf das nun anstehende Spiel gegen die Madrilenen. „Bei Borussia spielt die Tradition und die Geschichte immer eine Rolle, aber sie hilft uns am Dienstag nicht. Sie hindert uns aber auch an nichts. Deswegen beschäftigen wir uns vor allem mit dem Hier und Jetzt und der Aufgabe, die ansteht“, sagte Rose.
Er will neue Kapitel schreiben, er will neue „magische Nächte“inszenieren. Dabei kann die Geschichte allerdings auch eine Gebrauchsanweisung sein für die Gegenwart: Sowohl 1976 in Madrid als auch 1985 in Düsseldorf ging Gladbach mutig zu Werke gegen den Giganten und setzte ihm damit mächtig zu. Denn so etwas mag Real nicht. Andersherum: Als die Gladbacher mutlos waren im Rückspiel 1985 und sich vom Bernabéu und nach Revanche lechzenden Gegenspielern beeindrucken ließen, gab es eine Lehrstunde von Real. Das soll jetzt nicht passieren. „Wir wollen Real so bespielen und bekämpfen, dass wir tatsächlich für eine Überraschung sorgen können“, sagte Rose. Dass Borussia ihren Traumata trotzen kann, zeigte sie beim 2:2 bei Inter Mailand am vergangenen Mittwoch.