Rheinische Post Krefeld Kempen
Ausstellung „Einige waren Nachbarn“
Eine Wanderausstellung mit dem Titel „Einige waren Nachbarn. Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand“ist jetzt im oberen Foyer des Stadttheaters aufgebaut. Es ist eine Präsentation des „United States Holocaust Memorial Museum“.
Geplant war eine offizielle Eröffnung mit Gästen und Gesprächspartnern im Haus am Theaterplatz – daraus wurde ein virtuelle Veranstaltung mit Podiumsdiskussion. Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle, begrüßte die Teilnehmer aus dem Foyer des Theaters, gut erkennbar an dem holzgetäfelten Hintergrund. Theaterfotograf Matthias Stutte, stellvertretend für das Team des Theaters, war am selben Ort. „Das ist eine wichtige Ausstellung, und wir hoffen, das wir sie irgendwie zugänglich machen können“, sagte er.
Zur Podiumsdiskussion waren die Kulturbeauftragte der Stadt, Gabriele König, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Michael Gilad, und die Historikerin Claudia Flümann eingeladen. In die Zoom-Konferenz hatten sich auch interessierter Krefelder eingewählt, zwei Gäste sogar aus den USA.
Die zentralen Fragen lauten: „Wie war der Holocaust möglich? Welche Schlüsse können wir ziehen und wie können wir verhindern, dass so etwas wieder geschieht?“Die Ausstellung befasst sich in Fotos und Texten damit, wie sich die Menschen in Deutschland und in den von Deutschen besetzten Gebieten verhalten haben. Ob sie Widerstand geleistet haben, ob sie Widerstand gewagt haben oder ob sie sich untergeordnet haben.
Mit der Diskussion nun sollten lokale Bezüge hergestellt werden und Sandra Franz verwies auf Claudia Flümanns Publikation „... doch nicht bei uns in Krefeld“von 2015, die auf Quellen aus der Stadt beruht. Gabriele König übernahm die Leitung des Gesprächs und fragte: „Wie war das möglich? Welche Rolle spielte die Bevölkerung? Haben die Menschen nichts gesagt? Haben sie nichts gemacht?“Und schließlich: „Warum haben sie nach 1945 behauptet, nichts gewusst zu haben?“
Michael Gilad wie Claudia Flümann verwiesen auf den Antisemitismus als Triebkraft, verstärkt durch Verschwörungstheorien, die besonders nach dem Börsencrash von 1929 zunahmen. Claudia Flümann: „Es waren ganz normale Bürger, die sich wesentlich an der Ausplünderung der Juden beteiligten.“Der Antisemitismus sei Staatsdoktrin
gewesen und Referenzrahmen für alles Handeln, so Flümann. Die Bevölkerung habe von der Gewalt profitiert, die die Staatsmacht installiert hatte. Das Pogrom sei ein „Schnäppchenjägerwettlauf gewesen.“
Mit der Beschreibung einiger Alltagsgesten wie dem Grüßen von Menschen mit Judenstern wurde auch auf andere Verhaltensweisen eingegangen. Jedoch: „Diese Gesten haben keine Deportation, Ermordung, Enteignung oder Vertreibung verhindert“, sagte Claudia Flümann.
Auch die Stolpersteine wurden erwähnt: „Wir haben ein großes Publikum aller Altersgruppen beim Verlegen der Stolpersteine“, sagte Sibylle Kühne-Franke vom Förderverein der Villa Merländer. Michael Gilad betonte, dass auch heute Antisemitusmus sichtbar sei: „Ich mache mir Gedanken, wie es weitergehen soll.“Es wurde festgestellt, dass es Jugendliche gebe, die diesen Strömungen entgegenstehen. Sandra Franz: „Wichtig ist, dass die Mehrheit sich äußert, wenn sie nicht einverstanden ist.“