Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Wanderer zwischen Ost und West
„All the world is green“heißt die neue Ausstellung von Xianwei Zhu im Krefelder Kunstverein. Es ist die erste Ausstellung, die der Künstler in der Stadt bestreitet, in der er nun lebt. Erst kürzlich ist er nach Hüls gezogen.
Erst vor kurzem ist Xianwei Zhu nach Hüls gezogen und stellt zum ersten Mal in der Seidenstadt aus. Seine Kunst, sagt er, sei immer Ausdruck von Erfahrung und Erlebnis. Ohne Naturerlebnis, so Zhu, könne er nicht malen. Seine Landschaftsbilder, erklärt der Künstler, seien eine Verdichtung von Erfahrungen und Eindrücken, die er bei seinen Wanderungen durch die Natur gemacht habe.
So findet sich auf seinen Bildern zwischen Felsen, Bäumen und Flüssen in der Mitte meist eine Leere, die darauf hindeutet, dass im Moment der Naturbetrachtung der Geist aufhört umherzuirren und zur Ruhe kommt. Zhu ist geübt darin über seine Kunst zu sprechen, als Dozent an der Kunstakademie in Stuttgart und Peking lehrt er freie Malerei und findet dennoch Zeit und Muße, sich in die Natur zurückzuziehen. Die Ausstellung zeigt neue Arbeiten, alle sind zwischen 2019 und 2021 entstanden.
Der Entstehungsprozess seiner großflächigen Bilder ist aufwändig. In zahlreichen Schichten malt Zhu die Acrylfarbe Schicht für Schicht auf die Leinwand, dann geht er mit einer Sprühflasche, die mit Wasser gefüllt ist, über das Bild – ein kraftvoller Akt aus Zerstörung und Herstellung, Zhu nennt ihn schlicht: „Prozessmalerei“. Die Wassertropfen legen sich wie kleine Lichter über die fein nuancierte Farbigkeit von „All the world is green“. Dort scheint ein kleines Feuer zu brennen und in manchen Bildern sieht man die Schatten von Wanderern.
Für manche Bilder verfällt Zhu in eine regelrechte Dauermeditation. Noch in der Natur fertigt er ein Bild der Landschaft an, auf dem er jeden Felsen, jede Wolke und jeden Baum nachzeichnet, „danach ist die Landschaft nicht mehr dieselbe“, sagt Zhu. Für das Auge des Betrachters bleiben die Naturszenen manchmal nur schemenhaft erkennbar, doch genau das zieht den Betrachter in den Bann. Ohne seine genaue Beobachtung, so Zhu, könne die besondere Struktur der Bilder nicht entstehen.
Xianwei Zhu ist nicht nur von der Natur fasziniert, er begeistert sich für deutsche Romantiker, allen voran Caspar David Friedrich. Außerdem liebt Zhu Poesie und Philosophie: „Gedichte von Hanshan habe ich in Deutschland wiederentdeckt“, erzählt er. Besonders die „Gedichte vom Kalten Berg. Das Lob des Lebens im Geist des Zen“haben ihn 2015 zur Landschaftsmalerei
inspiriert. Als Aussteiger ist Zhu wohl kaum zu beschreiben, vielmehr als Vermittler zwischen der traditionellen chinesischen Kultur und der westlichen Moderne. Als er vor 19 Jahren aus seiner Heimatstadt Qingdao, einer ehemals deutschen Kolonie in China, nach Deutschland reiste, wollte er seine eigene Bildsprache entwickeln. Fern der Heimat merkte er, wie stark ihn sein Studium der chinesischen und westlichen Malerei in seiner Heimat geprägt hatte und wie wichtig seine chinesischen Wurzeln für die künstlerische Weiterentwicklung wurden.
„In China habe ich eine sehr gute Technik gelernt, zu meinem individuellen Ausdruck fand ich in Deutschland“, erzählt der sympathische Künstler. Zhu schöpft aus beiden Kulturen, der traditionellen Tuschmalerei und Kalligraphie sowie aus dem Studium der freien Malerei, das er 2001 an der Stuttgarter Kunstakademie aufnahm. Zhu beschäftigt sich viel mit Taoismus, Buddhismus und der Denkschule Martin Heideggers, das helfe ihm, in seiner Malerei tiefer zu gehen. „Als ich von China nach Deutschland kam, wollte ich die Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen herausfinden. Es ist die Natur, sie wird von beiden Kulturen gleichermaßen verehrt“.