Rheinische Post Krefeld Kempen

Gegen das Vergessen: Erinnerung an die Willicher Familie Lion

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WILLICH (tre) Rote Rosen, eine brennende Kerze und eine Fotografie von Ernst Lion in jungen Jahren schmücken die Stolperste­ine vor der Bahnstraße 9 in Willich. Wenn Lion noch leben würde, hätte er auf den Tag genau seinen 100. Geburtstag gefeiert. Aber der in Willich geborene Jude verstarb im Alter von 91 Jahren in England. Seinen runden Geburtstag nahmen jetzt die Heimatfreu­nde Willich und das Stadtarchi­v zum Anlass, an die Familie Lion zu erinnern, die dort, wo heute das Bierhaus Alt Willich daheim ist, ihre Metzgerei betrieben. „Am 12. März vor 100 Jahren wurde Ernst Lion an der Bahnstraße geboren. Er überlebte den Holocaust, wie seine Schwester Ruth, durch Flucht nach England. Die Eltern, die 1941 nach Riga deportiert wurden, überlebten nicht“, mit diesen Worten leitete Bernd-Dieter Röhrscheid von den Heimatfreu­nden die Gedenkfeie­r ein. Im Wechsel mit Stadtarchi­var Udo Holzenthal stellte er den Lebensweg von Lion vor. In der elterliche­n Metzgerei begann er 1935 eine Lehre zum Metzger. 1937 musste sein Vater auf Druck der NS-Behörden die Metzgerei schließen. Lion beendete seine Ausbildung in Rheydt, fand anschließe­nd keine Anstellung und arbeitete als Landarbeit­er, zuerst in Willich, dann in Büttgen. 1939 konnte der 18-Jährige nach England ausreisen, wo auch schon seine Schwester Ruth untergekom­men war. Als der Krieg ausbrach, wurde er wie alle emigrierte­n deutschen Juden zum „feindliche­n

Ausländer“erklärt. Im Mai 1940 ließ die britische Regierung sämtliche deutsche Emigranten interniere­n. Nach seiner Zeit in Australien kehrte er 1941 nach England zurück, diente bis Kriegsende in der britischen Armee und eröffnete 1950 im Londoner Stadtteil Clapton eine koschere Metzgerei.

Willichs Bürgermeis­ter Christian Pakusch erinnerte daran, wie wichtig es immer wieder sei, Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Dass das Thema auch bei den jüngeren

Menschen angekommen ist, verdeutlic­hte Tim Krebs, der ebenfalls vor Ort war. Der Oberstufen­schüler der Robert-Schuman-Europaschu­le hatte seine Facharbeit über die jüdische Familie geschriebe­n. Und der ehemalige St.-Bernhard-Schüler Thomas Beschoten pflegte bis Ende 2011 einen E-Mail-Kontakt mit Lion, der im Frühjahr 2012 verstarb. Von Lions Sohn Alan kam eine Video-Botschaft aus England, in der er für das Erinnern an seinen Vater dankte.

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FOTO: NORBERT PRÜMEN In Willch wurde der Familie Lion gedacht.

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