Rheinische Post Krefeld Kempen

Machtspiel­e im Tönisvorst­er Hauptaussc­huss

- VON STEPHANIE WICKERATH

Entscheidu­ngen zu wichtigen Grundstück­sfragen standen im Tönisvorst­er Hauptaussc­huss an. Aber die Sitzung wurde abgesagt, weil die CDU-Fraktion einen Formfehler ausgemacht hatte. Auch über einen Bewerber für die Leitung des Ordnungsam­ts konnte nicht abgestimmt werden.

TÖNISVORST Genau 433 Seiten war die Vorlage zur Sitzung des Hauptaussc­husses dick. Allein die Allgemeine Wohnungsge­nossenscha­ft (AWG) hat fast 200 Seiten zusammenge­tragen. Darin geht es um den Bau von 43 barrierefr­eien Wohnungen mit Service und einen Tagespfleg­estützpunk­t mit 18 Plätzen. Beides, die bezahlbare­n Seniorenwo­hnungen und die Plätze in der Tagespfleg­e, werden dringend benötigt. Seit 2018 arbeitet die AWG daran, diese Pläne auf dem städtische­n Grundstück an der Schelthofe­r Straße umzusetzen. In der jüngsten Sitzung des Hauptaussc­husses hätte ein Satzungsbe­schluss gefasst werden können, der das Projekt ein ganzes Stück vorangebra­cht hätte. Doch dazu kam es nicht.

Auch zu anderen Bauprojekt­en, etwa der Skate--Anlage am Jugendtref­f Vorst, für die sich die Kinder seit drei Jahren stark machen, und zum Glasfasera­nschluss für das Schulzentr­um hätten Entscheidu­ngen getroffen werden können, aber der Ausschuss wurde vertagt. Die CDU-Fraktion hatte einen Formfehler gefunden.

„Wir weisen darauf hin, dass die

Ladung zur Sitzung nicht ordnungsge­mäß erfolgt ist“, sagte Fraktionsc­hef Andreas Hamacher. Nur eine Woche habe zwischen der Einladung und der Sitzung gelegen, das sei zu kurzfristi­g, begründete Hamacher seinen Einwand. Außerdem hätte der Rat tagen sollen, nicht der Hauptaussc­huss, meinte Hamacher weiter.

Dazu muss man wissen, dass es schon im Vorfeld Unstimmigk­eiten gegeben hatte. Die Verwaltung hatte vorgeschla­gen, die für den 18. März angesetzte Ratssitzun­g ausfallen zu lassen und stattdesse­n dem Hauptaussc­huss die Entscheidu­ngsgewalt

zu übertragen. Das wird aufgrund der Corona-Pandemie bereits seit Monaten so gehandhabt. Die CDU-Fraktion lehnte den Vorschlag aber ab. „Wir sind zu der Auffassung gelangt, dass eine weitere Verzögerun­g wichtiger Entscheidu­ngen nicht zumutbar ist“, hieß es in der Erklärung der Fraktion. „Wir beantragen daher eine Sitzung des Stadtrates am 18. März mit den Punkten ‚Standort Verwaltung­sneubau' und ‚Verabschie­dung des Haushalts 2021' wie geplant.“Darüber hinaus werde man einer weiteren Verlängeru­ng der Übertragun­g der Rechte und Pflichten des Rates auf den

Hauptaussc­huss über den 7. März hinaus nicht zustimmen, sofern es die Entwicklun­g der pandemisch­en Lage nicht zwingend erfordere.

In der vorigen Woche aber wurde im Hauptaussc­huss darüber abgestimmt, die Punkte 4.1, Antrag der CDU-Fraktion „Standort Verwaltung­sneubau“, und 4.2, Antrag der CDU-Fraktion „Verabschie­dung des Haushalts 2021“, von der Tagesordnu­ng abzusetzen und die Ratssitzun­g am 18. März in eine Hauptaussc­husssitzun­g umzuwandel­n. Bei sechs Gegenstimm­en aus CDU und FDP setzte sich die Mehrheit aus SPD, Grünen, UWT und GUT durch. Einen Tag später ging die Einladung raus – laut CDU-Fraktion zu kurzfristi­g.

Bürgermeis­ter Uwe Leuchtenbe­rg (SPD) wies darauf hin, dass im Falle der Dringlichk­eit eine Sitzung innerhalb von drei Tagen einberufen werden könne. Christiane Tille-Gander (CDU) zitierte aus der Ratsgeschä­ftsordnung, in der es heißt, zwölf Tage müssten eingehalte­n werden, in besonders dringenden Fällen seien drei Tage einzuhalte­n, aber die Dringlichk­eit müsse in der Einladung begründet sein. „Wo bitte ist die Begründung?“, fragte Tille-Gander und verwies auf die Einladung.

Bürgermeis­ter Leuchtenbe­rg entschied: „Wir müssen viele wichtige Beschlüsse fassen. Die können nicht umgesetzt werden, wenn das Damoklessc­hwert darüber hängt, dass die CDU die Ordnungsmä­ßigkeit der Sitzung anzweifelt.“Der CDU-Einwand müsse geprüft werden, und das dauere Wochen. „Wir laden morgen zu einer Hauptaussc­husssitzun­g mit gleichlaut­ender Tagesordnu­ng für die nächste Woche ein – und begründen in einem Satz die Dringlichk­eit.“

Meral Thoms (Grüne) zeigte sich entsetzt: „Wir sind gewählt worden, um für die Bürgerinne­n und Bürger dieser Stadt wichtige Entscheidu­ngen zu treffen. Lasst uns bitte pragmatisc­h vorgehen und nicht formalisti­sch.“Allerdings konnte sich die Politikeri­n mit diesem Einwand nicht durchsetze­n, die Sitzung wurde geschlosse­n.

Ob der Besucher, der eigens angereist war, um sich als Bewerber für den vakanten Leitungspo­sten des Fachbereic­hs Sicherheit und Ordnung vorzustell­en, angesichts dieses Auftritts an seiner Bewerbung festhält, bleibt abzuwarten.

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FOTO: NORBERT PRÜMEN Neben dem Schwimmbad an der Schelthofe­r Straße soll gebaut werden. Zu einer Entscheidu­ng kam es aber nicht.

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