Rheinische Post Krefeld Kempen
Machtspiele im Tönisvorster Hauptausschuss
Entscheidungen zu wichtigen Grundstücksfragen standen im Tönisvorster Hauptausschuss an. Aber die Sitzung wurde abgesagt, weil die CDU-Fraktion einen Formfehler ausgemacht hatte. Auch über einen Bewerber für die Leitung des Ordnungsamts konnte nicht abgestimmt werden.
TÖNISVORST Genau 433 Seiten war die Vorlage zur Sitzung des Hauptausschusses dick. Allein die Allgemeine Wohnungsgenossenschaft (AWG) hat fast 200 Seiten zusammengetragen. Darin geht es um den Bau von 43 barrierefreien Wohnungen mit Service und einen Tagespflegestützpunkt mit 18 Plätzen. Beides, die bezahlbaren Seniorenwohnungen und die Plätze in der Tagespflege, werden dringend benötigt. Seit 2018 arbeitet die AWG daran, diese Pläne auf dem städtischen Grundstück an der Schelthofer Straße umzusetzen. In der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses hätte ein Satzungsbeschluss gefasst werden können, der das Projekt ein ganzes Stück vorangebracht hätte. Doch dazu kam es nicht.
Auch zu anderen Bauprojekten, etwa der Skate--Anlage am Jugendtreff Vorst, für die sich die Kinder seit drei Jahren stark machen, und zum Glasfaseranschluss für das Schulzentrum hätten Entscheidungen getroffen werden können, aber der Ausschuss wurde vertagt. Die CDU-Fraktion hatte einen Formfehler gefunden.
„Wir weisen darauf hin, dass die
Ladung zur Sitzung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist“, sagte Fraktionschef Andreas Hamacher. Nur eine Woche habe zwischen der Einladung und der Sitzung gelegen, das sei zu kurzfristig, begründete Hamacher seinen Einwand. Außerdem hätte der Rat tagen sollen, nicht der Hauptausschuss, meinte Hamacher weiter.
Dazu muss man wissen, dass es schon im Vorfeld Unstimmigkeiten gegeben hatte. Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, die für den 18. März angesetzte Ratssitzung ausfallen zu lassen und stattdessen dem Hauptausschuss die Entscheidungsgewalt
zu übertragen. Das wird aufgrund der Corona-Pandemie bereits seit Monaten so gehandhabt. Die CDU-Fraktion lehnte den Vorschlag aber ab. „Wir sind zu der Auffassung gelangt, dass eine weitere Verzögerung wichtiger Entscheidungen nicht zumutbar ist“, hieß es in der Erklärung der Fraktion. „Wir beantragen daher eine Sitzung des Stadtrates am 18. März mit den Punkten ‚Standort Verwaltungsneubau' und ‚Verabschiedung des Haushalts 2021' wie geplant.“Darüber hinaus werde man einer weiteren Verlängerung der Übertragung der Rechte und Pflichten des Rates auf den
Hauptausschuss über den 7. März hinaus nicht zustimmen, sofern es die Entwicklung der pandemischen Lage nicht zwingend erfordere.
In der vorigen Woche aber wurde im Hauptausschuss darüber abgestimmt, die Punkte 4.1, Antrag der CDU-Fraktion „Standort Verwaltungsneubau“, und 4.2, Antrag der CDU-Fraktion „Verabschiedung des Haushalts 2021“, von der Tagesordnung abzusetzen und die Ratssitzung am 18. März in eine Hauptausschusssitzung umzuwandeln. Bei sechs Gegenstimmen aus CDU und FDP setzte sich die Mehrheit aus SPD, Grünen, UWT und GUT durch. Einen Tag später ging die Einladung raus – laut CDU-Fraktion zu kurzfristig.
Bürgermeister Uwe Leuchtenberg (SPD) wies darauf hin, dass im Falle der Dringlichkeit eine Sitzung innerhalb von drei Tagen einberufen werden könne. Christiane Tille-Gander (CDU) zitierte aus der Ratsgeschäftsordnung, in der es heißt, zwölf Tage müssten eingehalten werden, in besonders dringenden Fällen seien drei Tage einzuhalten, aber die Dringlichkeit müsse in der Einladung begründet sein. „Wo bitte ist die Begründung?“, fragte Tille-Gander und verwies auf die Einladung.
Bürgermeister Leuchtenberg entschied: „Wir müssen viele wichtige Beschlüsse fassen. Die können nicht umgesetzt werden, wenn das Damoklesschwert darüber hängt, dass die CDU die Ordnungsmäßigkeit der Sitzung anzweifelt.“Der CDU-Einwand müsse geprüft werden, und das dauere Wochen. „Wir laden morgen zu einer Hauptausschusssitzung mit gleichlautender Tagesordnung für die nächste Woche ein – und begründen in einem Satz die Dringlichkeit.“
Meral Thoms (Grüne) zeigte sich entsetzt: „Wir sind gewählt worden, um für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt wichtige Entscheidungen zu treffen. Lasst uns bitte pragmatisch vorgehen und nicht formalistisch.“Allerdings konnte sich die Politikerin mit diesem Einwand nicht durchsetzen, die Sitzung wurde geschlossen.
Ob der Besucher, der eigens angereist war, um sich als Bewerber für den vakanten Leitungsposten des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung vorzustellen, angesichts dieses Auftritts an seiner Bewerbung festhält, bleibt abzuwarten.