Rheinische Post Krefeld Kempen
Verbotene Schottergärten nehmen zu
Beim Amt für Stadtplanung und Bauordnung in Kempen gehen immer mehr Hinweise über geschotterte Vorgärten ein. Das Amt prüft jeden Fall, setzt statt Bußgeldern aber auf die Beratung von Hauseigentümern.
KEMPEN Corona-bedingt verbringen viele Menschen derzeit mehr Zeit zu Hause als sonst. Und beim Blick in den heimischen Garten kommen Umgestaltungs-Projekte gerade recht. Doch immer mehr Hauseigentümer entscheiden sich für einen vermeintlich pflegeleichten Schottergarten vor der Haustür. Die sind in Kempen nicht gewollt, nehmen besonders in Neubaugebieten aber zu.
In der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses berichtete Bettina von der Linde, bei der Kempener Stadtverwaltung Leiterin des Amts für Stadtplanung und Bauordnung, von einem steten Zuwachs der Schottervorgärten. 2018 seien der Stadt 16 solcher Anlagen gemeldet worden, 2020 schon 44. „Hinweise erhalten wir in der Regel aus der Bevölkerung, denen wir dann auch nachgehen“, so von der Linde. Das sei sehr zeitintensiv. Außerdem sei das Gleichbehandlungsgebot zu beachten: „Gleichwertige Verstöße müssen wir ebenfalls aufgreifen.“Dabei werde auch die Gesamtsituaton betrachtet: Auch Verstößte gegen illegale Plätze für Mülltonnen oder Wohnmobile würden dabei berücksichtigt.
In den Kempener Neubaugebieten ist die Anlage von Schottervorgärten verboten. Was erlaubt ist, wird in der jeweiligen Gestaltungssatzung für ein Gebiet festgelegt. So heißt es beispielsweise in der Gestaltungssatzung für das Baugebiet „Auf dem Zanger“in St. Hubert, in der als Vorgarten die Fläche zwischen Hausfront und Straßenverkehrsfläche definiert wird: „Vorgärten sind wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen, zu begrünen und zu bepflanzen. Flächenversiegelungen sowie Kies- und Schotterbeläge sind unzulässig. Ausgenommen hiervon sind die Hauszugänge sowie die planungsrechtlich zulässigen Flächen für Stellplätze und Nebenanlagen.“
Doch auch außerhalb der Neubaugebiete sind Schottervorgärten unerwünscht. In den Bestandsgebieten sei die Landesbauordnung heranzuziehen, erklärt von der Linde. Und aus der gehe hervor, dass Vorgärten überwiegend zu begrünen seien. Deshalb kann man nicht davon ausgehen, dass ein Schottervorgarten dort, wo er über eine Gestaltungssatzung nicht ausdrücklich verboten ist, erlaubt ist. „Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind in Kempen sehr heterogen“, sagt von der Linde. Deshalb müssen die Verwaltung auch jeden Fall individuell prüfen.
Um Schottervorgärten zu verhindern, erhalten Häuslebauer mit der Baugenehmigung oder Käufer beim Erwerb eines Hauses in Kempen einen Flyer der Natur- und Umweltschutzakademie NRW, den die Stadt ausgibt. Darin warnen die Fachleute vor der Annahme, dass ein Schottergarten pflegeleicht ist: Bald fällt organisches Material wie Pollen, Samen und Blätter auf die Steine, bildet dort eine feine Humus-Schicht, auf der Wildkräuter gedeihen könnten. Algen, Moose und Flechte siedeln sich an, die Steine verfärben sich. Das Jäten und Reinigen solcher Schotterflächen ist sehr mühsam. Durchharken lassen sich die Flächen nicht, deshalb muss jedes Wildkraut von Hand gezupft werden. Der Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln ist verboten, weil sie in die Kanalisation gelangen und das Wasser verunreinigen können. Auch der Einsatz von Abflämmgeräten scheidet aus: Unter der Schotterfläche wird in der Regel ein wasserdurchlässiges Vlies ausgebracht, das den Wildkrautdurchwuchs
verhindern soll. Würde man ein Abflämmgerät einsetzen, würde die Hitze das Vlies beschädigen. Gleichzeitig ist solch ein Schottervorgarten ökologisch wertlos: Insekten und Vögel finden dort keinen Lebensraum. Für die Versickerung des Regenwassers und damit für die Entlastung der Kanalisation sind unversiegelte Flächen wichtig. Auch heizen sich Schotterflächen im Sommer stark auf, ebenso wie Straßen und Gehwege. Sie binden keinen Staub, dämpfen keinen Lärm. „Bepflanzte Gärten kühlen auch im Sommer stärker ab und sorgen für frische Luft“, heißt es im Flyer. anderen zulässigen Verwendung der Flächen entgegenstehen. Gestaltungssatzung Für viele Gebiete in Kempen gibt es Gestaltungssatzungen, die im Planungsamt der Stadt eingesehen werden können. Eine Liste der Bereiche, für die Gestaltungssatzungen vorliegen, ist auf der Internetseite der Stadt zu finden unter www.kempen. de – Wohnen & Wirtschaft – Stadtplanung - Gestaltungssatzung.
Deshalb wirbt die Natur- und Umweltschutzakademie für die Anlage naturnah gestalteter Vorgärten, in denen pflegeleichte Stauden und Zwiebelblumen monatlang blühen, Vögeln und Insekten das ganze Jahr über Nahrung und Unterschlupf bieten. Um Wildkrautaufwuchs zu unterdrücken, kann zwischen den Stauden eine Schicht Rindenmulch aufgebracht werden.
Um Schottervorgärten zu verhindern, startete die Stadtverwaltung außerdem eine Info-Kampagne und schrieb Garten- und Landschaftsbauer an, die in der Umgebung tätig sind und „Multiplikatoren zur Bewusstseinsbildung“sein könnten, so die Amtsleiterin. Der Zunahme der Schottervorgärten müsse man einfach entgegenwirken, sagt von der Linde: „Ökologische und stadtgestalterische Aspekte stellten in Kempen immer schon ein hohes Gut dar.“
Erhält die Verwaltung Kenntnis von der unzulässigen Anlage eines Schottervorgartens, wird der Fall geprüft. Dabei setzt die Stadt auf Gespräche mit den Hauseigentümern: „Wir ziehen das ordnungsbehördliche Verfahren nicht durch, sondern bieten eine individuelle Bauberatung an“, sagt von der Linde. Bislang seien alle Verfahren nach der Beratung gütlich beendet worden, zu Klagen und Bußgeldverfahren sei es nicht gekommen. Michael Rumphorst (Grüne) wollte im Planungsausschuss wissen, ob durch die Beratung solche Schottervorgärten verhindert worden seien oder nach Einstellung der Verfahren auch ein Rückbau erfolgt sei? „Wenn ich durch die Stadt fahre, bekomme ich immer noch einen dicken Hals, wie viele Schottergärten ich noch sehe“, so Rumphorst. Amtsleiterin von der Linde erklärte, dass durch die Beratung eine Umplanung erfolgt sei: „Wir haben dabei sehr schöne Erfolge erzielt.“