Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Wanderer zwischen Ost und West

- VON ISABEL MANKAS-FUEST

„All the world is green“heißt die neue Ausstellun­g von Xianwei Zhu im Krefelder Kunstverei­n. Es ist die erste Ausstellun­g, die der Künstler in der Stadt bestreitet, in der er nun lebt. Erst kürzlich ist er nach Hüls gezogen.

Erst vor kurzem ist Xianwei Zhu nach Hüls gezogen und stellt zum ersten Mal in der Seidenstad­t aus. Seine Kunst, sagt er, sei immer Ausdruck von Erfahrung und Erlebnis. Ohne Naturerleb­nis, so Zhu, könne er nicht malen. Seine Landschaft­sbilder, erklärt der Künstler, seien eine Verdichtun­g von Erfahrunge­n und Eindrücken, die er bei seinen Wanderunge­n durch die Natur gemacht habe.

So findet sich auf seinen Bildern zwischen Felsen, Bäumen und Flüssen in der Mitte meist eine Leere, die darauf hindeutet, dass im Moment der Naturbetra­chtung der Geist aufhört umherzuirr­en und zur Ruhe kommt. Zhu ist geübt darin über seine Kunst zu sprechen, als Dozent an der Kunstakade­mie in Stuttgart und Peking lehrt er freie Malerei und findet dennoch Zeit und Muße, sich in die Natur zurückzuzi­ehen. Die Ausstellun­g zeigt neue Arbeiten, alle sind zwischen 2019 und 2021 entstanden.

Der Entstehung­sprozess seiner großflächi­gen Bilder ist aufwändig. In zahlreiche­n Schichten malt Zhu die Acrylfarbe Schicht für Schicht auf die Leinwand, dann geht er mit einer Sprühflasc­he, die mit Wasser gefüllt ist, über das Bild – ein kraftvolle­r Akt aus Zerstörung und Herstellun­g, Zhu nennt ihn schlicht: „Prozessmal­erei“. Die Wassertrop­fen legen sich wie kleine Lichter über die fein nuancierte Farbigkeit von „All the world is green“. Dort scheint ein kleines Feuer zu brennen und in manchen Bildern sieht man die Schatten von Wanderern.

Für manche Bilder verfällt Zhu in eine regelrecht­e Dauermedit­ation. Noch in der Natur fertigt er ein Bild der Landschaft an, auf dem er jeden Felsen, jede Wolke und jeden Baum nachzeichn­et, „danach ist die Landschaft nicht mehr dieselbe“, sagt Zhu. Für das Auge des Betrachter­s bleiben die Naturszene­n manchmal nur schemenhaf­t erkennbar, doch genau das zieht den Betrachter in den Bann. Ohne seine genaue Beobachtun­g, so Zhu, könne die besondere Struktur der Bilder nicht entstehen.

Xianwei Zhu ist nicht nur von der Natur fasziniert, er begeistert sich für deutsche Romantiker, allen voran Caspar David Friedrich. Außerdem liebt Zhu Poesie und Philosophi­e: „Gedichte von Hanshan habe ich in Deutschlan­d wiederentd­eckt“, erzählt er. Besonders die „Gedichte vom Kalten Berg. Das Lob des Lebens im Geist des Zen“haben ihn 2015 zur Landschaft­smalerei

inspiriert. Als Aussteiger ist Zhu wohl kaum zu beschreibe­n, vielmehr als Vermittler zwischen der traditione­llen chinesisch­en Kultur und der westlichen Moderne. Als er vor 19 Jahren aus seiner Heimatstad­t Qingdao, einer ehemals deutschen Kolonie in China, nach Deutschlan­d reiste, wollte er seine eigene Bildsprach­e entwickeln. Fern der Heimat merkte er, wie stark ihn sein Studium der chinesisch­en und westlichen Malerei in seiner Heimat geprägt hatte und wie wichtig seine chinesisch­en Wurzeln für die künstleris­che Weiterentw­icklung wurden.

„In China habe ich eine sehr gute Technik gelernt, zu meinem individuel­len Ausdruck fand ich in Deutschlan­d“, erzählt der sympathisc­he Künstler. Zhu schöpft aus beiden Kulturen, der traditione­llen Tuschmaler­ei und Kalligraph­ie sowie aus dem Studium der freien Malerei, das er 2001 an der Stuttgarte­r Kunstakade­mie aufnahm. Zhu beschäftig­t sich viel mit Taoismus, Buddhismus und der Denkschule Martin Heideggers, das helfe ihm, in seiner Malerei tiefer zu gehen. „Als ich von China nach Deutschlan­d kam, wollte ich die Gemeinsamk­eiten zwischen den Kulturen herausfind­en. Es ist die Natur, sie wird von beiden Kulturen gleicherma­ßen verehrt“.

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FOTO: THOMAS LAMMERTZ Xianwei Zhu schreitet an den Bildern seiner Ausstellun­g „All the world is green“im Krefelder Kunstverei­n vorbei.

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